Die Verwaltung bundeseigener
Grundstücke
Einfachgesetzliche Bindungen [nach oben]
Die Verwaltung bundeseigener Grundstücke ist eine fiskalische Tätigkeit. Zu dieser
Tätigkeit gehört neben der reinen Bewirtschaftung der Flächen auch deren Verpachtung an
Dritte. Der Staat unterliegt dabei wie jede andere Rechtsperson den Vorschriften des
öffentlichen Rechts. Vorschriften, die den Umgang mit ökologisch wertvollen Flächen im
Eigentum des Bundes regeln, existieren nicht. § 3 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG besagt
lediglich, daß andere Behörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Verwirklichung der
Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege unterstützen müssen. Zu den Zielen des
Naturschutzes gehört gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG auch die Erhaltung der
biologischen Vielfalt. Die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG verpflichtet die
Fiskalverwaltung des Bundes zu einem naturschutzfreundlichen Verhalten
(Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, § 3, Rn. 18 f.). Inhalt und
Reichweite dieser Verpflichtung sind relativ schwer greifbar. Immerhin wird man annehmen
müssen, daß durch die Verwaltung bundeseigener Grundstücke Vorhaben der
Naturschutzbehörden, z.B. die Ausweisung von Schutzgebieten oder die Durchführung von
Naturschutzmaßnahmen nicht wesentlich behindert oder erschwert werden darf.
Die gleiche Rechtsfolge für die Verwaltungstätigkeit bundeseigener Grundstücke läßt
sich auch aus der Biodiversitätskonvention herleiten, die die Bundesrepublik Deutschland
als Bundesgesetz ratifiziert hat (BGBl. II, 1993, S. 1741 ff.). Nach Art. 8 Buchst. a der
Konvention verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland, soweit wie möglich und
sofern angebracht, ein System von Schutzgebieten zur Erhaltung der biologischen Vielfalt
einzurichten. Diese Verpflichtung trifft selbstredend auch die bundeseigene Verwaltung.
Schließlich haben auch einige Bundesländer Vorschriften über den Umgang mit ökologisch
wertvollen Grundstücken im Eigentum des Staates erlassen. Nach § 1 Abs. 4 BbgNatSchG
sollen ökologisch besonders wertvolle Flächen im Eigentum des Staates Naturschutzzwecken
dienen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 4 BayNatSchG dienen solche Flächen sogar vorrangig dem
Naturschutz. An diese Verpflichtung sind auch die Bundesbehörden gebunden. Dies ergibt
sich z.T. unmittelbar aus dem Gesetz (z.B. § 3 a Abs. 1 Satz 1 NatSchG S-H), im übrigen
folgt dies aus dem allgemeinen Grundsatz, daß auch Bundesbehörden im Rahmen ihrer
Tätigkeit an Landesrecht gebunden sind (Bundesverwaltungsgericht, Bd. 29, S. 52).
Erfüllt der Bund auf seinen eigenen Flächen zugleich eine hoheitliche Tätigkeit, z.B.
Aufgaben der Landesverteidigung, ist im Einzelfall abzuwägen, welchen Belangen der
Vorrang einzuräumen ist (BVerwG, aaO).
Verfassungsrechtliche Bindungen [nach oben]
Über die einfachgesetzlichen Bindungen hinaus sind die Behörden bei der Verwaltung
der bundeseigenen Liegenschaften unmittelbar an das Grundgesetz, namentlich an Art. 20 a
GG gebunden. Organe der Exekutive müssen nämlich bei ihrer gesamten Tätigkeit die
Verfassung beachten (Herzog, in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 20, Rn. 24).
Art. 20 a GG ist ein hochrangiges Verfassungsprinzip, das auf der gleichen Stufe wie die
Prinzipien des Rechtsstaates, der Demokratie oder des Sozialstaates steht (Gemeinsame
Verfassungskommission, BT-Drs 12/6000, S. 65). Nach Art. 20 a GG sind die natürlichen
Lebensgrundlagen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen zu schützen.
Schutzobjekt des Art. 20 a GG sind die vernetzten Abläufe in der Biosphäre,
einschließlich aller in ihr vorkommenden Lebewesen. Die biologische Vielfalt ist für das
Überleben des Menschen nicht nur deshalb wichtig, weil nicht ausgeschlossen werden kann,
daß bei einer wesentlich reduzierten Artenvielfalt der Naturhaushalt insgesamt als
Lebensgrundlage des Menschen in Gefahr ist. Bedeutsam ist darüber hinaus, daß die
Vielfalt an Tieren, Pflanzen und Lebensräumen auch für die Erholung des Menschen gerade
in der modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft eine unersetzliche Rolle
spielt.
Der Schutz der Artenvielfalt ist demnach bei der Bewirtschaftung und Verpachtung
bundeseigener Liegenschaften zu berücksichtigen, d.h. auf den Artenschutz ist je nach den
Umständen Rücksicht zu nehmen. Im Konfliktfall ist zu beachten, daß widerstreitende
Verfassungsprinzipien optimiert werden müssen, d.h. es ist zu prüfen, ob das dem
Naturschutz gegenläufige Ziel nicht auch auf andere Weise, insbesondere an einem anderen
Standort, verwirklicht werden kann. Soweit keine gegenläufigen Verfassungsziele mit der
Verwaltung bundeseigener Grundstücke verfolgt werden, müssen ökologisch besonders
wertvolle Flächen vorrangig Naturschutzzwecken zur Verfügung gestellt werden.
Europarechtliche Bindungen [nach oben]
Europarechtliche Vorgaben lassen sich in erster Linie aus der EG-Vogelschutzrichtlinie
und der FFH-Richtlinie ableiten. Mit diesen Richtlinien hat sich die Bundesrepublik
Deutschland per Ministerratsbeschluß verpflichtet, an dem Aufbau eines europaweiten
Schutzgebietsnetzes (Natura 2000) mitzuwirken. Der Gesetzgeber hat die Auswahl
gemeinschaftlicher Schutzgebiete in § 19 b Abs. 1 Satz 1 BNatSchG allein den
Bundesländern übertragen. Dies heißt jedoch nicht, daß die Bundesländer nicht auch
Gebiete vorschlagen können und ggf. müssen, in denen bundeseigene Flächen liegen. Mit
anderen Worten: Bundeseigene Liegenschaften dürfen von der Benennung als EG-Schutzgebiet
nicht verschont bleiben, wenn sie naturschutzfachlich geeignet sind.
Bundeseigene Liegenschaften müssen sogar ebenso wie sonstige staatliche und
kommunale Liegenschaften vorrangig in das Schutzgebietsnetz Natura 2000 eingebracht
werden. Denn die Ausweisung von EG-Schutzgebieten ist in den meisten Fällen mit
Nutzungsbeschränkungen für die Grundstückseigentümer verbunden.
Nutzungsbeschränkungen des Grundeigentums sind als Inhalts- und Schrankenbestimmung des
Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG indes nur verfassungsmäßig, wenn sie
verhältnismäßig, namentlich erforderlich sind (Bundesverfassungsgericht, Bd. 70, S. 286
f.). Stehen für das Schutzgebietsnetz genügend gleichwertige staatseigene Flächen zur
Verfügung dürfte die Einschränkung des Eigentumsrechts von privaten Grundeigentümern
in der Regel verfassungswidrig sein.
Der Verkauf von bundeseigenen
Grundstücken [nach oben]
Der Verkauf von Mauer- und
Grenzgrundstücken [nach oben]
Der Verkauf von bundeseigenen Mauer- und Grenzgrundstücken ist in einem eigenen
Bundesgesetz geregelt worden. Zunächst haben ehemalige Eigentümer und deren
Rechtsnachfolger einen Rechtsanspruch auf Erwerb dieser Grundstücke, wenn sie der Bund
nicht für dringende eigene öffentliche Zwecke verwenden oder im öffentlichen Interesse
an Dritte veräußern will. Eine Veräußerung an andere Personen als die oben genannten
Berechtigten ist folglich nur im öffentlichen Interesse möglich.
Aus den Erlösen des Verkaufs wird ein Fonds gebildet, der der Förderung
wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Zwecke in den neuen Bundesländern dient.
Es stellt sich zunächst die Frage, ob dieses Gesetz nicht verfassungswidrig ist, weil es
den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen (Art. 20 a GG) überhaupt nicht
berücksichtigt. Durch die Einrichtung des beschriebenen Fonds entsteht ein faktischer
Zwang zum Verkauf der bundeseigenen Grundstücke, so daß die Gefahr besteht, daß die
Belange des Naturschutzes hintangestellt werden. Man kann dieses Gesetz meines Erachtens
vor der Verfassungswidrigkeit nur retten, wenn man es verfassungskonform auslegt und
anwendet. Insbesondere drängt es sich auf, den unbestimmten Rechtsbegriff des
dringenden öffentlichen Interesses" in § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Satz
1 des Gesetzes im Lichte des Art. 20 a GG auszulegen. Der Schutz der biologischen Vielfalt
ist demnach in den Fällen als dringendes öffentliches Interesse zu werten, in denen
ökologisch wertvolle Flächen zur Disposition stehen. Insbesondere dürfte ein Verkauf
von bundeseigenen Grundstücken innerhalb von bestehenden Schutzgebieten nicht mit Art. 20
a GG vereinbar sein.
Die Veräußerung
sonstiger bundeseigener Grundstücke [nach oben]
Bei der Veräußerung sonstiger Liegenschaften ist der Bund gesetzlich und
verfassungsrechtlich in ähnlicher Weise gebunden wie bei der bloßen Verwaltung seiner
Grundstücke. Problematisch ist insbesondere der Verkauf von Grundstücken, die innerhalb
von bestehenden oder geplanten Schutzgebieten (z.B. gemeldete FFH-Gebiete) liegen. Denn
mit dem Übergang des Eigentums auf Private geht die Gefahr einher, daß die betreffenden
Grundstücke intensiver und damit zu Lasten des Naturschutzes genutzt werden. Einem
Verkauf von ökologisch wertvollen Flächen, insbesondere innerhalb von Schutzgebieten,
kann auch der Grundsatz der Bundestreue entgegenstehen. Die Bundestreue ist ein aus dem
Bundesstaatsprinzip abgeleitetes Prinzip, daß Bund und Länder zu gegenseitiger
Rücksichtnahme bei ihrer staatlichen Tätigkeit verpflichtet. Dazu gehört auch das
Verbot, ein Recht auszuüben, wenn überwiegende Belange des anderen Beteiligten
entgegenstehen (Bauer, in: Dreier, GG, Art. 20 (Bundesstaat), Rn. 31). So kann der Verkauf
einer Bundesliegenschaft dem Vorhaben eines Landes zuwiderlaufen, ein zusammenhängendes
Gebiet zur Erhaltung der biologischen Vielfalt wirksam zu schützen, insbesondere dann,
wenn es sich um Flächen in den Kernzonen von Schutzgebieten handelt.
Rechtsanwalt Dr.
Bernd Söhnlein (Bundesfachausschuß Umweltrecht des Naturschutzbundes Deutschland e.V.) |