Zur Biologie und Ökologie der Teichfledermaus (Myotis dasycneme) |
Ergebnisse eines Seminars vom 02.12. bis 03.12.1998 |
Verbreitung Das paläarktische Verbreitungsgebiet der Teichfledermaus erstreckt sich vom nordwestlichen Europa (Niederlande, Dänemark und Schweden) bis hin ins zentrale Sibrien. Innerhalb des Verbreitungsgebietes verteilen sich die Populationen auf kleine, mehr oder weniger isolierte Vorkommensgebiete. Aktuelle Nachweise liegen aus den Niederlanden, Belgien, Nordfrankreich, Südschweden, Dänemark, Deutschland, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn, Rußland, Weißrußland, dem Baltikum, der Ukraine, Rumänien und Moldawien vor. |
Verbreitungskarte (vergrößerbar) Mit freundlicher Genehmigung des Autors Johann Thissens entnommen aus: Mitchell-Jones, A.J. et al.,1999: The Atlas of European Mammals. Poyser, London. 484 pp. |
Für Estland berichtete Matti Masing (Estonian
Naturalist Society, Tartu/Estland) von Nachweisen aus Saaremaa und dem Landesinneren.
In diesen Landesteilen ist die Teichfledermaus relativ selten. Etwas häufiger vorkommend
ist die Art bei Tallinn. Typische Lebensräume sind lichte Wälder in der Nähe von
Gewässern. Tagesquartiere finden sich in Mauerritzen, Baumhöhlen oder unter Dächern.
Die Weibchen bilden Wochenstuben zwischen zehn und hundert Tieren. Wochenstuben werden
bevorzugt in den Dachstühlen von Kirchen gebildet. Die Überwinterung erfolgt in
künstlichen Höhlen. Überwinterungskolonien können bis zu einhundert Tiere umfassen. Gemäß Gunars Petersons (Latvian University of Agriculture, Faculty of Veterinary Medicine, Jeglava/Latvia) sind Teichfledermäuse in Litauen, Lettland und Weißrußland ganzjährig nachweisbar Es gibt Nachweise sowohl Nachweise von Wochenstuben- als auch von Überwinterungsquartieren. Wochenstubenquartiere finden sich in Lettland zu 75% in Kirchen, zu 15% in anderen Gebäuden und lediglich zu 5% in Baumhöhlen. Als Winterquartiere konnten Sandstein- und Dolomithöhlen, Festungsanlagen und in geringem Maße auch Keller ermittelt werden. Der Gesamtbestand wird auf 10.000 Individuen geschätzt. Über das Vorkommen der Teichfledermäuse in Ungarn informierte der Beitrag von Denes Dobrosi (Hungarian Bat Research Society). Teichfledermäuse waren in der Vergangenheit nur schwer nachweisbar und wurden deshalb als relativ selten angesehen. Die meisten ungarischen Teichfledermausquartiere sind deshalb noch unbekannt. Die Tagesruheplätze liegen meistens bis zu 1 km vom Gewässer entfernt. Wochenstuben finden sich an Gebäuden oder Baumhöhlen. Als Winterquartiere werden frostfreie Höhlen genutzt. Ab Mitte August sammeln sich die Tiere an den Winterquartieren, doch findet dann vermutlich auch die Paarung statt. Die Art benutzt beim Zug mutmaßlich die Flußläufe als Korridore. Die Art ist vergesellschaftet mit der Wasserfledermaus, wobei die Wasserfledermäuse scheinbar dominieren. Beide Arten können regelmäßig beim gemeinsamen Zug beobachtet werden. Aus Norddeutschland existieren nach Carsten Dense (Osnabrück) aus historischer Zeit nur spärliche Nachweise von Teichfledermäusen. Bislang wurde angenommen, daß die Tiere in Norddeutschland nur im Winter vorkommen, und ihre Sommerlebensräume in den Niederlanden hatten. Mittlerweile sind mehrere Wochenstubenquartiere aus Gebäuden bekannt. Die Nachweise von Teichfledermäusen verteilen sich über ganz Niedersachsen. Es ist davon auszugehen, daß die Teichfledermaus flächendeckend nachzuweisen sind. Bekannte Winterquartiere liegen ausschließlich im südniedersächsischen Mittelgebirgsraum. Ein Überwinterungsquartier befindet sich in einer Bunkeranlage bei Wilhelmshaven. Winterquartiere im Bergland sind ausschließlich Bergwerkstollen. Aufgrund der Datenlage ist eine Trendbeurteilung nicht möglich. Es gibt deutliche Hinweise darauf, daß Kanäle als Zugleitlinien genutzt werden. Über den Mittellandkanal fliegen im Spätsommer Masseneinflüge von Teichfledermäuse aus dem Westen in die Winterquartiere ein. Ähnlich wie bei der vorher behandelten Rauhhautfledermaus offenbaren sich auch bezüglich der Biologie, Ökologie und der Schutzerfordernisse für die Teichfledermaus erhebliche Kenntnisdefizite. Das Wissen ist mehr als lückenhaft und die bislang erarbeiteten Puzzlestücke fügen sich nur schwer zu einem Gesamtbild zusammen. Die Vorkommens- und Verbreitungssituation ist weitestgehend unbekannt. Zu Fragen der Populationsbiologie, zu den Habitat- und Nahrungsanprüchen liegen nur mangelhafte Kenntnisse vor. Detaillierte Kenntnisse zur Reproduktionsbiologie fehlen weitestgehend. Populationstrends können aufgrund fehlender Daten nicht abgegeben werden, so daß jede Einstufung in eine Gefährdungskategorie zu Zweifeln berechtigt. Es bestehen keine zweifel daran, daß die Art Wanderungen zwischen Sommer- und Wintergebieten durchführt. Sommer- und Winterquartiere werden aus allen Vorkommensländern beschrieben. Sommerquartiere liegen meistens an Bauwerken, aber auch in Bäumen und Höhlen. Winterquartiere werden aussschließlich aus Höhlen, Stollen oder künstlichen unterirdischen Höhlenstrukturen (Kanäle usw.) gemeldet. Eindeutig erkennbar scheint eine Bevorzugung von Gewässern als Jagdhabitat. Ungewöhnlich für eine europäische Fledermausart ist die mehr oder weniger starke Konzentration der Tiere auf "Hotspots" in der Landschaft. Dieses Verhalten unterstreicht die offensichtlich sehr spezifischen Habitatanforderungen der Teichfledermaus. Über die eher oberflächliche Charakterisierung der Teichfledermaus als typischen Bewohner großer Feuchtlebensraumkomplexe hinausgehende, detaillierte Aussagen können nicht getroffen werden. Diese obengenannten Defizite erweisen sich gerade vor dem Hintergrund der Festlegung von Schutzgebieten im Rahmen des NATURA 2000 Netzwerks als gravierend, da eine konkrete Abgrenzung von Landschaftsräumen erhebliche Probleme bereitet. Proposals for action - Handlungsempfehlungen 1. Ad-Hoc-Maßnahmen Im Gegensatz zur Rauhhautfledermaus, die in der Vergangenheit seitens der Fledermauskunde und des Fledermausschutzes durchaus eine gewisse Beachtung erfuhr, steckt die Bearbeitung der Teichfledermaus noch in den Anfängen. Für die Entwicklung international abgestimmter Verfahren und Methoden ist das eine positive Ausgangsbasis, da keine tradierten und "eingeschliffenen" Strukturen überwunden werden müssen. Aus den erheblichen Wissensdefiziten kann nicht zwangsläufig auf die Seltenheit bzw. hohe Gefährdung der Teichfledermaus geschlossen werden. Der Verdacht, daß aus großen Räumen nur deshalb wenig bekannt ist, weil dort vermutlich niemand nach Teichfledermäusen gesucht hat, scheint nicht unbegründet. Primäres Ziel eines international abgestimmten Naturschutzprogramms für die Teichfledermaus muß es sein, mit einfachen, standardisierten Verfahren, die in Kasachstan ebenso wie in Frankreich anwendbar sind, die bestehenden Kenntnislücken schnellstmöglich zu schließen. Detailverliebte Forschungsprogramme leisten dazu keinen Beitrag. Die vordringliche Aufgabe besteht in der Gründung eines Büros bzw. einer Zentralstelle, von der aus zunächst die Entwicklung eines internationalen Beobachtungsnetzwerkes sowie die Durchführung einer ersten länderübergreifenden Bestandserfassung initiiert und koordiniert wird. Die im vorangehenden Abschnitt zur Rauhhautfledermaus unter Proposals for action entwickelten Schritte 1 und 2 können grundsätzlich auch auf die Teichfledermaus übertragen werden. Da die vorliegenden Erkenntnisse zur Habitatnutzung anders als bei der Rauhhautfledermaus jedoch auf eine enge Bindung an Feuchtlebensräume hindeuten, erscheint es zunächst ausreichend, wenn das Beobachtungsnetz Schwerpunkte entlang der europäischen Flußsysteme sowie in den Feuchtgebieten des Tieflandes setzt. Angesichts der gravierenden Kenntnisdefizite zur Verbreitung und zum Bestand der Teichfledermaus erscheint es ratsam, dem organisatorisch und zeitlich aufwendigeren internationalen Zensus ein ad-hoc-Maßnahme vorzuschalten, die die kurzfristige Erhebung von Bestandsdaten ermöglicht. 2. Ergänzende Maßnahmen Ergänzend zu den ad-hoc-Maßnahmen ist die Erforschung grundlegender Aspekte zur Biologie der Teichfledermaus erforderlich. Die Aufgabe der Forschungsprogramme besteht in der Klärung folgender Fragen:
Sowohl bei der Realisierung der oben skizzierten Forschungsvorhaben als auch bei der Umsetzung von Erhaltungsprorammen dürfte sich die sehr begrenzte Ausstattung von EUROBATS als ausgesprochen nachteilig erweisen. Insbesondere für den Fledermausschutz in den MOE-Ländern sollten jedoch Mittel zur Verfügung gestellt werden, die es ihnen erlauben, ihre Aufgaben, die der Erhaltung des Weltnaturerbes dienen, auch wahrnehmen zu können. Herman Limpens (Wageningen/NL) & Ralf Schulte (NABU-Akademie Gut Sunder) |
Weiterführende Links |
|
Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder. |