Internationale Zusammenarbeit im Naturschutz

Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 14. - 16. Juni 1996
Die auf dem Weltgipfel von Rio verabschiedete Agenda 21, die Übereinkunft über biologische Vielfalt sowie weitere internationale Naturschutzübereinkommen und -programme (Washingtoner Artenschutz Übereinkommen, CMS-Bonner Konvention, Berner Konvention, Welterbe-Übereinkommen, Man and Biosphere-Programm) fordern den ehrenamtlichen Naturschutz in Deutschland heraus, entwicklungspolitische Instrumentarien in die internationale Naturschutzzusammenarbeit einzubeziehen.

Die Veranstaltung informierte über die Grundlagen der internationalen Zusammenarbeit und zeigte, wie bei der Planung von Naturschutzprojekten in der Entwicklungszusammenarbeit systematisch vorgegangen werden muss. Darüber hinaus wurden den Teilnehmern Möglichkeiten und Grenzen für eigene Aktionsfelder aufgezeigt.

Ziel des Seminars war es, Vertreter privater Naturschutzverbände und -organisationen mit den organisatorischen und strukturellen Voraussetzungen der internationalen Zusammenarbeit im Naturschutz vertraut zu machen. Dazu wurden am Beispiel international arbeitender NRO die Rahmenbedingungen für internationale Zusammenarbeit aufgezeigt. 

Dieter Hoffmann (BirdLife International, Cambridge) stellte in seinem Vortrag zunächst die Ziele, Aufgaben und Organisationsstrukturen von BirdLife International vor, um im Anschluss daran das BL-Landesprogramm "Marokko" und die Möglichkeiten der Netzwerkbildung am Beispiel des Comité des Programmes de Conservation de la Nature (CPCN) näher zu erläutern.

BirdLife International ist dem internationalen Vogelschutz und dem Erhalt der biologischen Vielfalt verpflichtet. Dazu arbeitet BirdLife mit 60 Partnerorganisationen zusammen. Die Arbeit von BirdLife wird von der Idee bestimmt, dass über den Vogelschutz einerseits der Zugang zu einer breiten Palette von Lebensräumen gewährleistet werden kann und andererseits Vögel sowohl weltweit vertreten als auch am besten erforscht sind. Darüber hinaus haben Vögel häufig Bioindikatorfunktion.

Über das BirdLife-Council können die Partner Einfluss auf die Strategie, die Finanzen und andere Entscheidungen von Birdlife nehmen. Alle vier Jahre findet eine Strategiekonferenz statt, die folgende Themen behandelt:
  • Setting priorities (data analysis, consensus through advocacy)
  • Policy development
  • Regional and country programmes
  • Constituency and governance 
  • Communication

Unter der Federführung von BirdLife wurde 1995 das International Bird Area Programm (IBA) aufgestellt. IBA-Gebiete weisen ein hohes Natur- und Artenschutzpotential auf, haben eine adäquate Grösse und können in ein bereits existierendes Netzwerk integriert werden. Die Partnerorganisationen sind aufgefordert bis zum Jahr 2000 ihre IBAs auszuwählen, ein nationales Vogelschutzkonzept zu entwickeln und umzusetzen. Endziel ist die Entwicklung eines globalen IBA-Programms.

Am Beispiel eines marokanischen IBA-Projekts versuchte Dieter Hoffmann die Konzeption, aber auch die Schwierigkeiten zu verdeutlichen. Zielart ist der Waldrapp, von dem weltweit noch 250 - 300 freilebende Tiere existieren, und dessen grösste Brutkolonie sich in Marokko befindet. Vor Ort bereiten insbesondere der Gemüseanbau unter Folien, der Autobahnbau, die Ölverseuchung der Strände sowie die Abholzung erhebliche Probleme. Als vordingliche Schutzmassnahmen sind die Sicherung der Brutplätze sowie Umwelterziehung vorgesehen. Die niederländische Partnerorganisation Vogelbescheerming hilft bei der Finanzierung des Programms. 

Zu den erfolgreichen BirdLife-Projekten gehört das Elstern-Programm auf den Seychellen. Die Zahl der Individuen konnte soweit erhöht werden, daß die Population voraussichtlich gerettet ist.

Wolfgang Kuhlmann (ARA) informierte in seinem Beitrag über die Grundlagen der internationalen Naturschutzzusammenarbeit. In einem kurzen historischen Rückblick rief er zunächst die internationale Entwicklung des Schutzgebietgedankens in Erinnerung. Beginnend mit der Ausweisung der Yellowstone National Parks in den USA im Jahre 1872 bestehen heute weltweit rund 25.000 Schutzgebiete (ca. 5% der Erdoberfläche). Die Umsetzung des strikten Naturschutzgedankens stösst insbesondere in neu eingerichteten Reservaten auf wachsende Schwierigkeiten. Während sich Schutzgebiete in der Vergangenheit primär als Reservate definierten, leitete die Umweltkonferenz von Rio einen konzeptionellen Wandel ein. Nicht der Schutz durch Nutzungsverzicht, sondern der Schutz durch nachhaltige Nutzung steht zunehmend im Vordergrund. 

Nachfolgend gab Kuhlmann einen zusammenfassenden Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen des internationalen Naturschutzes. Als Meilenstein für den Naturschutz muss seines Erachtens das Jahr 1975 bezeichnet werden, da mit der RAMSAR-Konvention, der Welterbe-Konvention der UNESCO sowie dem Washingtoner Artenschutz-Übereinkommen gleich drei international bedeutsame Naturschutzabkommen in Kraft gesetzt wurden. 

Die RAMSAR-Konvention zum Schutz von Feuchtgebieten internationaler Bedeutung ist bislang von 75 Mitgliedstaaten unterzeichnet worden. Für RAMSAR standen 660.000 US $ zur Verfügung.

Fast 150 Mitgliedsstaaten traten mittlerweile der World-Heritage-Convention bei, die klar definierte Naturschutzziele verfolgt. Über das ‘Man and Biosphere’-Programm konnten bislang insgesamt 320 Biosphärenreservate ausgewiesen werden. Welt-Naturerbe ist mit 2 Mill. US $ ausgestattet. 

Den internationalen Handel mit Wildtieren und -pflanzen sowie deren Derivaten regelt das von 140 Mitgliedsstaaten unterzeichnete Washingtoner Artenschutzübereinkommen. Die Einhaltung der Konventionen hängt von der nationalen Gesetzgebung ab. Eine Vertragsstaatenkonferenz findet ca. alle zwei Jahre statt.

Die 1983 verabschiedete Bonner Konvention, die bislang von 40 Mitgliedstaaten unterzeichnet wurde, zielt auf den Schutz wandernder Tierarten ab. 

Ewald Neubauer (Berater für Projektplanung) erarbeitete in seinem Beitrag am Beispiel der von den Teilnehmern genannten eigenen Tätigkeitsfelder die Inhalte, Strukturen und Aufgaben zielorientierter Projektplanung. ZOPP versteht sich als ein struktureller Kommunikations- und Klärungsprozess zur Konzeptionierung eines Projekts. Grundlage für seine Durchführung ist das M+E (Monitoring and Evaluation). ZOPP soll helfen, der Gefahr des "sich verzettelns" zu entgehen.

Ein "gezopptes" Projekt definiert sich über den Auftraggeber, dessen Projektpartner sowie die von beiden für einen Ort, einen bestimmten Zeitraum sowie eine Zielgruppe erarbeitete Aufgabenstellung. Ein Projekt ist zeitlich, örtlich als auch finanziell eingeschränkt.

Bei Projekten der internationalen Zusammenarbeit wird die Projektidee im Partnerland unter der Einbeziehung der "gender"-Frage entwickelt. Das grundsätzliche Ziel sollte die Beseitigung von Armut sowie die Förderung pluralistischer Strukturen und der Nachhaltigkeit beinhalten.

Die Projektbeschreibung verlangt, dass der Projektbetreiber sich mit den Bedingungen vor Ort auseinandersetzt. Seine Beweggründe sind darzustellen. Die Ausgangssituation muss gut erklärt und die eigene Sichtweise verdeutlicht werden.

Desweiteren werden Projekte durch klar definierte Entwicklungsziele, Projektzielleistungen (u.a. Aktivitäten, die zum Ziel führen sollen) und Evaluationskriterien definiert. 

Wolfgang Kuhlmann (ARA) erläuterte bestehende Förderungs- und Kooperationsmöglichkeiten für Non Governmental Organizations (NGO). Es wies darauf hin, dass bisher keine Fördermittel für reine Naturschutzprojekte zur Verfügung standen und die Unterstützung internationaler Naturschutzzusammenarbeit eine neue Komponente darstellen würde. So arbeitet ARA mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und privaten Trägern zusammen. Ein möglicher Kooperationspartner wäre für Kuhlmann auch die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), die über einen Haushalt von ca. 760.000 Millionen DM verfügt, von denen zur Zeit 300 Millionen DM an kirchliche Einrichtungen, 130 Millionen DM an Gewerkschaften und Einrichtungen wie Caritas sowie 30 Millionen an private Träger gehen. Mit Ausnahme des WWF haben naturschutzorientierte NGOs zur Zeit noch keinen Zugriff auf Mittel der GTZ. Für die Umsetzung der Biodiversitätskonvention steht ein mit 12 Millionen DM ausgestatteter Fond zur Verfügung, der bisher aber nicht ausreichend genutzt wird. Die von der GTZ zur Verfügung gestellten Gelder sind Zuschüsse in Höhe von 75% der Gesamtsumme. Der Restbetrag muss vom Partner vor Ort aufgebracht werden. Eine jährliche und genaue Abrechnung ist erforderlich. 

An verschiedenen Beispielen setzte sich Kuhlmann kritisch mit der Arbeitsweise der GTZ auseinander. So könnte beispielsweise der Bau einer Schule unterstützt werden, während die Durchführung eines Bildungsprogramms oder Verwaltungs- und Personalkosten für Lehrkräfte nicht vorgesehen seien.

Die Arbeitsweise und der Einfluss von Weltbank und Global Environment Facility (GEF) auf die Entwicklungsmöglichkeiten von Dritte Welt Staaten standen im Mittelpunkt der Beiträge von Olaf Dierker (Urgewald e.V., Sassenberg) und Ellen Schmidt (WEED, Bonn).

Zunächst gab Dierker eine umfassende Darstellung der Weltbank, in der mit Ausnahme von Kuba und Nordvietnam alle Länder anteilig vertreten sind. Die G7-Staaten haben jeweils eine Stimme. Die Weltbank untergliedert sich in: 

  • International Bank for Reconstruction and Development (IBRD), die rückzahlbare Kredite für den Wiederaufbau und die Entwicklung zur Verfügung stellt. Sie arbeitet gewinnorientiert. Kreditanträge können über Regierungen gestellt werden.
  • International Development Association (IDA) fördert mit ihren Krediten die Entwicklung der Schwellen- bzw. Entwicklungsländer. Ihre Kredite sind günstiger als die der IBRD, müssen aber ebenfalls zurückgezahlt werden. Antragsberechtigt sind ebenfalls nur Länderregierungen.
  • International Finance Corporation (IFC) arbeitet mit privaten Unternehmern zusammen.
  • Multilateral Investment Agency (MIGA) arbeitet mit Firmen, die in Länder der Dritten Welt liefern zusammen (z.B. HERMES Deutschland).

Am Beispiel des Waldregenerationsprogramm der Slowakischen Republik sowie eines Vorhabens zum Kohleabbau und zur Energiegewinnung im Norden Indiens (Kraftwerksbau) verdeutliche Dierker anschliessend die Arbeitsweise der Weltbank.

In die Arbeit der Global Environment Facility (GEF) führte der Vortrag von Ellen Schmidt ein. Die GEF wurde 1989 gegründet. Für eine dreijährige Pilotphase standen ihr insgesamt 1.3 Mrd US $ zur Verfügung. 1994 erfolgte die Evaluierung durch die Weltbank. Bis 1997 sind 2 Mrd. US $ vorgesehen. Die BRD ist der drittgrösste Geldgeber.

Oberstes Entscheidungsgremium ist der GEF-Executive Council, der zweimal jährlich in Washington zusammentritt und alle durchzuführenden Projekte verabschiedet. Bei den Sitzungen des Exekutivrats werden Entwicklungsländer stärker beteiligt als bei der Weltbank. Non-Governmental-Organisations (NGO) sind mit 5 Vertretern mit Beobachterstatus im Executive Council vetreten, können aber keine Gelder beantragen. 

Global Environmental Facilities (GEF) verfügt über Finanzmittel zur Unterstützung von Projekten in den Bereichen Klima, Ozon, Meere, biologische Vielfalt. Zu den GEF-geförderten Projekten zählt unter anderem ein mit 6 Millionen DM gefördertes "awareness raising"-Programm am Malawi See sowie ein mit 7 Mio. US $ ausgestattetes Vorhaben zur Erhaltung von zwei Affenarten am Tana River. Das 1992 begonnene Projekt wurde notwendig, nachdem sich die örtliche Bevölkerung als Folge eines Staudammbaus verstärkt in dem Vorkommensgebiet der Affenarten ansiedelte. Insbesondere das letztgenannte Vorhaben verdeutlicht nach Auffassung von Frau Schmidt aber auch die Probleme der GEF-Programme. So seien die Projekte nicht dem Grundsatz der Nachhaltigkeit verpflichtet. Zudem würde, da präventive Umweltschutzmaßnahmen keine Unterstützung fänden, bestenfalls die Folgen, aber nicht die Ursachen der Umweltzerstörung beseitigt.

Die Veranstaltung trug insgesamt dazu bei, Grundlagenwissen über Entwicklungszusammenarbeit zu vermitteln. Am Beispiel von ZOPP wurden die bundesdeutschen Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit erläutert und das systematische Vorgehen an Fallbeispielen erarbeitet. Die Betrachtung der Weltbankgruppe sowie des Globalen Umweltfond (GEF) machte die Finanzströme deutlich und gab Auskunft über die Arbeitsweise der Organisationen. Mit der Vorstellung vorhandener Förderungs- und Kooperationsmöglichkeiten im Bereich internationaler Projekte wurden die Spielräume für NRO aufgezeigt. Ausserdem wurde deutlich, wie bei der Planung von Naturschutzprojekten in der Entwicklungszusammenarbeit systematisch vorzugehen ist.

Das Seminar gab den Teilnehmern die Möglichkeit, die eigenen Aktionsfelder im Gesamtkontext der deutschen Entwicklungszusammenarbeit realistisch zu bestimmen, sodaß zukünftige Projekte daran ausgerichtet werden können. 

Dipl.-Biol. Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder 

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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.