Teichwirtschaften – Sahnestücke des internationalen Arten- und Biotopschutzes
Ergebnisse eines Seminars vom 23.10. bis 24.10.1999

Situation der Teichwirtschaften in Zentraleuropa * Teichwirtschaften als „hotspots" der Biodiversität * Fortbestand der Karpfenteichwirtschaften * Schutz der Teichlandschaften als internationale Aufgabe * Maßnahmen zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der Teichlandschaften * Offene Fragen

k-teiche.jpg (14244 Byte) Teichgebiete sind seit dem Mittelalter prägende Elemente europäischer Kulturlandschaften. Insbesondere in den ost- und südosteuropäischen Staaten wie Polen, Tschechien, Ungarn, Kroatien oder Bulgarien entstanden ausgedehnte Teichgebiete. Als "multifunktionale" Landschaftselemente stehen sie permanent im Brennpunkt spezifischer Nutzungs- und Interessenkonflikte. Ihre primäre Aufgabe bestand in der Versorgung der heimischen Bevölkerung mit hochwertigen,
eiweißreichen Lebensmitteln. In Abhängigkeit vom Standort und der Nutzungsintensität entwickelten sich insbesondere die Karpfenzuchtgebiete zu besonders hochwertigen Lebensraumkomplexen. Zahlreiche Tier- und Pflanzenarten, die ihre Habitate durch Flussregulierungen verloren hatten, fanden in den künstlich geschaffenen Fischteichen Ersatzlebensräume.

Für den nationalen sowie internationalen Arten- und Biotopschutz sowie den Erhalt der Biodiversität spielen diese Landschaftselemente eine herausragende Rolle. Die politischen und wirtschaftlichen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa führen jedoch dazu, dass Teichwirtschaften aufgegeben werden oder ihre Nutzung radikalen Veränderungen unterliegt. In Bulgarien bleiben 50% der Fischteiche unbespannt. In Ungarn führt die Aufgabe der Bewirtschaftung zur rasanten Verlandung und zur Monotonisierung der Lebensräume. Tschechische Fischzuchtbetriebe versuchen durch drastische Intensivierung der Bewirtschaftung höhere Erträge zu erzielen und sich auf diese Weise am Markt zu behaupten. Damit geht der Verlust nutzungsspezifischer Lebensräume und Lebensgemeinschaften einher. Aus den ehemaligen „Sahnestücken" des Naturschutzes drohen "Sorgenkinder" zu werden.

Ziel des Seminars war es, in intensiver Diskussion mit Naturschutzvertretern der ost- und südosteuropäischen Staaten, Antworten auf folgende für den Schutz und die nachhaltige Sicherung von Teichlandschaften wichtige Fragestellungen zu finden:
  • Warum sind die künstlich angelegten Teichlandschaften für den Erhalt und den Schutz von biologischer Vielfalt von besonderer Bedeutung?
  • Welche Bedeutung hat die nachhaltige Bewirtschaftung der Teichlandschaften für den Erhalt und Schutz der biologischen Vielfalt?
  • Welche Prozesse führen in Teichlandschaften zum Verlust biologischer Vielfalt und durch welche Maßnahmen können sie aufgehalten werden?
  • Wie kann die Entwicklung der biologischen Vielfalt von Teichlandschaften gefördert werden?
  • Welche Anforderungen sind an ein integriertes Management für Teichlandschaften unter besonderer Berücksichtigung der Belange des Schutzes und der nachhaltigen Nutzung biologischer Vielfalt zu stellen?

Das Seminar beleuchtete ausschließlich die gegenwärtige Situation der Karpfenteichwirtschaften. Die thematische Begrenzung erschien sinnvoll und notwendig, da es sich bei den zur Diskussion stehenden großflächigen Teichgebieten traditionell um Karpfenzuchten handelt und die für diese Landschaften gültigen Aussagen nicht auf Forellenzuchtanlagen übertragbar sind.

Wie stellt sich die Situation der Teichwirtschaften in Zentraleuropa heute dar?
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Karpfenteiche sind typischerweise Flachgewässer von meistens weniger als 2 m Wassertiefe. Sie sind häufig ebenerdig angelegt. Aufgeschüttete Dämme dienen der Wasserhaltung. Die Wasserversorgung erfolgt durch Einleitungen aus Fließgewässern. Die Wasserregime werden mit Hilfe von Stau- und Ablassbauwerken, den sogenannten Mönchen, geregelt. Karpfenteichwirtschaften befinden sich daher meistens in wasserreichen Landschaften, idealerweise in unmittelbarer Nähe von größeren Bächen oder Flüssen.

Viele Karpfenteichwirtschaften blicken auf eine Tradition von mehreren hundert Jahren zurück. Ihre Anlage erfolgt nicht selten bereits im Mittelalter. Die polnischen Teichgebiete am Oberlauf der Weichsel existieren bereits seit mehr als 600 Jahren.

Die Ausdehnung der Karpfenteichgebiete differiert regional sehr stark. Sie bewegt sich zwischen wenigen Dutzend Hektar und bis zu rund 5.800 ha im Falle der ungarischen Hortobagy-Fischfarm. Mit über 500 Fischteichen, die sich auf mehrere Teichkomplexe mit einer Gesamtfläche von über 7.200 ha aufteilen, stellt das tschechische Trebongebiet eines der Zentren der mitteleuropäischen Teichwirtschaft dar. Zentren der Karpfenproduktion in Deutschland waren bzw. sind u.a. die Gebiete der Lausitzer Teichlandschaft, das Ismaninger Teichgebiet bei München sowie die Vielzahl der fränkischen Teichwirtschaften.

Gegenwärtig nehmen Karpfenteichwirtschaften in Ungarn noch eine Fläche von 24.000 ha ein. In Kroatien sind es rund 12.000 ha und in Polen ca. 45.000 ha. Für Tschechien wird die aktuelle Teichwirtschaftsfläche mit rund 60.000 ha angegeben. Zur Blütezeit der Karpfenzucht im 16. und 17. Jahrhundert waren es noch 180.000 ha.

Die jährliche Gesamtproduktion der Karpfenteichwirtschaften beläuft sich in Ungarn derzeitig (1998) auf rund 15.000 t. Zehn Jahre vorher waren es noch 25.000 t. Die deutschen Karpfenproduzenten lieferten 1997 insgesamt 12.000 t.

In Abhängigkeit von den Standortbedingungen und der Bewirtschaftungsform erzielen die Teichwirtschaften Erträge zwischen 200 und 3.000 kg pro Hektar und Jahr. Die Spitzenwerte werden gegenwärtig fast ausschließlich von tschechischen Intensivstbetrieben unter Einsatz von Pellet-Zufütterung, massiver Kalkung und Düngung erreicht. Nach sächsischen Erfahrungen muss ein Teichwirt unter den heutigen ökonomischen Rahmenbedingungen Erträge von 800 bis 1000 kg/ha erwirtschaften, um in der Speisefischproduktion wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Warum gelten Teichwirtschaften als „hotspots" der Biodiversität in der Kulturlandschaft?
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Bis heute tragen Karpfenteichwirtschaften zu einer Bereicherung der Diversität des Biotopangebots und damit zu einer Vergrößerung der Artenzahl in der Kulturlandschaft bei. Zweifellos ist eine Reihe von Vogelarten in der Vergangenheit durch die Teichwirtschaft in ihrer Arealausweitung in Mitteleuropa gefördert worden. Zu den Vogelarten, die in den letzten 150 Jahren von der Teichwirtschaft profitierten zählen u.a. Schwarzhalstaucher, Schnatter-, Kolben-, Tafel-, Reiher-, Moorente und Lachmöwe. Auch für die Artengruppe der Reiher (Purpurreiher, Seidenreiher, Rallenreiher, Nachtreiher) und der Löffler sind die bewirtschafteten Teichgebiete als Nahrungshabitate von großem Nutzen. Jeder zehnte Löffler brütet nach Angaben von HABERMEIER an den vier großen Teichgebieten in Kroatien und Ungarn. Trockenliegende, vegetationsfreie bzw. –arme Teichböden werden zum Beispiel von Flussregenpfeifern, Kiebitzen und anderen Limikolen als Bruthabitate genutzt. Das allmähliche Bespannen der Teiche im Frühjahr oder ihr langsames Ablassen im Herbst schafft insbesondere für durchziehende Limikolen bedeutsame Rastplätze. 3000 bis 5000 Moorenten rasten jährlich an den Crna Mlaka-Fischteichen in Kroatien. Die wichtigste östliche Zugroute des Kranichs führt über die ostungarischen Fischteichgebiete.

Eine Vielzahl kleinerer Wald-Teichgüter im südwestlichen Ungarn (zwischen Balaton und Drau) erlaubt zwar nicht die Ausbildung großer Wasservogelkolonien, die Teiche sind jedoch bedeutsame Lebensräume für Fischotter, Sumpfschildkröte, Moorfrosch, Rotbauchunke sowie für bis zu 30 zum Teil hochgradig gefährdete Fischarten.

Die herausragende ökologische Bedeutung der Karpfenteichgebiete erklärt sich aus deren struktureller Vielgestaltigkeit. Selbst innerhalb eines zusammenhängenden Teichgebiets unterscheiden sich die Teiche in Morphologie, Entwicklungszustand oder Produktivität. Gleiches gilt für die Bewirtschaftung. Einzelne Teiche dienen ausschließlich als Laichgewässer, andere zur Anzucht der Jungfische, wiederum andere zum Abwachsen der Speisefische.

Kennzeichnend für die Komplexität der Landnutzung ist die internationale Tradition die einzelnen Fischteiche eines Teichgebiets mit individuellen Namen zu versehen. Die Namensgebung (z.B. Großer Sandteich, Mühlenteich, Wildschweinteich, Großer Möwenteich, Fettweide) erlaubt sehr häufig Rückschlüsse auf standörtliche oder betriebliche Besonderheiten. Die Teiche werden von den Fischern wie Persönlichkeiten betrachtet und auch entsprechend unterschiedlich bewirtschaftet. Diese Bewirtschaftungspraxis gewährleistet ein in Zeit und Raum wechselndes Angebot verschiedenster Habitattypen und begründet die hohe Artendiversität der Teichlandschaften.

Eutrophe bis hocheutrophe Teiche mit einer Maximalentwicklung von Phytoplankton und reduzierter submerser Vegetation ähneln natürlichen Trübwasser-Flachseen. Das Teichwasser ist meist stark eingetrübt und der Teichgrund wird von einer mächtigem Schlammschicht aus zersetztem pflanzlichen und tierischen Material überzogen. Häufig haben sich große Gelegegürtel ausgebildet. Typische Vertreter der Avifauna dieser Teiche sind schilfbewohnende Arten (Rohrdommeln und Rallen), aber auch Haubentaucher, Stockente und ggf. Tauchenten wie die Reiher- und die Tafelente. Bei Vorhandensein verschiedener Verlandungsformationen mit Anschluss an Feuchtwiesen gewinnen diese Teiche oftmals große Bedeutung für Graugänse, Höckerschwäne und Limikolen.

Andere Teiche entsprechen hingegen eher dem Typus eines Klarwasser-Flachsees mit artenreicher Unterwasserpflanzenvegetation. Hinsichtlich der Evertebraten-Fauna bilden Fischteiche, die im jährlichen oder mehrjährigen Rhythmus zwischen Bespannung und Trockenlegung wechseln, ein Arteninventar aus, das den an regelmäßige Wasserstandsschwankungen angepassten Pionierlebensgemeinschaften der natürlichen Ufer- und Überschwemmungsbereiche ähnelt. Optimale Bedingungen finden an diesen Gewässern häufig Lappentaucher, Gründelenten oder Trauerseeschwalben.

Karpfenteichgebiete gelten auch heute noch zu Recht als „hotspots" der biologischen Vielfalt in der Kulturlandschaft. Den hohen ökologischen Wert der Gebiete spiegelt die Unterschutzstellung etlicher Teichlandschaften als Nationalparke, Natur- und Landschaftsschutzgebiete, Important Bird Areas, RAMSAR-Gebiete oder Biosphärenreservate wieder. Für Deutschland wurden beispielsweise der Ismaninger Speichersee mit Fischteichen und das Peitzer Teichgebiet als RAMSAR-Gebiete gemeldet. Zu den Gebieten von besonderer Bedeutung für den Vogelschutz (IBA) zählen u.a. die Meißendorfer Teiche, die Riddagshäuser Teiche sowie die Peitzer und Bärenbrücker Teiche. Die Anerkennung als UNESCO-Biosphärenreservat tragen die Fischteiche der Blumberger Mühle in Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und die Teichgebiete der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft.

Warum ist der Fortbestand der Karpfenteichwirtschaften gefährdet?
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Karpfenteichgebiete sind nutzungsspezifische Wirtschaftsbiotope, deren Entwicklung maßgeblich durch die jeweiligen ökonomischen Rahmenbedingungen bestimmt wird. Die Teichwirtschaften unterliegen damit den gleichen Steuerungsmechanismen wie sie auch für andere Agrarlebensräumen gelten.

Angesichts der prekären marktwirtschaftlichen Situation bei der Produktion von Süßwasserfischen stehen viele Teichwirtschaften in Europa entweder vor dem Ruin oder unter dem Zwang zur drastischen Produktionssteigerung. Die Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Osteuropa verschärfen die Situation dramatisch. Allein in Bulgarien bleiben 50% der Fischteiche unbespannt, da sich die Bewirtschaftung nach der Privatisierung der früheren Staatsbetriebe nicht mehr lohnt. In Tschechien versuchen die Karpfenzuchtbetriebe durch die drastische Intensivierung der Bewirtschaftung höhere Erträge zu erzielen und sich auf diese Weise am Markt zu behaupten. In beiden Fällen sind katastrophale Auswirkungen für den Naturschutz die Konsequenz. Entweder werden aus großen Feuchtgebieten quasi über Nacht Trockenlebensräume oder aber die Intensivstnutzung führt zum tiefgreifenden Verlust an Habitat- und Artendiversität.

Die dramatische wirtschaftliche Situation der Teichwirtschaften könnte den Karpfenzuchtbetrieben darüber hinaus die Augen für betriebswirtschaftliche Alternativen öffnen. So wird mancherorts bereits mehr oder weniger laut über die Umnutzung der Karpfenteiche zu Wasservogeljagdgebieten, zu Angelsportgewässern oder über die touristische Vermarktung der Gebiete nachgedacht. Die osteuropäischen Teichlandschaften stehen damit vor einer Situation wie sie in Deutschland u.a. bereits in den sechziger und siebziger Jahren an den Meißendorfer Teichen eintrat bzw. einzutreten drohte. In dem heutigen gesamtstaatlich repräsentativen Naturschutzgebiet führten die sich verändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Veräußerung größerer Teichflächen und zur weitestgehenden Aufgabe der extensiven Fischzucht. Zeitgleich entstand ein Freizeitgelände mit Wassersportgebiet, ein Campingplatz und eine Ferienhaussiedlung, dessen geplante Ausweitung eine erhebliche Gefährdung für das Gebiet nach sich gezogen hätte.

Vor diesem Hintergrund steht der Naturschutz aktuell vor der schwierigen Aufgabe, Strategien und Konzepte zu entwickeln, die gleichermaßen das Überleben der Teichwirtschaften als auch der Lebensgemeinschaften der Teichgebiete sichern. Ohne Teichwirte wird es keine Fischteiche geben. Und mit den Fischteichen verschwindet einer der hochwertigsten Lebensraumkomplexe der mitteleuropäischen Kulturlandschaft. Der Schutz der Teichwirte und der Schutz der biologischen Vielfalt der Teichgebiete sind daher zwei Seiten einer Medaille.

Ist der Schutz der Teichlandschaften lediglich eine nationale oder auch eine internationale Aufgabe?
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Die Mehrzahl der für den Naturschutz besonders bedeutsamen Teichlandschaften befindet sich in Ländern, die an der Schwelle zum EU-Beitritt stehen bzw. den Beitritt mittelfristig anstreben. Die bereits erfolgten sowie die sich andeutenden Veränderungen in den Karpfenteichwirtschaften dieser Länder lassen erwarten, dass der Naturschutz mit Situationen konfrontiert werden wird, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten in West- und später auch in Ostdeutschland eingetreten sind. Die vorauszusehenden Probleme sollten daher rechtzeitig und unter Berücksichtigung der vorliegenden Erfahrungen angefasst werden, um den Ereignissen später nicht hinterher laufen zu müssen.

Die europäische Staatengemeinschaften muss sich der internationalen Bedeutung dieser Feuchtgebiete bewusst sein und die Beitrittsländer ebenso wie bei der Umstellung der Wirtschaft und der Heranführung der Umweltstandards bereits frühzeitig bei deren Bemühungen zur nachhaltigen Nutzung und zur Bewahrung der biologischen Vielfalt unterstützen. In diesem Zusammenhang erscheint es wichtig, dass auch die Teichwirtschaften bei den derzeitig laufenden Maßnahmen und Programmen, die das Überleben der Landwirtschaft (z.B. in den ostpolnischen Grünlandgebieten) sichern sollen, Berücksichtigung finden. Bislang sind entsprechende Unterstützungsprogramme nicht vorgesehen.

Darüber hinaus wäre aus Sicht der ost- und südosteuropäischen Naturschutzvertreter die Gründung eines Netzwerks als länderübergreifende Plattform für den Informations- und Erfahrungsaustausch ein Schritt in die richtige Richtung. Über diese Kommunikationsplattform sollten dann weitere, ggf. länderspezifische, Maßnahmen und Unterstützungsprogramme auf staatlicher sowie NGO-Ebene initiiert werden.

Welche Maßnahmen zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der Teichlandschaften sind aus Sicht des Naturschutzes erforderlich?
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Die bisherigen Erfahrungen des Naturschutzes mit Agrarlebensräumen zeigen, dass alle konservierenden Schutzmaßnahmen ein sehr aufwendiges Folgeprogramm an Maßnahmen zur Gebietsgestaltung und zum –management nach sich ziehen. Im Falle der Teichwirtschaften müsste der Naturschutz die traditionellen teichwirtschaftlichen Bewirtschaftsmaßnahmen simulieren. Das würde u.a. die Kontrolle der Vegetation, die Instandhaltung der Dämme, die Kontrolle des Wasserstandes und der Wasserqualität sowie den Fischbesatz und das Abfischen beinhalten. Allein aus finanziellen Gesichtspunkten heraus, scheint dieses dauerhaft nicht leistbar zu sein.

Ähnlich wie bei anderen Formen der landwirtschaftlichen Landnutzung ist daher auch eine auf Nachhaltigkeit bedachte „Schutz durch Nutzung"-Strategie anzustreben, die:

  • die wirtschaftlichen Interessen der Teichbewirtschafter befriedigt und ihnen eine dauerhafte Einkommensquelle bietet,
  • der Versorgung der Bevölkerung mit Fisch als hochwertigem Nahrungsmittel dient,
  • die kulturelle und landschaftshistorische Identität der Region fortentwickelt,
  • sich an geschlossenen Nährstoffkreisläufen orientiert,
  • die „Störgrößen", die negative Auswirkungen haben, ausschaltet und
  • den langfristigen Erhalt der Teiche als Lebensraum für Pflanzen und Tiere gewährleistet.

Die Erfolgschancen für die Etablierung von „wise use"-Konzepten sind bei Teichwirtschaften wesentlich günstiger zu beurteilen als bei terrestrischen landwirtschaftlichen Nutzungssystemen. Diese positive Einschätzung gründet sich auf die in den Teichökosystemen vollkommen andersartigen Bedingungen. Die Fischteiche wirken als „Nährstoffenfallen" und akkumulieren natürlicherweise Nährstoffe. Die Teichwirte können deshalb selbst dann noch Erträge erzielen, wenn sie auf die Zufütterung verzichten. Andererseits bereitet auch eine maßvolle Zufütterung keine Probleme, da das System natürlicherweise in der Lage ist, diese Nährstoffeinträge abzupuffern.

Die Ziele der „Schutz durch Nutzung" - Strategie sollten in gebietsspezifischen Leitbildern, die allerdings nicht als Dogmen zu betrachten sind, sondern den Teichwirten hinreichend Spielraum für flexible Maßnahmen geben, formuliert werden. Die Leitbilder sollten folgendes beinhalten:

  • Die Teichwirtschaften versuchen unter Verwendung flussgebietstypischer Fischarten, ein möglichst vollständiges Produktionsprofil - von der Brut bis hin zur Vermarktung der Speisefische – zu verwirklichen.
  • Die Bewirtschaftung der Teiche erfolgt in abgestuften Intensitäten unter Berücksichtigung der standortspezifischen Verhältnisse.
  • Die vom Nährstoffpotential und den Einträgen durch das Zulaufwasser abhängige biologische Produktivität der Teiche sollte voll ausgeschöpft werden. Um der Nährstoffakkumulation in den Teichen entgegenzuwirken, sollte beim Besatz der Teiche daher darauf geachtet werden, dass das biologische Ertragspotential nicht unterschritten wird. Sofern die biologische Produktivität keine vertretbare wirtschaftliche Nutzung ermöglicht, sollten Zufütterungen mit Getreide möglich sein.
  • Die Arten- und Lebensraumvielfalt an und in den Teichen und das charakteristische Landschaftsbild müssen erhalten bleiben.

In Einzelfällen können darüber hinaus sehr spezifische Schutzanforderungen des Naturschutzes besonders extensive Bewirtschaftungsmaßnahmen erforderlich machen. Mehrleistungen oder Einschränkungen des Bewirtschafters, die auf Wünschen oder Forderungen des Naturschutzes basieren, sollten mit dem Abschluss von Verträgen finanziell ausgeglichen werden. Gefördert werden sollte sowohl die Umwandlung einer bisher ausgeübten Nutzung in eine naturschutzkonforme Bewirtschaftung, als auch die dauerhafte Fortführung einer bereits naturschutzkonformen Bewirtschaftung.

Beim Abschluss von Verträgen sollten die folgenden Grundsätze Berücksichtigung finden. Die Grundsätze sollten jedoch nicht als 08/15-Richtlinie verstanden, sondern nach dem Baukastenprinzip an den Erfordernissen des Einzelfalls ausgerichtet werden:

  • keine Beseitigung von Unterwasser- und Schwimmblattpflanzen
  • Schilfschnitt nur im Einvernehmen der zuständigen Naturschutzbehörde
  • keine Eingriffe in Uferstrukturen oder Ufervegetation
  • kein Einsatz von Makrophytenfressern
  • keine Bekämpfung mit Bioziden
  • keine Desinfektionskalkung
  • kein Einsatz von Düngermitteln im Teich oder Uferbereich
  • kein Bau von Stegen oder Gebäuden im Uferbereich
  • kein Bootfahren (außer zur fischereilichen Nutzung)
  • keine Freizeitaktivitäten (Schwimmen, Surfen, Modellsport)
  • kein Angeln
  • keine Wassergeflügelhaltung oder –mast

Ergänzend können variable Vereinbarungen erforderlich sein:

  • Karpfenproduktion ohne Zufütterung (POF)
  • Karpfenproduktion mit Zufütterung von Getreide (GZF) mit festgelegtem Zielertrag (in der Regel 700 Kg/ha Abfischmasse)
  • sofortiges Wiederbespannen des Teiches nach dem Abfischen (Winterbespannung)
  • Festlegung von Abfisch- und/oder Anstauterminen
  • Verzicht auf besondere Fischarten (Wels, Hecht)
  • pauschaler Ausgleich von Schäden durch fischfressende Arten für besonders betroffene Teiche

Abweichungen von diesen Grundsätzen sollten vertraglich vereinbart werden können, wenn dadurch der Schutzzweck nicht berührt wird.

Gibt es offene Fragen?
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Die Karpfenteichwirtschaften können durchaus zu den besser untersuchten Agrarökosystemen gerechnet werden. Der überwiegende Teil der Forschungen erfolgte jedoch unter fischereibiologischen bzw. fischereiwirtschaftlichen Fragestellungen. Naturschutzbiologisch ausgerichtete Forschungsvorhaben sind eher die Ausnahme. Die Strategien und Konzepte des Naturschutzes gründen sich deshalb in hohem Maße auf Praxiserfahrungen und weniger auf „harten" naturwissenschaftlichen Fakten. Die Defizite sollten zum Beispiel durch Forschungs- und Erprobungsvorhaben ausgeglichen werden. Für den Arten- und Biotopschutz wichtige Aspekte wären in diesem Zusammenhang:

  • Erforschung der Zusammenhänge zwischen Bewirtschaftungsintensität (Zufütterung, Düngung, Ertrag usw.) und Habitat- sowie Artendiversität. Ermittlung von Schwellenwerten.
  • Einfluss des Fischbesatzes auf die Lebensgemeinschaften verschiedener Karpfenteichökosysteme
  • Bedeutung unterschiedlicher Altersklassen des Röhrichts für die Avifauna
  • Auslöser für die verschiedene Entwicklungsstadien der Röhrichtvegetation (Typha-Röhrichte, Schilfröhrichte)

Ralf Schulte (NABU-Akademie Gut Sunder)

Zitat: SCHULTE, R. (2000): Teichwirtschaften – Sahnestücke des internationalen Arten- und Biotopschutzes. Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 23.10. bis 24.10.1999. www.nabu-akademie.de/berichte/99teiche.htm (20.06.00)

Weiterführende Links zum Thema
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