Eine Reihe der für den Naturschutz und die
Sicherung der biologischen Vielfalt wichtigen Flächen befinden sich im Bundesbesitz. Noch
in diesem Jahr (1999) steht im Deutschen Bundestag das Vermögensrechtsergänzungsgesetz
zur Verabschiedung an, das eine abschließende gesetzliche Regelung des bestehenden
Verkaufsstops für naturschutzbedeutsame BVVG-Flächen erwarten lässt. Aus dieser für
den Erhalt des nationalen Naturerbes bedeutsamen Entscheidung erwachsen aus
naturschutzpolitischer Sicht eine Reihe offener Fragen:
- Wie kann sichergestellt werden, dass die
Flächen im Sinne des Erhalts des nationalen Naturerbes verwendet werden?
- Wer wird zukünftig Träger der Flächen
sein/bleiben?
- Ist es denkbar, dass Flächen an
Naturschutzverbände oder Naturschutzstiftungen zum Zwecke einer naturschutzgerechten
Pflege und Entwicklung abgetreten werden?
Ziel der Informations- und
Diskussionsveranstaltung war es, an Beispielen aus den Niederlanden und dem Vereinigten
Königreich Modelle für Betreuung staatlicher Naturschutzliegenschaften durch private
Organisationen vorzustellen, die Positionen der deutschen Naturschutzverbände darzulegen
sowie Perspektiven für die bundeseigenen naturschutzbedeutsamen Liegenschaften zu
diskutieren.
Die Bundesrepublik Deutschland - ein
Grundeigentümer mit besonderer Verantwortung für den Schutz der biologischen Vielfalt? [nach oben]
Dr. Bernd Söhnlein (NABU-BFA Umweltrecht) setzte sich in seinem
einleitenden Beitrag mit der Frage der besonderen
Verantwortung des Grundeigentümers Bundesrepublik Deutschland für den Schutz der
biologischen Vielfalt auseinander. Er stellte heraus, dass der Bund sowohl bei der
Verwaltung als auch beim Verkauf von eigenen Grundstücken zahlreichen Bindungen des
Völker-, Europa-, Bundes- und Landesrechts unterworfen sei. Besonders hervorzuheben seien
die Anforderungen, die sich aus der FFH- und Vogelschutzrichtlinie, den Bestimmungen
einiger Landesnaturschutzgesetze (Art. 2 Abs. 1 S. 4 BayNatSchG, § 1 Abs. 4 BbgNatSchG,
§ 3 a Abs. 1 NatSchG S-H) sowie die Vorgaben der Staatszielbestimmung Umweltschutz (Art.
20 a GG) ergeben. Ein Verkauf von bundeseigenen Grundstücken an Privatpersonen sei
regelmäßig rechtlich unzulässig, wenn es sich um ökologisch besonders wertvolle
Flächen handele, die in der Naturschutzplanung des jeweiligen Bundeslandes als
Vorrangflächen für den Naturschutz vorgesehen sind.
Der RSPB Hüter des nationalen Naturerbes im
Vereinigten Königreich [nach oben]
Christopher Brown (Land & Property Manager, RSPB) stellte in seinem
Beitrag die Arbeit der Royal Society for
the Protection of Birds (RSPB) in der Schutzgebietsverwaltung und betreuung vor.
Die Arbeit des mit über 1 Mio. Mitglieder größten europäische Naturschutzverband wird
von dem Ziel Take action for the protection of birds and their environment
bestimmt.
Dazu setzt der RSPB zum einen sehr stark auf die Einflussnahme auf die Wirtschaftspolitik
(Greening the Economy) und die Landschaftsplanung, zum anderen aber auch auf die
Bewahrung des nationalen Naturerbes durch den Ankauf von Schutzgebieten und deren
Management. Gegenwärtig ist der RSPB Eigentümer von 148 Naturreservaten mit einer
Gesamtfläche von 102.500 ha.
Die Schutzgebietsstrategie des RSPB ist in erster Linie auf den Erhalt national
bedeutsamer Lebensraum- und Landschaftstypen ausgerichtet. Zum Schutzgebietsinventar des
RSPB zählen u.a. 35% der Meeresbuchten, 13% der Röhrichte und Verlandungszonen oder 3%
der Meereswatten.
Darüber hinaus konzentriert sich der RSPB auf den Ankauf und Schutz von Lebensräumen
bedrohter Vogelarten. Die einzigen britischen Vorkommen des Meeresstrandläufers (Calidris
maritime) befinden sich beispielsweise in RSPB-Reservaten. Rund drei Viertel
der britischen Rosenseeschwalbe (Sterna dougallii) und Rohrdommel-Populationen
leben zur Zeit in Schutzgebieten des RSPB. Bemerkenswert ist auch, dass ca. 245.000
Wasservögel, das sind 25% der Überwinterungspopulation, sowie 300.000 überwinternde
Watvögel (20% der britischen Überwinterungspopulation) in diesen Schutzgebieten
anzutreffen sind.
Zum Arteninventar der Reservate zählen neben den Vogelarten aber auch zahlreiche
Wirbellose (92 % der in Großbritannien heimischen Groß- und Kleinlibellenarten, 84% der
Schmetterlingsarten, 77% der Heuschrecken) sowie 27% der gemäß UK Red Data Book national
bedeutsamen Pflanzenarten.
Mit seiner Schutzgebietspolitik leistet der RSPB einen maßgeblichen Anteil zur Bewahrung
des nationalen Naturerbes im Vereinigten Königreich. Finanziert wird die Arbeit in erster
Linie aus Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Finanzielle Unterstützung erfährt der RSPB
zudem aus der land fill tax, Lotterieeinnahmen, Schenkungen oder Vermächtnissen.
Als privater, vom Engagement freiwilliger Mitglieder getragener Verein, leistet der RSPB
darüber hinaus unschätzbare Dienste in der Betreuung, Pflege und Entwicklung der
Schutzgebiete. Dabei erwiesen sich gerade die Möglichkeiten zur Einbindung der örtlichen
Bevölkerung als ausgesprochen hilfreiches Instrument zur Akzeptanzförderung.
Naturschutz durch private Verwaltung - Ziele und Aufgaben von Natuurmonumenten [nach oben]
Luc Berris (Natuurmonumenten) informierte in seinem Beitrag über die
Ziele und Aufgaben von Natuurmonumenten
bei der Sicherung und dem Erhalt niederländischer Schutzgebiete. Natuurmonumenten
definiert seine satzungsgemäßen Aufgaben sinngemäß wie folgt: Der Verein
Natuurmonumenten schützt Natur, Landschaft und damit zusammenhängende kulturhistorisch
wertvolle Objekte durch deren Erwerb und professionelle Verwaltung. Zusammen mit vielen
Partnern arbeitet Natuurmonumenten nachhaltig an der Vergrößerung der geschützten
Fläche. Dadurch gibt Natuurmonumenten den Werten der Natur, der Landschaft und damit in
Zusammenhang stehenden kulturhistorischen Objekte eine Stimme und zeigt immer wieder, dass
Natur- und Landschaftsschutz für ein Land, in dem es sich Leben lässt, notwendig sind.
Natuurmonumenten bietet jedermann auf verschiedene Arte die Möglichkeit Natur und
Landschaft aktiv zu begegnen und wirkt immer unermüdlich für politisches Bewusstsein und
Tragfläche."
Schutzgebiete in privater Hand
Anlass für die Vereinsgründung gaben 1905 die Planungen zur Errichtung einer
Mülldeponie im Naardermeer, einer rund 1000 ha großen See- und Niedermoorlandschaft vor
den Toren Amsterdams. Einige Naturschützer der ersten Stunde erkannten die Bedrohung und
gründeten den Verein mit dem Ziel, einen Fonds aufzubauen, der Mittel für den Erwerb von
schutzwürdigen Gebieten bereitstellt. Heute stehen 70.000 Hektar, verteilt auf 300
Gebiete in einer Größe von 1 bis 5.500 Hektar, im Eigentum von Natuurmonumenten.
Darüber hinaus besitzt der Verein viele alte Bauernhöfe, Schlösser, Windmühlen und
Landhäuser. Für weitere 10.000 Hektar Naturreservate hat Natuurmonumenten die Pflege und
Betreuung übernommen.
Bei den Naturreservaten handelt es sich in hohem Maße um offene Landschaften mit Heiden
sowie Niedermoore und Küstenlandschaften. Fast allen Naturreservaten ist deren
unmittelbare Nähe zu Bevölkerungskonzentrationen gemein.
Die national bedeutsamen Naturreservate von Natuurmonumenten sind Bestandteil der sog.
ökologischen Hauptstruktur". Dieses landesweite Biotopverbundsystem soll bis
2018 zum Rückgrat des Naturschutzes in den Niederlanden entwickelt werden. Die
erforderlichen Flächen werden zu 25% von Natuurmonumenten und zu weiteren 25% von
regionalen Naturschutzorganisationen bereitgestellt. Den Flächenankauf für die
verbleibenden 50% übernimmt die Staatsforstverwaltung.
Die Naturschutzstrategie von Natuurmonumenten
Innerhalb der vergangenen 15 Jahre entwickelte sich der Mitgliederbestand von
Natuurmonumenten von 250.000 auf heute rund 925.000 Mitglieder (rund 19% der
Bevölkerung). Zum Erfolgsrezept" von Natuurmonumenten zählt u.a. dessen
strenge parteipolitische Neutralität. Im Gegensatz zu anderen Umweltorganisationen
verzichtet Natuurmonumenten mittlerweile bewusst auf eine Opposition um der Opposition
willen. Natuurmonumenten wandelte sich von einem rechthaberischen
Naturschutzverein" (Berris, mdl.) zu einer gesellschaftlich breit getragenen
Organisation. Damit ging die Abkehr von einem nur konservativen (konservierenden)
Naturschutz zugunsten von Naturentwicklung einher.
Natuurmonumenten erkennt die herausragende Bedeutung der Naturreservate für den Tourismus
und die Erholungswirtschaft für ein so dicht bevölkertes Land wie die Niederlande an und
bindet diese Anerkenntnis in seine verbandlichen Strategien ein. Natuurmonumenten sucht
daher den Konsens und bemüht sich um ein partnerschaftliches Verhältnis nicht nur mit
dem staatlichen Naturschutz (Staatsbosheer) sondern auch mit Agrarorganisationen,
Fremdenverkehrvereinen, der Erholungswirtschaft, den öffentliche Verkehrsbetrieben, den
Wasserbehörden usw..
Die wirtschaftliche Seite von Natuurmonumenten
Natuurmonumenten beschäftigt gegenwärtig etwa 600 Mitarbeiter: vom Direktor bis zum
Restaurantpersonal und vom Forstarbeiter bis zum Mitarbeiter in Besucherzentren.
Die Jahresrechnung für 1998 wies insgesamt 108 Millionen Euro aus.
Auf der Ausgabenseite dominierten mit 86% die Mittel für den Erwerbung und die Verwaltung
der Reservate. Weitere 12% entfielen auf Öffentlichkeitsarbeit und 2% wurden für
Sonstiges ausgegeben.
Die Ausgaben werden zum einen über Einnahmen aus der Gebietsverwaltung (7%), aus
Sponsoring und Umweltlotterie (17%), Mitgliedsbeiträgen und Erbschaften (27%) sowie aus
Vermögensverwaltung (19%) gedeckt. Darüber hinaus stehen Fördermittel der öffentlichen
Hand in einer Größenordung von 30% zur Verfügung.
Chancen zur Sicherung des nationalen Naturerbes auf Bundesliegenschaften
bzw. BVVG-Flächen - ein Problemaufriss u.a. am Beispiel der Naturschutzgroßprojekte des
Bundes [nach oben]
Frau Steer (Bundesamt für
Naturschutz) stellte den Rahmen für das Engagement des Bundes in Fragen des
Flächenschutzes vor. Grundlage bilden die Richtlinien zur Förderung der Errichtung
und Sicherung schutzwürdiger Teile von Natur und Landschaft mit gesamtstaatlich
repräsentativer Bedeutung einschließlich der Förderung von Gewässerrandstreifen".
Ziel der Förderung ist die dauerhafte Sicherung der ökologischen und
naturschutzfachlichen Qualität großflächiger, natürlicher und naturnaher
Landschaftsteile von herausragender überregionaler Bedeutung, in denen die typischen
Merkmale der Naturausstattung des Gesamtstaates zum Ausdruck kommen.
Die Auswahl der förderungsfähigen Gebiete erfolgt u.a. nach den Kriterien Repräsentanz,
Naturnähe und Natürlichkeit, Großflächigkeit, Gefährdung und Beispielhaftigkeit. Bei
Projekten, die als förderungswürdig anerkannt werden, können Maßnahmen zur
Bestandssicherung (Flächenankauf, langfristige Pachtverträge, Ausgleichszahlungen) sowie
zur Biotopeinrichtung und Lenkung der Biotopentwicklung gefördert werden. Vom Ankauf
ausgeschlossen sind jedoch Grundstücke, die im Eigentum von Gebietskörperschaften
stehen. Darüber hinaus wird erwartet, dass neben dem kommunalen oder privaten
Projektträger, auch das jeweilige Bundesland, die vom Vorhaben berührten Gemeinden sowie
die vor Ort tätigen Naturschutzverbände ihre Flächen in das Vorhaben einbringen.
Im Rahmen von Naturschutzgroßprojekte Peenetal in Mecklenburg-Vorpommern und Mittleres
Saaletal in Thüringen wurden bisher ca. 5.000 ha BVVG-Flächen angekauft. Von den rund
96.000 ha ehemaliger Truppenübungsplätze (nur Flächen über 1000 ha) konnten bislang in
der Tangersdorfer Heide, in Jüterbog West, in der Schmalen Heide und bei
Jännersdorf Flächen in Naturschutzgroßprojekte integriert werden.
Für Naturschutzgroß- und Gewässerrandstreifenprojekte übernimmt die Bundesregierung
bis zu 75 % der anfallenden Kosten. In der Regel soll das einzelne Projekt nach sechs bis
zehn Jahren abgeschlossen sein und danach eigenständig vom Träger weitergeführt werden.
Seit 1979 wurden 50 Projekte gefördert. Im Jahr 1989 wurde der Förderbereich
Naturschutzgroßprojekte" durch das Gewässerrandstreifenprogramm erweitert.
Die jährlichen Bundesmittel stiegen von 22 Millionen DM in 1989 auf 43 Millionen DM im
Jahr 1998.
Konzept des NABU zur Sicherung des nationalen
Naturerbes auf Bundesliegenschaften bzw. Treuhandflächen [nach oben]
Christoph Heinrich (NABU) plädierte dafür, dass der Bundestag bei der
anstehenden Novellierung des Vermögensrechtsergänzungsgesetzes (VermREergG) seiner
Verantwortung für das nationale Naturerbe gerecht werden solle. Im Namen des NABU forderte er die dauerhafte Sicherung
der bundeseigenen Naturschutzflächen insbesondere in den neuen Bundesländern vor der
Privatisierung. Der vorliegende Gesetzentwurf aus dem Bundesumweltministerium (BMU), mit
dem eine Gesamtfläche von ca. 100.000 Hektar Ländern und Umweltverbänden kostenlos für
Naturschutzzwecke überlassen werden solle, sei dafür eine gute Grundlage. Für den NABU
seien die vor allem vom BMF ins Spiel gebrachten verfassungs- und europarechtlichen
Einwände gegen die kostenlose Übertragung der Naturschutzflächen ausgeräumt. Nachdem
ein Veräußerungsstopp bundeseigener Naturschutzflächen im rot-grünen Koalitionsvertrag
festgeschrieben worden sei, würde ein Bruch dieses Versprechens gerade bei der
Bevölkerung in den neuen Bundesländern auf großes Unverständnis stoßen.
Mit seiner Stiftung Nationales
Naturerbe wolle der NABU, so Heinrich weiter, einen neuen Weg im Flächenschutz gehen.
Unabhängig von den kurzfristigen finanziellen Möglichkeiten solle über die
NABU-Stiftung in den kommenden Jahren der Finanzstock für den Erwerb sowie die fachgerechte
Betreuung und Unterhaltung stiftungseigener Schutzgebiete aufgebaut werden.
Perspektiven für den Schutz des nationalen Naturerbes [nach oben]
Die Beispiele aus Großbritannien und den Niederlanden zeigten in eindrucksvoller
Weise die Chancen und Perspektiven für den Schutz des nationalen Naturerbes durch das
Engagement privater Naturschutzorganisationen auf. Bei der Bewahrung des nationalen
Naturerbes nehmen sowohl RSPB als auch Natuurmonumenten die Funktion eines Dienstleisters
oder Liegenschaftstreuhänders wahr und unterstützen den Staat bei der Bewältigung
seiner Aufgaben. Es zeigte sich aber auch, dass die Verbände diese Aufgabe nicht ohne
eine Aufwandsvergütung wahrnehmen bzw. wahrnehmen können. Neben der Unterstützung durch
die öffentliche Hand wurden zum Beispiel mit der niederländischen Umweltlotterie neue
und sehr erfolgreiche Finanzierungsinstrumente entwickelt.
Gleichzeitig wurde deutlich, dass vergleichbare, politisch und gesellschaftlich
akzeptierte Ansätze für die Bundesrepublik Deutschland noch fehlen bzw. erst in den
Anfängen stecken. In Zusammenarbeit mit der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt und dem
brandenburgischen Umweltministerium leistet der NABU beim Kauf des ehemaligen
Truppenübungsplatzes Lieberose bereits Vorarbeit. Zum Preis von 1,5 Millionen Mark werden
dort 3000 Hektar einzigartiger Natur dauerhaft gesichert.
Lieberose und die NABU-Stiftung Nationales Naturerbe sollten als erste Schritte für ein
groß angelegtes nationales Programm zur Sicherung des Naturerbes verstanden werden. Die
weiteren erforderlichen Instrumente müssen in enger, zielorientierter Zusammenarbeit
zwischen den staatlichen Institutionen und den Umweltverbänden erarbeitet und dann
möglichst zügig umgesetzt werden. Die Niederlande und Großbritannien, wo neben
Naturmonumenten und dem RSPB auch verschiedene andere Organisationen an der Sicherung der
nationalen Naturerbe beteiligt sind (z.B. Staatsbosbeheer, British National Trust) sowie
die Initiativen des NABU zeigen mögliche Wege. Jetzt ist die Bundesrepublik Deutschland
gefordert, ihre Vorbildfunktion im Flächenschutz mit Leben zu füllen!
Ralf Schulte
(NABU-Akademie Gut Sunder) |