Positionen zur Anpassung der Liste der jagdbaren Tierarten |
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Ergebnisse eines Workshops des NABU am 03. bis 04.12.2004 |
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In Deutschland leben nach Erhebungen des Bundesamt für Naturschutz gegenwärtig rund 48.000 Tierarten. Ihr Schutz wird fast ausnahmslos über das Naturschutzrecht geregelt. Sofern die Entnahme von wildlebenden Tieren aus Gründen des Pflanzenschutzes (z.B. Forst- und Landwirtschaft) oder der Wasserwirtschaft (z.B. Sicherheit von Hochwasserschutzeinrichtungen) erforderlich ist, nehmen die jeweils zuständigen Rechtskreise Bezug auf das Naturschutzrecht. Eine Ausnahme stellt das deutsche Jagdrecht dar. Die Jagdgesetze des Bundes und der Länder führen insgesamt 103 jagdbare Säugetier- und Vogelarten auf. Darunter fallen z.B. die ausgestorbenen Wisente und Elche, die im Bestand sehr stark gefährdeten Fischotter oder der nur lokal vorkommende und ebenfalls extrem bedrohte Luchs. Von den jagdbaren Vogelarten stehen 38% auf der Roten Liste. Viele dieser Arten sind ganzjährig geschont, d.h. dass sie zwar dem Jagdrecht unterliegen, aber nicht aktiv bejagt werden dürfen. Im Zusammenhang mit der seit einigen Jahren diskutierten Novelle des Bundesjagdgesetzes fordert der Naturschutz die Anpassung und Überarbeitung der Liste der jagdbaren Arten gemäß §2 BJagdG. Es mache keinen Sinn, so die Forderung, Arten einem Nutzungs- und Aneignungsrecht zu unterstellen, die realpraktisch weder genutzt würden noch genutzt werden könnten. Mit Blick auf die ganzjährige Schonzeit vieler jagdbarer Arten, unter Hinweis auf die schärferen Schutzbestimmungen des Jagdrechts sowie den Anspruch auf Hege und jagdliche Biotoppflege weist der Deutsche Jagdschutz Verband (DJV), dass eine Änderung des BJagdG die betroffenen Tierarten theoretisch und praktisch schlechter stellen würde und deshalb wenig sinnvoll sei. Einen deutlich anderen Standpunkt vertritt jedoch das Bundesministerium für Umwelt und das Bundesamt für Naturschutz. Haupt machte in seinem Beitrag deutlich, dass die derzeitigen Regelungen des Jagdrechts den Anforderungen, die aus internationalem Naturschutzrecht (FFH-Richtlinie, Europäische Vogelschutz-Richtlinie, Seehundabkommen) erwachsen und dem Nachhaltigkeits-Ziel der Bundesregierung nicht gerecht werden. Die Frage, ob eine Art zukünftig noch bejagt werden dürfte oder nicht, müsse u.a. auf der Grundlage der Situation der Art in ihrem gesamten Verbreitungsgebiet, den nationalen Erhaltungsanstrengungen und den populationsbiologischen Rahmenbedingungen getroffen werden. Auf die aktuelle Liste der jagdbaren Tierarten angewandt, ergibt sich daraus für Haupt die Notwendigkeit zur Reduzierung der Liste der jagdbaren Tiere auf 42 bzw. 44 Arten. Dazu zählen zum einen die großen pflanzenfressenden Paarhufer wie Rothirsch, Sikahirsch oder Reh, aber auch das Wildschwein, der Feldhase und das Wildkaninchen sowie der Fuchs und ausgewählte Enten- und Gänsearten. Für die Wildkatze, den Fischotter oder die Großtrappe sei hingegen beispielsweise keines der Kriterien erfüllt, so dass sie aus dem Jagdrecht entlassen werden müssen. Deutlich strenger sind die Kriterien, die die Naturschutzverbände, an die Liste der jagdbaren Tierarten anlegen. Für NABU und BUND legt die biologische Nachhaltigkeit des jagdlichen Eingriffs die Höhe der Meßlatte fest. Beyer und Hug erläuterten, dass die Nutzung sinnvoll und auch im Sinne des Tierschutzrechtes vernünftig sein müsse. Aus der Bejagung dürfe keine Gefährdung der Populationen und der Lebensräume erwachsen. Auch die Beeinträchtigung anderer Arten oder von Lebensräumen sowie Störungen von Natur und Landschaft schließen ihres Erachtens eine Bejagung aus. Für die Liste der jagdbaren Arten fordern NABU und BUND daher eine Begrenzung auf rund ein Dutzend Arten. Darunter fallen, in Übereinstimmung mit dem BFN, die großen Pflanzenfresser. Deutlich restriktiver fallen die Vorstellungen jedoch mit Blick auf die Vogelarten aus. Hier halten die Naturschutzverbände lediglich noch die Bejagung von Fasan und Stockente für vertretbar, wobei allerdings die Jagd auf Stockenten noch kritisch diskutiert wird, da der selektive Abschuss von Wasservögeln nicht möglich sei und immer wieder auch Individuen geschützter Arten, die in den Stockentenschwärmen mitfliegen, getötet würden. Noch weitergehende Vorstellungen äußerte der Vertreter des Vogelschutzkomitees (VSK), Eberhard Schneider. Seines Erachtens erfülle die Jagd das Kriterium der Nachhaltigkeit absolut nicht, auch wenn die Jagdvertreter immer wieder versuchten, dieses glaubhaft zu machen. Eingriffe in die Bestände frei lebender Tiere wären daher nur aus "übergeordneten" Gründen der Lebensraumsituation zu rechtfertigen und dieses könne auch nur für Wildwiederkäuer (Rothirsch, Damhirsch, Reh, Mufflon, Gämse), deren Bestände den örtlichen Lebensraumbedingungen nicht angepasst und zu hoch seien, gelten. Ansonsten bedürfe keine Tierart des so genannten regulierenden Eingriffs durch den Jäger. Die jägerische Einwirkung zerstöre vielmehr die natürlichen Wechselbeziehungen und bringe "alles aus dem Lot". Die Frage, ob "übergeordnete Gründe", wie sie für den Wald gelten, nicht auch für das Grünland und die katastrophale Situation der Wiesenvögel gelten könnten, verneinte Schneider; denn die Überlebensprobleme der Wiesenbrüter seien nicht durch den Fuchs und andere Beutegreifer verursacht. Sie legten nur den "Finger in die Wunde". Die tatsächlichen Gründe lägen vielmehr in der Landnutzung und im Wassermanagement. Unabhängig von den in Detailfragen unterschiedlichen Positionen zur zukünftigen Liste der jagdbaren Tierarten ließ die Diskussionsrunde keinen Zweifel daran, dass die Liste deutlich zu kürzen und die gemäß Roter Liste vom Aussterben bedrohten Arten aus dem §2 BJagdG zu streichen seien. Lediglich Arten, für die eine nachhaltige Nutzung sichergestellt werden kann, sollten künftig noch dem Jagdrecht unterliegen. Der im DJV-Positionspapier "Das Bundesjagdgesetz: Forderungen und Tatsachen" zu findende Verweis auf die Hegepflicht überzeugte die Teilnehmenden nicht; denn Hegemaßnahmen für Gänsesäger, Haubentaucher oder die Wildkatze seien seitens der Jagd trotz der gesetzlichen Zuständigkeit bislang nicht ergriffen worden. Gleiches gelte für die Wildschadens-Begründung; denn wenn alle Tiere, die vermeintliche Schäden anrichten, müsste zum Beispiel der Biber wieder zurück im Jagdrecht - was aber offenbar nicht im Sinne der Jägerschaft ist.
Größerer Reformbedarf Helmut Brücher erläuterte, dass sich für den NABU mit der aktuellen Jagdpraxis und insbesondere der Fallenjagd ein weiteres Problem verbände. Im Kielwasser der legalen Fallenjagd nach BJagdG schwömme der illegale Vogelfang durch Taubenzüchter, Hühnerhalter und auch Jäger. Er würde durch den freien Handel von Habichtfangkörben, Schwanenhälsen und anderem überhaupt erst möglich gemacht. Die einzig zielführende Lösung für das Problem sah Brücher im Verbot der Herstellung, des Verkaufs, des Besitzes und der Anwendung von Tierfallen; zumindest müsse ein Berechtigungsnachweis für den Erwerb zugelassener Fallen durch den Jäger her. Als reformbedürftig empfand die Mehrzahl der Teilnehmer jedoch nicht nur die aktuelle Liste der jagdbaren Tierarten, sondern auch die inhaltliche Ausrichtung des deutschen Jagdrechts im Allgemeinen. Kritik entzündete sich insbesondere an den unzeitgemäßen rechtlichen Regelungen zur Hege, Waidgerechtigkeit und zum Jagdschutz oder zur Bildung von Jagdbezirken. Zwar wurde anerkannt, dass im Rahmen des jagdlich orientierten Arten- und Biotopschutzes bundesweit viele positive Maßnahmen durchgeführt würden und die Zusammenarbeit von Naturschutzgruppen und Jägern auf diesem Gebiet vor Ort auch recht gut funktioniere. Dieses dürfe aber nicht darüber hinweg täuschen, dass unter dem Deckmantel der Hege auch Dinge betrieben würden, die bei Rehen, Rothirschen und Wildschweinen bundesweit zu nie da gewesenen Bestandsdichten und in der Folge zu einer enormen Belastung für die naturnahe Waldentwicklung geführt hätten. Was sich in vielen Revieren als Jagdschutz deklariert und als Kirrung oder Winterfütterung betrieben würde, hatte für Hug mit modernen Wildtiermanagement und nachhaltiger Nutzung nichts mehr zu tun. Helmut Brücher erinnerte die Fütterung von Rehen und Wildschweinen mit Kraftfutter und industriell gefertigten Futtermischungen eher an das Mästen von Schlacht- als von Wildtieren. Außerdem vermisste er bei den Diskussionen um den Sinn und Zweck von Hege und Jagdschutz das deutliche jägerische Engagement für den Erhalt von Auerhuhn, Feldhase, Fischotter oder Wisent. Man könne den Eindruck haben, so Brücher weiter, dass es der Jägerschaft in solchen Fällen sogar ausgesprochen Recht sei, wenn ihnen der Naturschutz ihre Pflichten abnähme. Gute fachliche Praxis auch für die Jagd Die Begriffe Hege, Waidgerechtigkeit und Jagdschutz sollten nach Meinung der NABU- und VSK-Vertreter gänzlich aus einem modernisierten Jagdrecht verschwinden. Sofern es dabei um Fragen des Arten- und Biotopschutz für jagdbare Tierarten ginge, böte das Naturschutzrecht aufgrund seines umfassenderen Ansatzes den geeigneteren rechtlichen Rahmen. Vergleichbares gilt für die Fragen des Wildseuchenschutzes, die im Tierseuchengesetz ohnehin bereits hinreichend geregelt sind. Die meisten weiteren Aspekte sollte das BJagdG über die aussagekräftige Regeln der guten fachliche Praxis festschreiben; denn unverbindliche Allgemeinplätze wie "die Summe der rechtlich bedeutsamen, allgemein anerkannten, geschriebenen und ungeschriebenen Regeln ..., die bei der Ausübung der Jagd als waidmännische Pflichten zu beachten sind“ (DJV Handbuch 2002, S. 45 ff) sahen Beyer und Hug als ungeeignete Leitlinien für ein modernes Wildtiermanagement und eine handwerklich guten Jagdausübung an. Zu den Regeln der guten fachlichen Praxis im Jagdbetrieb sollten u.a. der Verzicht der Jagdausübung in Kernzonen von Großschutzgebieten (Nationalparken, Biosphärenreservaten, EG-Vogelschutzgebieten und RAMSAR-Gebieten) gehören, die Ausrichtung der Jagdausübung in Schutzgebieten am Schutzzweck und die Reduzierung der Jagdzeiten auf einen wildtierverträglichen Umfang. Das Recht zur Tötung freilaufender Hunde und Katzen aus Gründen des Jagdschutzes wäre aus Sicht der Teilnehmer hingegen nicht als Teil der guten fachlichen Praxis anzusehen, da ihm die fachliche Begründung als auch die gesellschaftliche Akzeptanz fehle. Keine Jagd ohne Einverständnis des Grundeigentümers Bei der Bildung von Jagdbezirken müssten zukünftig zum Ersten naturschutzgeographische Komponenten (Schutzgebiete) Beachtung finden und zum Zweiten gehörten die Rechte der Grundeigentümer gestärkt. Sie sollten das Recht erhalten, eine ihren Intentionen gemäße Bejagung ihres Eigentums verlangen zu können, um zum Beispiel Wildschäden abzuwehren können. Auch das Recht des Eigentümers, nicht zu einem Jagdbezirk gehören und die Jagd nicht dulden zu wollen, gelte es mit Blick auf ein diesbezügliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen. Gregor Beyer bezeichnete es als "absurd, dass wir als NABU einen See kaufen, um daraus ein Schutzgebiet für Wasservögel zu machen, gleichzeitig aber die Wasservogeljagd durch den Jagdpächter hinnehmen müssen". "Notfalls zwingen wir die Bundesregierung mit einer Sammelklage zum Handeln", kündigte Eberhard Schneider vom Vogelschutz-Komitee an. Ralf Schulte, NABU-Bundesgeschäftsstelle Berlin |
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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder. |
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