Wasserkraft und Naturschutz Möglichkeiten der Konfliktminderung |
Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 22. - 23. Februar 1997 |
Aus der Energie des fließenden Wassers wurden 1995 in
Deutschland rund 22 Milliarden Kilowattstunden Strom gewonnen. Als Vorteil der Wasserkraft
gilt dabei, daß ihr Energieträger weder energieintensiv aufbereitet, noch importiert
oder an- bzw. abtransportiert werden muß. Die Energiegewinnung ist zudem abfall- und
rückstandsfrei. Aus Gründen des Klimaschutzes werden daher vielerorts
Kleinwasserkraftanlagen wieder in Betrieb genommen oder neu eingerichtet. Die Stauhaltung
von Fließgewässern widerspricht jedoch den Forderungen des Naturschutzes nach
Durchgängigkeit der Gewässer für Sedimente und Organismen. Die Veranstaltung suchte
gemeinsam mit den Betreibern kleiner Wasserkraftwerke nach Möglichkeiten zur
Konfliktminderung. Die Positionen des Naturschutzes und der Fischerei Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Nutzung der Wasserkraft erörterte RALF SEEBAUER (NABU-BFA Energie, Abfall, Chemie, Krefeld) in seinem einleitenden Vortrag. Er führte aus, daß am 19. November 1996 die Novelle des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) in Kraft getreten sei und daß das Gesetz die genehmigungsrechtliche Privilegierung bzw. Freistellung vorhandener Wasserkraftanlagen an naturnahen Gewässern vorsähe. Die wasserrechtliche Genehmigung von Kleinwasserkraftwerken würde in der Regel für 30 Jahre erteilt. Längere Genehmigungszeiten (60 Jahre und mehr) seien lediglich für EVUs oder Talsperren möglich. Bei der Genehmigung und beim Betrieb von Kleinwasserkraftwerken seien ökologische Grundsätze zu berücksichtigen. So sähe der §1 a WHG vor, daß Gewässer so zu bewirtschaften seien ,daß vermeidbare Beeinträchtigungen ihrer ökologischen Funktionen unterblieben. JÜRGEN GASTMEYER (Deutscher Anglerverband, Sachsen-Süd) stellte die gewässerökologische Probleme von Kleinwasserkraftwerken aus Sicht der Fischerei dar. Allein im Bereich der sächsischen Flöha sei die Zahl der Kleinwasserkraftwerke innerhalb der letzten Jahre von 6 auf 48 Anlagen angestiegen. Auf einem 31 Kilometer langen Abschnitt der Schwarzwasser seien mittlerweile 22 Anlagen zu finden. Im Durchschnitt kämen im Fischereigebiet des südsächsischen Anglerverbands alle 900 bis 1000 Meter Flußlänge eine Wasserkraftanlage vor. Gastmeyer befürchtet, daß viele der Anlagen in einem (vermeintlich) rechtsfreien Raum entstanden seien. So sei in den Jahren 1990 bis 1993 vielfach nach dem Grundsatz "kaufen, bauen, betreiben" verfahren worden. Prüfungen der Wasserrechte oder behördliche Genehmigungsverfahren habe es häufig nicht gegeben. Auch das in den Folgejahren angewandte Förderprogramm des Freistaats Sachsen sei seines Erachtens von einer leichtgläubigen Genehmigungspraxis bestimmt worden. Als Folge dieses Wildwuchses, insbesondere aber aufgrund der hydroökologischen Veränderungen im Bereich der Wasserkraftanlagen sowie ihrer Barrierewirkungen, würde vermehrt von Veränderungen in der Fischfauna der Mittelgebirgsgewässer berichtet. Stenöke Arten würden durch euryöke Vertreter bedrängt. Darüber hinaus komme es im Bereich der Stauhaltung zunehmend zu Methangasemmissionen. Die Umsetzung des niedersächsischen Fließgewässerschutzprogramms unter besonderer Berücksichtigung der Wasserkraftnutzung stand im Mittelpunkt des Beitrags von DORIS PIELKE (Bezirksregierung Hannover). Besonderes Augenmerk würde seitens der Genehmigungsbehörden auf Aspekte der Durchgängigkeit der Gewässer für Organismen und Sedimente sowie die Sicherstellung des Mindestwasserabflusses gelegt. Anhand mehrerer Beispiele aus niedersächsischen Gewässern stellte Frau Pielke Ansätze zur Lösung der Konflikts zwischen Wasserkraftnutzung und Fließgewässerschutz dar. Eine anschließenden Exkursion zu Kleinwasserkraftwerken an der Örtze und der Aller diente der Vertiefung und Konkretisierung der Konfliktsituation. Die Sicht der Betreiber von Wasserkraftanlagen Als Vertreter der AG Wasserkraft Niedersachsen und Schleswig-Holstein STELLTEN GERD RIEMENSCHNEIDER und JÜRGEN OBERSEEBRASSE die Positionen der Betreiber von Kleinwasserkraftwerken dar. Sie unterstrich die ihres Erachtens große Bedeutung der Wasserkraftnutzung für den Klima- und Naturschutz. Die deutschen Wasserkraftwerke würden pro Jahr rund 21 Milliarden kWh (1995) erzeugen und wären mit einem Anteil von über 95% die bedeutsamste erneuerbare Energiequelle. Das mittelfristig nutzbare Gesamtpotential gaben die Referenten mit rund 33 Milliarden kWh an. Größte Hemmnisse auf dem Weg zu diesem Ziel seien die finanziellen und wasserrechtlichen Rahmenbedingungen, die vielen Anlagenbetreibern das "Grab schaufeln" würden. So hätte es 1870 in Deutschland noch etwa 70.000 Kleinwasserkraftwerke gegeben. Heute existierten hingegen nur noch 7.000 Betriebe. Oberstes Ziel der Energiepolitik und des Klimaschutzes müsse es daher sein, (1) Energie zu sparen und (2) die Nutzung der regenerativen Energien zu erhöhen. Allein durch die Optimierung der vorhandenen Flußanlagen könne ein Zuwachs von 10% erzielt werden. Die Wiederinbetriebnahme und der Neubau von bachgebundenen Kleinwasserkraftwerken ergäben weitere 40%. Aufgrund der derzeitig ungünstigen Rahmenbedingungen müssten sich die Wasserkraftwerke primär mit Fragen der Bestandssicherung beschäftigen. Als weiterer Vertreter der Betreiberseite setzte sich H.W. PETERS (Ökofisch, Höxter) mit Fragen der Konfliktlösung zwischen Wasserkraftnutzung und Naturschutz auseinander. Die Konflikte seien lösbar, wenn die mittlerweile zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten zur Anwendung kämen. So habe sein Betrieb Vliesmatten entwickelt, die die Barrierewirkung von Stauhaltungen und Fischaufstiegsanlagen für Benthos-Organismen deutlich reduzieren würden. Möglichkeiten des Kompromisses In der Zusammenfassungen der Ergebnisse und Diskussionen stellten sich unterschiedlichen Positionen wie folgt dar: Wasserkraft:
Fischerei:
Naturschutz:
Der Abgleich der unterschiedlichen Positionen und Forderungen in der abschließenden Erörterung zeigte eine Reihe von Ansätzen zur Konfliktminderung bzw. -lösung: Seitens des Naturschutzes und der Fischerei bestanden unter der Voraussetzung geringstmöglicher Eingriffe in den Naturhaushalt und das Landschaftsbild keine grundsätzlichen Einwände gegen eine Förderung der Wasserkraftnutzung. Einigkeit bestand zwischen allen Beteiligten auch darin, daß in erster Linie bereits vorhandene, in Betrieb stehende Anlagen zu optimieren wären. Des weiteren sollten noch vorhandene, aber nicht mehr in Betrieb stehende Kraftwerke wieder in Betrieb genommen werden. Zum Dritten wären in den Gewässern ohnehin vorhandene, aus verschiedenen Gründen auch unverzichtbare Querverbaue für den Neubau von Kleinwasserkraftwerken zu nutzen. Grundsätzliches Einvernehmen mit den Kraftwerksbetreibern konnte auch in Fragen der Durchgängigkeit der Gewässer sowie des Schutzes von Fischen hergestellt werden. Gegenstand kritischer Diskussionen blieben jedoch die Punkte Rechengröße bei Fischschutzvorrichtungen sowie insbesondere der Mindestrestwasserabfluß in den Ausleitungsstrecken. Gerade der Aspekt des Restwasserabflusses bedarf auf weiterhin der eingehenden Erörterung. Die Brisanz des Themas verbirgt sich in dem Sachverhalt, daß aus Sicht der Kraftwerksbetreiber jeder Restwasserabfluß einen Verlust bei der Stromerzeugung bedeutet. Aus Sicht der Naturschutzes und der Fischerei ist Wasserkraft andererseits nur dann umweltfreundlich, wenn die Restwassermenge groß genug ist, damit der Naturhaushalt am Gewässer nicht gestört wird. Dipl.-Biol. Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder |
Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder. |