Wasserkraft und Naturschutz |
Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 23. Februar 1996 |
Neben der Windkraft gewinnt auch die Nutzung der
Wasserkraft im Binnenland als ressourcenschonende und dezentrale Art der Energieerzeugung
an wachsender Bedeutung. Unter den CO2- freien regenerativen Energien nimmt die Wasserkraft derzeit rund 98% der Nettostromerzeugung ein. Bei ausschliesslicher Betrachtung klimarelevanter Faktoren kann die Wasserkraft mit dem vergleichsweise höchsten Erntefaktor zudem einen wesentlichen Beitrag zur CO2- Reduzierung leisten. Unter diesen Voraussetzungen muss zukünftig insbesondere verstärkt mit der Reaktivierung stillgelegter Kleinwasserkraftwerke gerechnet werden. Nach Angaben von BINE (1995) wird das technisch nutzbare Wasserkraftpotential der alten Bundesländer bereits zu etwa 70% ausgeschöpft, während für die neuen Bundesländer ein wirtschaftlich und ökologisch realisierbares Potential von 1.114 GWh pro Jahr gesehen wird. Welcher Stellenwert darf aber den Zielen des Klimaschutzes beigemessen werden, wenn diese Ziele nur unter Vernachlässigung der Zielsetzungen der Biodiversitäts-Konvention von Rio erreichbar sind? Diese Frage stand daher im Mittelpunkt der Veranstaltung "Wasserkraft und Naturschutz". Am Beispiel der Initiativen des Bundesverbands Landschaftsschutz e.V. zur Renaturierung der Isar behandelte Dr. Falter die Frage der Umweltfreundlichkeit von Wasserkraftwerken. Falter provozierte mit der These, dass Wasserkraft im eigentlichen Sinne keine regenerative Energie sei, da Wasserkraftwerke nicht Wasser, sondern nicht regenerative Landschaft verbrauchen würden. Ein Kompromiss zwischen den gleichwertig zu behandelnden Zielen des Klima- und Biodiversitätsschutzes sei nur zu erzielen, wenn der Neuausbau von Fließgewässern unterbleibt, bestehende Anlagen im Sinne der Fließgewässerökologie umgestaltet und möglichst viele Bach- und Flußrenaturierungen erfolgen. Ebenso wie Dr. Falter sah auch Dr. Berg von der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg einen diametralen und nicht auflösbaren Gegensatz zwischen der Wasserkraftnutzung einerseits und dem Schutz der Gewässerökosysteme andererseits. Allein in Baden-Württemberg bestehen zur Zeit rund 1500 Kleinwasserkraftwerke mit einer Leistung von 1 MW. Nach Berg entspricht die Energieausbeute dieser Anlagen der Leistung eines mittleren Wärmekraftwerks. Aus dem andauernden Betrieb der Flusswasserkraftwerke sowie den mehr oder weniger regelmässig erforderlichen Wartungs-, Unterhaltungs- und Reparaturmassnahmen resultieren aber erhebliche Belastungen und Zerstörungen der Fliessgewässerlebensräume. Obwohl diese Eingriffe nur lokaler Natur sind, haben sie Konsequenzen für das von der Quelle bis zur Mündung als Einheit zu betrachtende Ökosystem. Zu nennen sind neben anderen Faktoren: die Verlangsamung und Vergleichmäßigung der Strömung, eine verstärkte Sedimentation im Staubereich der Sperranlagen, die Zerschneidung von Lebensräumen und damit die Verhinderung des Organismenaustausches innerhalb des Gewässers, die Begünstigung der Tiefenerosion unterhalb der Stauhaltung, daraus resultierende weitere Folgeverbauungen sowie die Störung der Gewässer-Umland-Beziehungen. Diese Auswirkungen bedrohen in hohem Maße den Fortbestand zahlreicher spezialisierter Gewässerorganismen. Für den nur im Donausystem endemisch vorkommenden Streber muss als Folge aktueller Kraftwerksplanungen sogar das baldige Aussterben erwartet werden. Ralf Seebauer vom NABU-Bundesfachausschuss für Abfall, Energie und Chemie würdigte in seinen Beiträgen die wasser- und baurechtlichen Aspekte der Wasserkraftnutzung sowie die Positionen des NABU zur Nutzung der Wasserkraft. In der Zusammenfassung der Beiträge zeigte sich, daß der Reduktion klimarelevanter CO2-Gase ein nicht unerheblicher Verlust an Biodiversität und Artenvielfalt gegenüber steht. Wie fragwürdig dieser Gewinn ist, zeigt sich dadurch, dass über Kleinwasserkraftwerke heute nur 1 Promille der CO2- Emissionen eingespart werden können, gleichzeitig aber die hochproduktiven und überdurchschnittlich artenreichen Gewässerlebensgemeinschaften nachhaltig zerstört werden. Vor diesem Hintergrund verliert sich der vielbeschworene ökologische Vorteil auf der Seite des Klimaschutzes sehr rasch in der Schwankungsbreite des Energieverbrauchs, denn es kann gegenwärtig nicht einmal die Verbrauchszunahme eines einzigen Jahres ausgeglichen werden. Die Gewässerfauna wird unter diesen Umständen immer Verlierer sein; veränderbar ist bestenfalls das Ausmaß der Beeinträchtigungen. Zweifel an der klimagünstigen Wirkung der aus Wasserkraft erzeugten Energien kamen auf, als in der Diskussion die Frage der Methan-Immissionen aus staugelegten Fließgewässern aufgeworfen wurde. Eine abschließende Klärung dieser Fragestellung war aber nicht möglich. Aus diesen Feststellungen lässt sich folgender Handlungsbedarf ableiten:
Dipl.-Biol. Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder |
Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder. |