Biodiversität Was ist das? |
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Ergebnisse eines Seminars vom 19.11. bis 20.11.1998 |
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Seit der Umweltkonferenz von Rio findet der Begriff
Biodiversität verstärkt Eingang in die Strategie- und Leitbilddiskussionen des
Naturschutzes. Einigkeit besteht in der Regel dahingehend, daß die Bewahrung der
biologischen Vielfalt ein zentrales Anliegen des Naturschutzes darstellen muß. Erhebliche
Auffassungsunterschiede offenbaren sich jedoch darüber, was Biodiversität eigentlich
bedeutet. Ist Biodiversität tatsächlich nur eine moderne sprachliche Alternative zu
Artenvielfalt oder muß biologische Vielfalt wesentlich weiter gefaßt werden? Ziel der
Veranstaltung war es, Antworten auf diese Fragen zu geben. Der Schutz biologischer Vielfalt Alter Wein in neuen Schläuchen? Die Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro im Jahre 1992, an der 179 Länder und 1000 Nichtregierungsorganisationen teilnahmen, machte klar und deutlich, daß eine Reihe globaler Probleme wie Klimaerwärmung, Tropenwaldverlust, Artenschwund, Ausbreitung der Wüsten, nur durch gemeinsames internationales Handeln würden gelöst werden können. Mit der Erklärung von Rio, die die Grundsätze für eine nachhaltige menschliche Entwicklung umreißt, der Agenda 21 als konkretem Aktionsprogramm für nachhaltige Entwicklung und der Walderklärung, in der die Prinzipien des Umgangs mit den Wäldern vereinbart wurden, verabschiedete die UNCED drei zentrale Dokumente. Während die Dokumente völkerrechtlich nicht verbindliche Vereinbarungen darstellen, handelt es sich bei den Konventionen zum Klimaschutz (Klima-Rahmenkonvention) und der Konvention über die Biologische Vielfalt (Biodiversitäts-Konvention) um völkerrechtlich bindende Verträge. Die Biodiversitäts-Konvention strebt den globalen Schutz der biologischen Vielfalt an und leitet zugleich einen Regelungsprozeß für die Nutzung biologischer Ressourcen ein. Dr. Horst Korn (Bundesamt für Naturschutz) erläuterte, daß der Begriff biologische Vielfalt die verschiedenen Ebenen von den Genen, Populationen, Lebensgemeinschaften, Ökosystemen und Landschaften bis hin zur Biosphäre umfaßt. Kurz gesagt: Die biologische Vielfalt schließt alles Lebendige ein. Artenvielfalt, also die Vielfalt und Variabilität zwischen Arten, ist somit nur ein Teil der biologischen Vielfalt. Unverzichtbar gehören auch der Reichtum an Erbgut innerhalb einer Art sowie die Vielfalt der Biotoptypen in einem Ökosystem dazu. Anders als bislang im klassischen Naturschutz üblich, umfaßt biologische Vielfalt nicht nur die wildlebenden Tiere und Pflanzen, sondern auch jene Lebewesen, die vom Menschen gezüchtet und domestiziert wurden und werden. Untrennbar dazu gehören ferner die Populationen der Arten, ihre Lebensräume und die Ökosysteme in die sie eingenischt sind. Zur Zeit sind in etwa 1,75 Millionen Arten wissenschaftlich beschrieben. Geschätzt wird ein weltweites Vorkommen von 13 bis 14 Millionen Arten. Die hierarchische Anordnung der Biodiversitätsebenen stellt jedoch nur einen Teil der Komplexgebildes dar. Biodiversität beinhaltet auch die strukturellen (z.B. Landschaftsstruktur, Populationsstruktur) und funktionellen Eigenschaften (Demographie, Stoffkreisläufe usw.) des Lebendigen. Biodiversität fragt also vereinfachend gesagt: Was lebt da draußen?", Wie verteilt es sich in Raum und Zeit?" und Wie funktioniert es?". |
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Drei Primäreigenschaften von Ökosystemen (Franklin 1988 und Noss 1990) |
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Die Biodiversitäts-Konvention trägt der Erkenntnis
Rechnung, daß die biologische Vielfalt und deren nachhaltige Nutzung aus ökologischen,
genetischen, sozialen, wirtschaftlichen, erzieherischen, kulturellen und ästhetischen
Gründen von hohem gesellschaftlichen Wert ist. Die fast unüberschaubare Fülle von Tier-
und Pflanzenarten stellt einen schier unerschöpflichen Vorrat an nutzbaren Rohstoffen und
anderen chemischen oder technischen Leistungen dar. Bereits heute hängen viele Güter und
Dienstleitungen unmittelbar von biologischen Ressourcen ab. Der Schutz biologischer Vielfalt wird nicht länger als politisch oder gesellschaftlich zweitrangiges Anliegen einiger weniger naturverbundener Interessengruppen verstanden können, sondern als lebensnotwendige Grundlage für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung sowohl der Industrie- als auch der Entwicklungsländer angesehen werden müssen. Die Biodiversiäts-Konvention erklärt den Schutz der biologischen Vielfalt und ihrer Bestandteile daher auch zu einem gemeinsamen Anliegen der Menschheit (common concern of humankind). Damit eröffnet die Konvention dem Natur- und Umweltschutz neue Dimensionen und stellt den Arten- und Biotopschutz auf eine völlig neue Grundlage. Im Rahmen der Umsetzung stehen folgende Punkte im Mittelpunkt der Erörterung:
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Der Verein
"Biodiversitäts-Konvention". Bis Ende 1996 erklärten 165 Staaten ihren Beitritt. Einmal jährlich treffen sich die Mitglieder zur Jahreshauptversammlung, der Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties), so zum Beispiel im Mai 1998 in Bratislava. Das Sekretariat entspricht dem Vereinsvorstand. Das ständige Sekretariat in Montreal stellt den hauptamtlichen Apparat dar und die GEF (Global Environmental Facilities), ein Umweltfonds der Umwelt- und Entwicklungsprogramme der UN sowie der Weltbank, zeichnet als "Kassierer" für das Finanzwesen verantwortlich. Das derzeitige Finanzvolumen der GEF beträgt ca 2 Mrd US $. |
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Die Biodiversitäts-Konvention - ein ehrgeiziges
Unternehmen Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich zu umfassenden Naturschutzmaßnahmen. Dabei nimmt die Konvention alle gesellschaftlichen Gruppen, von der Land-, Forst-, Wasser- und Tourismuswirtschaft bis hin zu den Parteien und Gewerkschaften, in die Pflicht, ihren Beitrag zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt zu leisten. Die Erhaltung der biologischen Vielfalt wird damit zum integralen Bestandteil, wenn nicht gar zur Grundlage der nachhaltigen Entwicklung schlechthin. Nachhaltige Nutzung bedeutet in diesem Zusammenhang, daß Ausmaß und Qualität der Nutzung biologischer Rohstoffe nicht zum Rückgang der biologischen Vielfalt führen darf und sondern langfristig deren Fortbestand sichern hilft. Der Schutz der biologischen Vielfalt muß sich deshalb am Vorsorgeprinzip orientieren, ökologische als auch sozioökonomische Aspekte berücksichtigen und auf Interessenausgleich zielen. Da die hochtechnisierte Gesellschaft nicht nur von genetischen Ressourcen abhängt, sondern ihr Überleben vor allem funktionsfähiger Ökosysteme bedarf, soll die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt einem ökosystemaren Ansatz (Ecosystems Approach) folgen. Mit der Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt wurde das bislang weitreichendste internationale Vertragswerk geschaffen. Auf internationaler Ebene bildet das Übereinkommen das Dach für bereits vorhandene Konventionen. Dazu zählen u.a. die RAMSAR-Konvention zum Schutz von Feuchtgebieten, das den weltweiten Handeln mit Tieren und Pflanzen regelnde CITES-Übereinkommen und die Bonner Konvention zum Schutz wandernder Tierarten. Zu den bisherigen Erfolgen und Ergebnissen der Biodiversiäts-Konvention sind die Einrichtung eines Clearing House"-Mechanismus als Informationsdrehscheibe, das Protokoll über Sicherheit in der Biotechnologie, das Tourismusprotokoll sowie die Forstkonvention zu zählen. Spezielle Arbeitsprogramme haben u.a. die Entwicklung weltweiter Indikatorsysteme zum Ziel. Darüber hinaus ist jeder Mitgliedsstaat verpflichtet, eigene Landesprogramme zum Erhalt der Biologischen Vielfalt zu entwickeln. Rahmenwerk für die Umsetzung der Biodiversitäts-Konvention ist auf EU-Ebene die EU-Biodiv-Strategie (COM (98) 42 final). Die FFH-Richtlinie deckt den Schutzaspekt der Biodiversitäts-Konvention bereits gut ab. Der Schwerpunkt der europäischen und nationalen Arbeit liegt daher in der Entwicklung von Konzepten zur nachhaltigen Nutzung. In der Vergangenheit betrachtete die Weltgemeinschaft biologische Ressourcen als gemeinsames Erbe der Menschheit. Dieses ermöglichte den freien Austausch biologischen Materials. Auch in diesem Bereich setzt die Konvention neue Maßstäbe. Tiere und Pflanzen oder ihr genetisches Material werden nicht länger als frei und von jedermann unentgeltlich nutzbare Rohstoffe eingestuft. Ähnlich wie bei den Bodenschätzen, fallen auch die biologischen Rohstoffen in das Eigentum des jeweiligen Staates. Werden die biologischen Ressourcen eines Staates industriell genutzt, so muß der Nutzer zukünftig den Eigentümer am Gewinn beteiligen. In den USA werden bereits ca. 25% aller Wirkstoffe rezeptpflichtiger Medikamente aus höheren Pflanzen gewonnen. Der von den Pharmaunternehmen erzielte Umsatz wird auf rund 15,5 Mrd US $ geschätzt. Der weltweite Umsatz mit pflanzlichen Drogen beläuft sich auf 100 Mrd US $. Mit einer neu entdeckten wilde Maisart ließen sich bislang Umsätze von 6.82 Mrd US $ erzielen. 168 Mio. US $ lassen sich Touristen Safaris in die afrikanischen Nationalparks kosten. Die Beispiele zeigen, daß die biologischen Ressourcen auf dem besten Weg sind, das Gold des nächsten Jahrtausends zu werden. Doch welchen Wert haben die schottischen Hochmoore, der brasilianische Regenwald oder Tier- und Pflanzenarten, die nicht auf einem Markt oder an einer Börse gehandelt werden? Ihr Wert läßt sich nicht in Jahresumsätzen messen und in Unternehmensbilanzen wiederfinden. Sind Hochmoore und Regenwälder wertlos? Die Konvention mißt allen Lebewesen einen Eigenwert bei, der nicht im einzelnen der ökonomischen Begründung bedarf. Dennoch stellt sich die Frage, wie biologische Vielfalt unter ökonomischen Gesichtspunkten bewertet werden kann, denn die Staaten, die biologische Ressourcen zur Verfügung stellen, müssen zu gerechten und ausgewogenen Bedingungen an Forschung und Entwicklung sowie an daraus erwachsenden Gewinnen beteiligt werden. Dr. Armin Lerch (Gesamthochschule Kassel) setzte sich in seinem Beitrag mit der Schwierigkeit der ökonomischen Bewertung von Ökosystemen und Biodiversität auseinander. Je weiter sich die Ökonomie von den direkten Nutzwerten entfernt, desto schwieriger wird die Bewertung eines Gutes. Nutzungsunabhängige Werte werden in der Regel durch Meinungsbefragungen ermittelt und Existenzwerte lassen sich durch die Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung für bestimmte Objekte bemessen. So könnte der Wert eines Biotops beispielsweise durch die Fahrtkosten bestimmt werden, die Personen bereit sind, für den Besuchs des Biotops aufzuwenden. Der Wert eines Grizzlybären ließe sich an der durchschnittlichen Höhe der Spenden festmachen, die Personen für den Erhalt der Grizzlies ausgeben. Obwohl nicht unumstritten, führt dieser Weg der Wertermittlung zu vergleichbaren Ergebnissen. Die genannten Werte decken sich häufig mit den Beträgen, die Menschen für tatsächlich Naturschutzmaßnahmen spenden. Einige Beispiele:
Der Sinn der ökonomischen Bewertung liegt also nicht in der Ermittlung von Marktpreisen. Aufgabe der ökonomischen Bewertung ist es vielmehr, in spezifischen Entscheidungssituationen, wie zum Beispiel der Entscheidung über den Bau eines Staudammes, aufzuzeigen, worin die Kosten und Nutzen der jeweiligen Entscheidung bestehen. Für derlei Entscheidungen ist es nützlich zu wissen, daß häufig bereits der ökonomische Wert der biologischen Vielfalt, und damit der Wert der Erhaltung einer bestimmten Fläche deutlich größer ist als der Wert der alternativen, destruktiven Landnutzung. Damit besteht unabhängig von möglichen ethischen Gründen ein starkes Argument für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Ob die jeweils zur Anwendung kommenden ökonomischen Bewertungsverfahren richtig oder falsch sein, vermochte Lerch in seinem Beitrag nicht abschließend zu beantworten. Eines wäre aus seiner Sicht aber absolut falsch: die biologische Vielfalt als wertlos zu betrachten! Schutz und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt ein praktisches Beispiel Am Beispiel des BMBF-DBU-Verbundvorhabens zur Integration von Schutz und Nutzung am Beispiel der Agrarlandschaft des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin stellte Matthias Hermann die Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung der Biodiversitätskonvention dar. Im Rahmen des Vorhabens werden auf der Grundlage geoökologischer, geobotanischer und zoologischer Erhebungen Konzepte für eine umweltgerechte und nachhaltige Nutzung der biologischen Ressourcen entwickelt. Anhand des Umweltqualitätsziels Langfristig überlebensfähige Rebhuhnpopulation" werden die notwendigen Maßnahmen zur Zielerreichung dargestellt. Dazu gehört die verstärkte Förderung des biologischen Landbaus, verstärkte Förderung einer größeren Fruchtartenvielfalt unter besonderer Berücksichtigung von Leguminosen und Sommergetreide, die Stillegungen für 3-7 Jahre, keine Mahd/Mulchen auf Stillegungsflächen, der Einsatz von auf die Erfordernisse des Artenschutzes angepaßten Bewirtschaftungsverfahren und Bewirtschaftungszeitpunkten sowie die Berücksichtigung kleinstandörtlicher Unterschiede und Förderung kleiner Bewirtschaftungseinheiten. Werden die Umweltqualitätsziele und die zur Erreichung notwendigen Maßnahmen über ein Geographisches Informationssystem (GIS) verrechnet, so ergeben sich aus der landschaftlichen Überlagerung differenzierte Flächennutzungsbereiche. Zusätzlich bedarf es aber auch eines Bewertungsmaßstabes, der erkennen läßt, ob und in welchem Rahmen die Ziele bereits realisiert sind oder nicht. Die Ergebnisse wurden versuchsweise durch die Schlagneugliederung von Betrieben in die Praxis umgesetzt. Eine weitere Maßnahmen besteht im GPS-gesteuertern Einsatz des Düngerstreuers. Zur Unterstützung der Maßnahmen wurde eine Regionalmarke etabliert, die die Landwirten bei der Vermarktung ihrer im Biosphärenreservat erzeugten Produkte unterstützt und dem Verbraucher wichtige Orientierungshilfe beim Einkauf bietet. Vorteil des Ansatzes besteht darin, daß die Naturschutzziele operationalisiert werden können. Nachteilig ist, daß es nicht davon entbindet, nach regionalen Lösungen und Zielen zu suchen. Die Ergebnisse sind nicht flächendeckend übertragbar. Die Bundesrepublik Deutschland - Musterknabe oder Schlußlicht beim Schutz biologischer Vielfalt? Die Konvention über biologische Vielfalt gehört in Deutschland zu den selbst unter Naturschützern kaum bekannten Ergebnissen der Umweltkonferenz von Rio. Zum einen begründet sich der geringe Bekanntsheitsgrad der Konvention in der hohen Komplexität des Vertrages, da das Spektrum von Tier- und Pflanzenarten, Lebensräumen und Ökosystemen bis hin zu Fragen indigener Völker reicht. Die anderen Themenbereich der Agenda 21 (Klimaschutz usw.) erweisen sich demgegenüber als griffiger und leichter zugänglich. Zum zweiten leidet die Durchdringung der Verbände und Behörden unter der förderalen Struktur und der Zuständigkeit des Bundes für internationale Naturschutzangelegenheiten. Und zum dritten überwiegt die Fehleinschätzung, daß die Konvention eher mit der biologischen Vielfalt in den Ländern der Dritten Welt zu tun habe, zumal seitens der deutsche Politik ohnehin bereits alles Nötige zur Erhaltung der biologischen Vielfalt getan sei. Es verwundert daher nicht, wenn der Schutz biologischer Vielfalt bei den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern und folglich auch in der Verwaltung, in den Medien und der Bevölkerung auf den klassischen Naturschutz reduziert wird. Die Biodiversitäts-Konvention verfolgt einen sehr stark ressort- und fachübergreifenden Ansatz. Die in der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht seltene Situation, daß sich Fachdienststellen oder gesellschaftliche Gruppierungen für Naturschutzfragen nicht zuständig und verantwortlich erklären, sollte damit, sofern die Biodiversitäts-Konvention tatsächlich in vollem Umfang umgesetzt würde, der Vergangenheit angehören. Tatsächlich zeigt sich aber, daß eine riesige Kluft zwischen den vertraglich vereinbarten Visionen der Biodiversitäts-Konvention und der alltäglichen Realität im Umgang mit den biologischen Ressourcen klafft. Obwohl die wissenschaftlichen Entscheidungsgrundlagen seit geraumer Zeit vorliegen und die erforderlichen Maßnahmen aufzeigen, fehlt es nach wie vor an der Bereitschaft zu politischem Handeln. Der Verpflichtung zur Einbeziehung von Gesichtspunkten der nachhaltigen Nutzung in innerstaatliche Entscheidungsprozesse ist die Bundesrepublik Deutschland bislang nicht oder nur unzureichend nachgekommen. Zwar räumt die Bundesregierung im Nationalbericht zur 4. FAO-Konferenz über pflanzengenetische Ressourcen erstmals offiziell ein, daß die moderne Intensivlandwirtschaft eine der Hauptverursacherinnen des Artenschwundes ist, Konsequenzen werden daraus aber nicht gezogen. Stattdessen erlaubt das geltende Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft weiterhin Eingriffe selbst in Naturschutzgebiete und schutzwürdige Biotope nach nationalem (BNatSchG) und europäischem Naturschutzrecht (EG-Vogelschutz- und FFH-Richtlinie) sowie in nach internationalen Konventionen geschützte Gebiete (z.B. Ramsar-Gebiete). Die überfällige Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes, die Abhilfe schaffen könnte, wird weiter verschleppt. Selbst in den Bereichen, bei denen die Bundesregierung selbst Umsetzungsdefizite sieht, können keine Fortschritte verzeichnet werden, so:
Nach Auffassung der Natur- und Umweltverbände bestehen weitere Umsetzungsdefizite sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Ebene der EU. Auf nationaler Ebene muß unverzüglich ein Prozeß zur Erarbeitung einer nationalen Strategie unter Einbezug aller relevanten gesellschaftlichen Gruppen initiiert werden. Im Rahmen dieses Prozesses bedürfen die Verwaltungskompetenzen von der EU-, über die Bundes- bis hin zur Länder- und zur kommunalen Ebene der Abstimmung, wobei dem fach- und ressortübergreifenden Ansatz der Konvention Rechnung getragen werden muß. Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes hat im Sinne der Biodiversitäts-Konvention zu erfolgen. Der Leitgedanke der Konvention, Natur auf Grund ihres Eigenwerts in Zukunft um ihrer selbst will zu schützen, sollte in die nationale Naturschutzgesetzgebung aufgenommen werden. Die in der derzeitigen Fassung des BNatSchG zu findende Privilegierung der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft muß mit dem Ziel einer Harmonisierung von Schutz- und Nutzungskonzepten überarbeitet werden. Die Beteiligungsrechte der Naturschutzverbände müssen verbessert werden. Es fehlt das Verbandsklagerecht. Darüber hinaus bedürfen all jene Gesetze und Verordnungen einer Überarbeitung im Sinne der Konvention, in denen Fragen der Nutzung und Inanspruchnahme biologischer Ressourcen regelt werden. Dazu zählen das Wald-, Wasser-, Landwirtschafts- und Jagdrecht ebenso wie das Raumordnungsrecht, das Saatgutverkehrsgesetz oder das UVP-Gesetz. Auf europäischer Ebene muß sich die Bundesrepublik Deutschland mit Nachdruck dafür einsetzen, daß die EU-Agrarpolitik (AGENDA 2000) an den Zielen und Inhalten der Konvention ausgerichtet wird. Desweiteren ist die konsequente Umsetzung und Weiterentwicklung der FFH- und EG-Vogelschutz-Richtlinie zu unterstützen. Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder |
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Weiterführende Links |
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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder. |