Windkraft: Handlungsansätze für den Naturschutz auf kommunalpolitischer Ebene

Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 21. Februar 1997

Zur Vermeidung von "Wildwuchs" bei Windkraftanlagen und Windparks können Raumordnungsbehörden und Kommunen bei der Flächennutzungsplanung Vorrangflächen und Tabuzonen ausweisen. Der Naturschutz ist aufgefordert, sich in diesen Planungsprozeß einzubringen. Das Seminar informierte über den rechtlichen Rahmen und erarbeitet praktische Handlungshinweise.

Aufgrund der Eingaben des NABU und anderer Verbände wurde die geplante Privilegierung der Windkraft im Rahmen der Novelle des BauGB eingeschränkt. Der Bundestag verabschiedete am 20. Juni 1996 eine Gesetzesnovelle, die zwar Windkraftanlagen prinzipiell als nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Anlagen einstuft, den Kommunen und der Regionalplanung aber einen weitgehenden "Planungsvorbehalt" einräumt. Der Bundesrat hat dieser Gesetzesänderung zugestimmt; sie trat zum 01.01.1997 in Kraft.

Raumordnungsbehörden und Kommunen können somit Windkraftanlagen und Windparks im Rahmen der Flächennutzungsplanung auf dafür geeignete Flächen konzentrieren und andererseits Tabuzonen festlegen. Sind die Vorrangflächen ausgewiesen, dürfen nur noch dort Windkraft anlagen errichtet werden; ein "Wildwuchs" wird verhindert. Dieser Planungsvorbehalt für die Kommunen wurde auf Anregung des NABU und des Deutschen Städtetages bis zum 31.12.1998 verlängert. Die Kommunen haben also zwei Jahre Zeit, ihre Flächennutzungsplanung im Hinblick auf die Windkraftnutzung und die Ausweisung von Tabuzonen aus Gründen des Natur und Landschaftsschutzes zu überarbeiten; die Raumordnungsbehörden können überregional Vorrang und Tabuflächen ausweisen. Die Naturschutzverbände und beiräte sind gefordert, sich mit ihren Vorstellungen in diesen Planungsprozeß einzubringen.

Anmerkungen zur energiewirtschaftlichen Bedeutung der Windkraft

Die energiewirtschaftliche Bedeutung der Windenergie sowie grundsätzliche umweltpolitische Überlegungen zur Windkraftnutzung standen im Mittelpunkt des einleitenden Beitrags von RALF SEEBAUER (NABU-BFA Energie, Abfall, Chemie, Krefeld). Der Referent führte aus, daß der Beitrag der erneuerbaren Energien am Primär und Endenergieverbrauch zur Zeit noch relativ sei. Ursächlich dafür seien neben technischen Gründen (Energiedichte, Verfügbarkeit, externe Effekte) insbesondere auch Akzeptanzprobleme. In den letzten Jahren sei der relative Anteil der Windenergie aber stark angestiegen, von 12 Petajoule (PJ) im Jahre 1988 auf 1.428 PJ im Jahre 1994. Der verstärkte Einsatz der Windenergie habe aber trotzdem in den vergangenen Jahren nicht zu einer Reduktion der eingesetzten fossilen Energieträger geführt. Mit dem verstärkten Ausbau der Windenergie sei es daher alleine nicht getan. Wenn Windenergie als regenerative Energie tatsächlich umweltpolitischen Sinn machen solle, dann müsse sie zur Substitution anderer Energiequellen verwandt werden. Ungeachtet dessen sei an dem Ziel verstärkter Anstrengungen beim Energieeinsparen festzuhalten. Die Daten zeigten, daß alle Erfolge bei der sparsameren Energieverwendung in der Industrieproduktion durch die zunehmende Ausstattung privater Haushalte mit elektrischen Geräten "aufgefressen" worden seien.

Windkraft und Naturschutz - ein lösbarer Konflikt?

DR. MATTHIAS SCHREIBER (Schreiber Umweltplanung, Osnabrück) stellte die Bausteine und Bedingungen für einen aus Sicht des Naturschutzes akzeptablen Ausbau der Windkraftnutzung zur Diskussion. Grundlegendes Ziel muß seines Erachtens eine Energieerzeugung bei geringstmöglicher Umweltbelastung sein. Die Ziele des Natur und des Klimaschutzes seien gleichwertig. Charakteristische Landschaften und überlebensfähige Tierbestände zu erhalten, müsse nicht gleichzeitig bedeuten, den weiteren Ausbau der Windkraftnutzung zu gefährden oder in Frage zu stellen. Er verwies auf das gültige niedersächsische Raumordnungsprogramm von 1992, das rund 7,5% der Landfläche als prinzipiell geeignete Standorte zur Windkraftnutzung nennt. Diese Fläche sei absolut ausreichend, um das angepeilte Ziel von 1.500 MW zu erreichen. Die Notwendigkeit ökologisch bedeutsame Flächen in Anspruch nehmen zu müssen, sei nicht gegeben. Damit stünden einem Abgleich der Naturschutzbelange mit denen des weiteren Ausbaus der Windkraftnutzung langfristig weder Flächenknappheit noch wissenschaftlichmethodische Probleme im Wege. Der raumordnerische Abgleich sei einzig und allein eine Frage des politischen Willens.

Die Windkraftoffensive in NRW

Die Position der nordrhein-westfälischen Naturschutzverbände zum Ausbau der Windkraft faßte SABINE HÄNEL (Landesbüro der Naturschutzverbände NRW, Essen) zusammen. Die Generallinie müsse lauten, den Ausbau der Windkraft zu forcieren, gleichzeitig aber auch klare Kriterien zur Konfliktvermeidung zu entwickeln und anzuwenden. Dazu gehöre selbstverständlich aber auch die Anerkennung der von den Naturschutzverbänden benannten Tabuflächen. Die Referentin kritisierte, daß die nordrheinwestfälische Landesregierung durch Erlaß vom 29.11.1996 versuche, der Bauleitplanung zeitlich und inhaltlich Vorrang vor dem Gebietsentwicklungsplan einzuräumen, um mehr und schneller Vorranggebiet zur Windkraftnutzung ausweisen zu können. Seitens der Naturschutzverbände würde hingegen gefordert, zunächst im Rahmen der Regionalplanung fachliche und inhaltliche Rahmenvorgaben zu erarbeiten. Der Vorteil dieser Vorgehensweise wäre eine planvolle und gemeindeübergreifende Steuerung der Windkraftplanungen; denn die Erfahrungen zeigten, daß die Gemeinden häufig mit der Planung von Windkraftvorranggebieten überfordert seien. Unverzichtbar wäre nach Auffassung der Naturschutzverbände auch die Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen bei der Ausweisung von Konzentrationszonen der Windkraftnutzung. Eine Selbstverständlichkeit müsse auch sein, daß die von der Arbeitsgruppe Eingriffsregelung erarbeiteten "Empfehlungen zur Berücksichtigung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege beim Ausbau der Windkraftnutzung" (Natur und Landschaft, Heft 9, 1996) Berücksichtigung fänden.

Die Windkraft und das Baugesetz

Mit der Verabschiedung der Novelle des Baugesetzbuches am 20. Juni 1996 durch den deutschen Bundestag änderten sich die Rahmenbedingungen für die Genehmigung und Errichtung von Windkraftanlagen. Windkraftanlagen gelten danach zwar weiterhin als privilegierte Anlagen, den Kommunen und der Regionalplanung wurde gleichzeitig aber auch ein weitgehenden "Planungsvorbehalt" eingeräumt. Die Konsequenzen, die sich mit dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 01.01.1997 ergeben haben, standen im Mittelpunkt des Beitrags von SYBILLE BARTH (Institut für Umweltrecht, Bremen). Sie wies darauf hin, daß es sich bei der Ausweisung von Vorranggebieten für die Windkraft um eine "Positivplanung" handele. Diese Art der Planung setzte eine bauplanerische Abwägung voraus. Dabei müssten der Ausweisungsbedarf, die vorhandenen Potentialflächen, die Belange des Naturschutzes sowie des europäischen Vogelschutzes geprüft werden. Die aus diese Weise ermittelten Vorrangflächen seien im Flächennutzungsplan als Sonderbaugebiete oder flächen mit Vorrang für die Windenergieerzeugung konkret zeichnerisch darzustellen. Unverzichtbar sei ferner die Erläuterung der planerischen Entscheidung sowie die Beschreibung der Konzentrationsabsicht innerhalb des Flächennutzungsplans. Gegenüber den anderen Darstellungsformen des Flächennutzungsplans (Ausweisung anderer Nutzungen, Ausweisung von Flächen auch für die Windenergieerzeugung) habe diese Vorgehensweise den Vorteil, daß Windparks im Rahmen der Flächennutzungsplanung auf dafür geeignete Flächen konzentriert werden könnten. Windkraftanlagen dürften dann nur noch auf den dafür vorgesehenen Vorrangflächen errichtet werden und ein "Wildwuchs" könne somit verhindert werden.

Handlungsmöglichkeiten für Naturschutzverbände

Auf der Grundlage der Vorträge und Diskussion wurden konkrete Handlungsmöglichkeiten für Naturschutzverbände vor Ort erarbeitet, die im folgenden zusammenfassend wiedergegeben werden:

Die Privilegierung der Windkraftanlagen durch das Bundesbaugesetz bedeutet, daß Windkraftanlagen im Außenbereich bevorzugt zulässig sind. Es besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung, wenn die Erschließung gesichert ist und öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Dennoch sind privilegierte Vorhaben nicht an jedem beliebigen Standort im Außenbereich zulässig; auch für sie gilt der Grundsatz der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Bezogen auf den konkreten Standort stehen dem der Naturschutz und die Landespflege, die natürliche Eigenart der Landschaft und ihre Aufgabe als Erholungsgebiet sowie die Verunstaltung des Orts und Landschaftsbildes entgegen.

Mit § 245 b BauGB wurde die Möglichkeit geschaffen, die Zersiedelung der Landschaft mit Windenergieanlagen zu unterbinden. Ferner können die Genehmigungsbehörden Anträgen über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen befristet bis zum 31.12.1998 zurückstellen. Die Gemeinden und die Landesplanungsbehörden können in dieser Zeit im Flächennutzungsplan bzw. im Regionalplan Vorrangflächen für Windenergieanlagen auszuweisen. Bei Regionalplänen ist jedoch zu beachten, daß sich ihre Aussagen auf raumbedeutsame Anlagen zu beschränken haben.

Durch positive Standortzuweisungen (Positivplanung) ist es möglich, den übrigen Planungsraum von Windkraftanlagen freizuhalten und "Wildwuchs" zu verhindern. Die Auswahl der Eignungsbereiche sollte folgende Kriterien unbedingt beachten:

  • Das wichtigste Kriterium bei der Errichtung einer Windkraftanlage ist die Standortfrage. Hierbei ist die wichtigste Kenngröße das Jahresmittel der Windgeschwindigkeit, die Häufigkeitsverteilung der Windgeschwindigkeiten im Jahresverlauf und die Geländerauhigkeit. Ein Windgutachten ist deshalb als Planungsgrundlage unverzichtbar. Windhöffige Gebiete, die gute Voraussetzungen für eine Windkraftnutzung bieten, finden sich in Küstennähe, in freien Hochlagen der Mittelgebirge sowie in den Alpen.
  • Die zweite wichtige Kenngröße ist das Umfeld der zukünftigen Anlage. Bedeutsame Parameter sind die Oberflächenbeschaffenheit, Hindernisse, Geländegegebenheiten sowie Siedlungsstrukturen. Der Standort sollte so gewählt werden, daß der Wind möglichst ohne größere Turbulenzen auf die Windkraftanlage treffen kann. Wälder, Hügel, Berge oder Bebauung wirken diesbezüglich störend. Wegen der Lärmbelästigung und sonstiger störender Effekte (Discoblitze usw.) ist ein Mindestabstand von 200 bis 400 m zu Siedlungen einzuhalten. Bei Naturschutzgebieten und Vogelschutzgebieten gemäß EGVogelschutzrichtlinie und RamsarKonvention ist ein Mindestabstand von 500 m in der Regel angemessen.

Die untere Naturschutzbehörde und die Naturschutzverbände sind im Rahmen des Genehmigungsverfahren um Stellungnahme zu bitten. Die Errichtung einer Windkraftanlage stellt einen Eingriff in die Natur dar, der entweder auszugleichen ist oder, falls die Beeinträchtigungen unvermeidbar oder nicht im erforderlichen Maß ausgleichbar sind, zu versagen ist. Für Naturschutzgebiete, Nationalparke und wichtige Vogelschutzgebiete (z.B. RamsarKonvention, Vogelschutzgebiete gemäß EGVogelschutzrichtlinie, "Special Protection Areas" und "Important Bird Areas") ist die Genehmigung grundsätzlich zu versagen. In Landschaftsschutzgebieten sollte eine Prüfung des Einzelfalls unter Berücksichtigung des jeweiligen Schutzziels erfolgen.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens sollte ferner folgendes Beachtung finden:

  • Vogelschlag an Windkraftanlagen ist relativ selten, da die Tiere in der Lage sind den Anlagen auszuweichen. Abspannseile, Hochspannungsfreileitungen und hohe Anlagendichten setzen das Risiko des Vogelschlags deutlich herauf.
  • Lange Ketten von Anlagen können Zugwege versperren und die Vögel zu längeren Ausweichflügen zwingen. Besonders problematisch sind Anlagen, die etwa zwischen Brut und Nahrungsgebieten liegen, da sie den Lebensraum nachteilig zerschneiden. Einige Vogelarten geben Brutplätze in der Nähe von Windkraftanlagen auf, z.B. Wiesenbrüter wie der Kiebitz.
  • Im Küstenraum treten Probleme bei rastenden und nahrungssuchenden Vögeln auf. Die Reaktionen der Vögel auf Windkraftanlagen sind jedoch sehr unterschiedlich. Alle Untersuchungen sind sich einig, daß Limikolen, insbesondere Großer Brachvogel und Goldregenpfeifer, große "Sicherheitsabstände" (300500 m) einhalten. Kritisch zu bewerten sind Anlagen, die auf Standorten errichtet werden, die von den Vögeln bei Hochwasser als Rastplätze genutzt werden.
  • Im Binnenland gibt es wahrscheinlich weniger Konflikte. Aber auch hier sollte grundsätzlich auf störungsempfindliche Arten (Schwarzstorch, Auerhuhn, Birkhuhn) Rücksicht genommen werden, wenn auch entsprechende Untersuchungen bislang weitgehend fehlen.
  • Jedes Windrad stellt eine unübersehbare Veränderung der Landschaft dar. Bei der Entscheidung für oder gegen eine Anlage sollten geringfügige und erhebliche Beeinträchtigungen abgewogen werden. Eine grundsätzliche Ablehnung aus Gründen des Landschaftsschutzes ist nicht angemessen.

Als erhebliche Beeinträchtigungen könnten u.a. gelten:

  • Masthöhe über landschaftstypischen Maßen (35 m an der Küste, 50 m im Binnenland)
  • mehr als 5 Anlagen an einem Standort ("Windpark").

Geringfügige Beeinträchtigungen wären u.a.:

  • Anlagen, die sich an bestehende Bebauung angliedern
  • Einzelanlagen und kleine Gruppen (bis 5) in stark gegliederten Landschaften (Hügel, stark überprägte Kulturlandschaft).

Unumstritten ist, daß gerade die weithin offene Marschenlandschaft besonders empfindlich und schon durch Einzelanlagen weitreichend verändert wird. Der Trend geht zu immer höheren Türmen (demnächst 70 m) und immer größeren Windparks. Hier muß eine differenzierte Antwort gefunden werden.

Bei großtechnischem Ausbau der Windkraft würde der Bau neuer Hochspannungsleitungen bevorstehen, während bei dezentraler Nutzung Mittelspannungsleitungen (20 kV) ausreichen, die ohne allzu großen Mehraufwand in der Erde verlegt werden können. Freileitungen an der Küste stellen ein extremes Vogelschlagrisiko dar. Im konkreten Einzelfall muß sehr sorgfältig geprüft werden, ob Mittelspannungsleitungen oder Verstärkung bestehender Leitungen nicht ausreichen.

Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder

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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.