Anforderungen an die nachhaltige jagdliche Nutzung von Wildtieren in Deutschland |
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Ergebnisse eines Infoseminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 28. Oktober 2003 |
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Bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, wie sie bei der Umwelt- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro 1992 (UNCED, United Nations Conference on Environment and Development) und nachfolgenden Prozessen, wie der Konferenz der Forstminister Europas zum Schutz der Wälder in Helsinki 1993 festgeschrieben worden sind, spielt auch die jagdliche Nutzung von Wildtierbeständen eine bedeutsame Rolle. Die Jagd nimmt Einfluss auf Wildtierpopulationen und beeinflusst direkt oder indirekt auch Ökosysteme und Lebensräume von Tieren und Pflanzen. Sie sollte daher in besonderem Maße an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit orientiert sein. Die Bundesregierung hat für die laufende Legislaturperiode die Novellierung des Bundesjagdgesetzes im Sinne der Nachhaltigkeitsgrundsätze auf die Agenda gesetzt. Vor diesem Hintergrund sollte die Veranstaltung dazu dienen, aus der Sicht des Naturschutzes Kriterien und Indikatoren zur Beurteilung der Jagd zu finden, und somit einen Beitrag zur Einbettung von "wise use"-Ansätzen in die Novellierung des Bundesjagdgesetzes zu leisten. Vortragsergebnisse Gregor Beyer stellte zu Beginn seines Vortrages fest, dass der Deutsche Jagdverband (DJV) und der NABU am 7. März 1998 auf Gut Sunder eine Erklärung zur Jagd abgegeben haben, in der es heißt: „NABU und DJV erkennen die Berechtigung der Jagd als traditionelle Form der Landnutzung [...] an, und sprechen sich grundsätzlich für eine nachhaltige Nutzung [...] aus.“ Er betonte, dass aus Sicht des NABU ein jagdlicher Eingriff dann als biologisch nachhaltig zu betrachten sei, wenn
Beyer erklärte, dass die im §1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) verankerten Begriffe Hege und Weidgerechtigkeit bisher der Ausrichtung der Jagd an Nachhaltigkeitsgrundsätzen entgegengestanden habe, da Trophäenjagd, trophäenorientierte Jagdzeiten, Wildfütterung und beliebige Jagdmethoden die Handlungsweisen dominierten. Beyer plädierte deshalb für Regeln zur guten fachlichen Praxis der Jagd, die folgendes beinhalten sollten:
Zum Schluss seines Vortrages betonte Beyer, dass der Jäger in seinem Verhalten nicht von einer Zuschauermenge bestimmt werden dürfe, sondern sich immer von seinem Gewissen leiten lassen müsse (frei nach Aldo Leopold, 1949). Die anschließende Diskussion konzentrierte sich auf die Sicht des Redners, die Jagd solle als Handwerk statt als Hobby ausgeübt werden. Beyer betonte dabei, Jäger sollten sich dabei im Klaren sein, dass sie ein altes Handwerk ausüben. Bei der Diskussion um die Nutzung von Tieren, erklärte Beyer dass immer die Gesamtpopulation betrachtet werden soll. Michael Hug, Mitglied im Bundesfachausschuss Wald und Wild des NABU, stellte in seinem Beitrag die Ergebnisse der Untersuchungen des NABU zum Missbrauch der Wildfütterung vor. Auslöser für die Durchführung eigener Untersuchungen zum Thema war die Unzufriedenheit des NABU mit dem baden-württembergischen Landesjagdgesetz (LJagdG) und den darin getroffenen Regelungen zur viermonatigen Winterfütterung, zu Fütterungen und Ablenkungsfütterungen, zur ganzjährig erlaubten Kirrung für Wildschweine sowie zur hohen Eigenverantwortung des Jägers. Der NABU Landesverband Baden-Württemberg erstellte daraufhin zunächst 1999 die Broschüre „Jagd als naturnahe Landnutzung“ um Wege zu einer zeitgemäßen Jagdpraxis aufzuzeigen. Zufallsfunde und Meldungen von NABU-Aktiven über Fütterungspraktiken führten in 2000 zu einer NABU-Dokumentation „Missbräuchlicher Fütterung von Wildtieren am Beispiel des Landkreises Rastatt“. Dieses veranlasste wiederum das zuständige Landesministerium Stichprobenkontrollen der Fütterung durch die Unteren Jagdbehörden durchführen zu lassen. Am Beispiel von Fotos veranschaulichte Hug die gängigen Formen missbräuchlicher Wildfütterung. Dazu zählen u.a. die Fütterung von Rehen mit Kraftfutter (auch im Sommer), die Ausbringung verdorbener Futtermittel, die Kirrung/Fütterung von Wildschweinen mit Backwaren sowie der Einsatz drastisch überhöhter Futtermengen an Kirrungen. Nach einem Artikel in der „Pirsch“ vom Dezember 2000 mit der Aufforderung „Kein Tiermehl im Rehfutter“ untersucht der NABU Landesverband Baden Württemberg stichprobenartig Pellets mit Rehfutter. Das Ergebnis: 5 von 10 Pellets zeigten Tiermehlspuren und bedeuteten ein BSE-Risiko für Rehe. Diese Ergebnisse führten zum nächsten Ministerium-Erlass: Pellets wurden sichergestellt, erprobt und es folgte ein Verbot von Futtermitteln mit tierischem Eiweiß für Wildtiere. Der NABU Landesverband Baden-Württemberg dokumentierte in 2001 die jagdlichen Beeinträchtigungen in Naturschutzgebieten Baden-Württembergs“. Das Ergebnis war verheerend: 37% der Lebensräume in Naturschutzgebieten waren durch die Wildfütterungen beeinträchtigt. Das Ministerium veranlasste daraufhin eine sofortige Kontrolle aller Schutzgebiete. Eine Nachkontrolle des NABU in den Jahren 2001/2002 und dokumentiert unter dem Titel „Nicht gesetzeskonforme Fütterungen in den Kreisen Ortenau, Konstanz und Biberach“ brachte keine Besserungen ans Licht. Daraufhin forderte das Ministerium eine Kontrolle aller Reviere in Baden-Württemberg. Die Resultate dieser Kontrollen bestätigten die Vermutungen des NABU: die vom NABU aufgezeigten Missstände und Verstöße sind repräsentativ für ganz Baden-Württemberg. Die Fütterungsbestimmungen in der Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz (LJagdGDVO) wurden im Juli 2002 geändert:
Eine Bewertung des NABU der neuen Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz (LJagdGDVO) zeigt:
Eine Dokumentation des ÖJV in Bayern und Brandenburg im Jahr 2002 zeigte:
Gefüttert wird vor allem aus folgenden Gründen:
Die Ergebnisse von Mageninhaltsuntersuchungen erlegter Sauen aus unterschiedlichen Lebensräumen in Baden-Württemberg (Eisfeld & Hahn 1998) verdeutlichen die Größenordnung des Problems. 37% der Mageninhalte waren Futtermittel aus der Hand der Jäger. Ein erlegtes Schwein hatte bis zu 319 kg Mais (WFS 2001) gefressen. Dies bedeutet nach Berechnungen des NABU Baden-Württemberg eine Kirrpraxis von 1,3t pro Hektar pro Jahr (bei drei Kirrungen im Jagdbezirk). Die Folgen dieser Hegepraxis sind ausgesprochen negativ. Die Bestände der jagdlich attraktiven Arten werden gezielt gefördert. Die Fertilität wird gesteigert und Bestandsexplosionen (s.Wildschweine) sind die Folge. Die Fütterung führt zudem über kurz oder lang zur „Verhausschweinung“ und zur Domestikation der Wildarten. Weitere Auswirkungen können sein:
Hug schlussfolgerte hieraus, dass die seit vielen Jahren in Deutschland praktizierte Hege mit Wildfütterung ungeeignet ist, da sie Beeinträchtigungen land- und forstwirtschaftlicher Nutzung nicht vermeidet (§1 Abs. 2 BJagdG) und die Wildbestände einseitig unter dem Gesichtspunkt ihrer jagdlichen Nutzbarkeit reguliert (§19 LJagdG). Sie entspricht daher nicht den Grundprinzipien der Nachhaltigkeit und sie dient nicht dem Schutz der Biologischen Vielfalt. Eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen muss daher ein Verbot der Wildfütterung beinhalten, aber vor allem ein neues Leitbild und dadurch eine Verhaltensänderung hervorrufen: Einsicht, Ehrlichkeit und Transparenz. Denn es geht um die Bewahrung einer unmanipulierten, nachhaltig nutzbaren Ressource. Die Jagd soll zu einer legitimen Form einer nachhaltigen Nutzung entwickelt werden. Bei der anschließenden Diskussion ging es unter anderem um die Zulässigkeit der Fütterung in bestimmten Fällen, wie im harten Winter oder wenn die Bevölkerung durch Wildtiere belästigt wird. In letzterem Fall wäre eine Ablenkungsfütterung zulässig. Mayr machte darauf aufmerksam, dass beispielsweise Wildschweine die Ablenkungsfütterung als zusätzliches Angebot betrachten und sie deshalb nicht funktioniert. Überdies stimme das „Bild vom hungernden Wild“ im Winter vielerorts nicht mehr: bestimmte Wildtierarten weisen mittlerweile eher eine zu hohe Populationsdichte auf. Andere Diskussionsteilnehmer machten darauf aufmerksam, dass harte Winter durchaus zu positiven Effekten für den Wildtierbestand führen können: schwache Tiere werden erlegt und die dadurch gestärkte Population besteht aus freilebenden vom Menschen unabhängigen Tieren. Claus Mayr machte in seinem Beitrag „Zu Problematik und Ausmaß illegaler Fallenjagd in Deutschland“ darauf aufmerksam, dass die illegale Verfolgung geschützter Vogelarten in der jüngeren Vergangenheit in Deutschland kaum noch zur Kenntnis genommen wurde. Die Tötung und Nutzung wildlebender Vogelarten ist in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen verboten. Das Problem mit dem Vogelfallen besteht darin, dass die Anwendung zwar verboten ist, die Herstellung und der Verkauf jedoch nicht. Dadurch ist es möglich, dass Fallen bundesweit für den Vogelfang eingesetzt werden. Auf der Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) kann das Bundesumweltministerium die Herstellung, der Verkauf und die Anwendung von bestimmten Fallen verbieten. Auch auf der Grundlage der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) und des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) ist die Anwendung von bestimmten Fallen verboten. Die Schwerpunkte der illegaler Verfolgung sind:
Die dabei verwendete Fallentypen sind:
Einige Beispiele der aufgedeckten illegalen Anwendungen von Vogelfallen sind:
Der NABU fordert angesichts dieser illegaler Anwendungen eine Novellierung des BArtSchV:
In der anschließender Diskussion wurde die Kontrolle des Fallenverbotes als auch der in Jagdzeitschriften oftmals zu angeblichen Dekorationszwecken angebotene Kauf von Fallen angesprochen. Elisbeth Emmert, Vorsitzende des Ökologischen Jagdverbandes, formulierte in ihrem Beitrag die Anforderungen an die Jagd aus Sicht einer ökologisch nachhaltigen Forstwirtschaft. Die ungelösten Probleme im Umgang mit dem Schalenwild sind ein wesentlicher Teilbereich eines in Deutschland insgesamt reformbedürftigen Jagdwesens. Einerseits ist ein Wandel durch eine Neuorientierung innerhalb der Jagd und durch einen Wandel der Motivation und des Selbstverständnisses der Jagdausübenden erreichbar. Andererseits ist eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Realisierung einer ökologisch verantwortlichen und gesellschaftlich akzeptablen Jagd unumgänglich. Eine waldfreundliche, lebensraumorientierte Jagd ist unerlässliche Voraussetzung für naturnahe Waldentwicklung und bleibt die wichtigste jagdliche Aufgabe der Zukunft. Sie ist der Schlüssel für die Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft. Angesichts der aktuellen Umweltsituation muss sich auch die Jagd der Sicherung und Wiederherstellung einer vielfältigen Mitwelt unterordnen. Die Rahmenbedingungen für die Jagdausübung haben sich auch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert: Die Lebensräume der heimischen Tier- und Pflanzenwelt werden immer intensiver genutzt und in ihrer Größe und Qualität ständig gemindert. Folgen: deutliche Populationsrückgänge bei einigen, starke Vermehrung bei anderen Arten. Eine naturnahe Jagd muss für den Naturhaushalt unbedenklich sein. Die Erfüllung der jagdlichen Zielsetzungen und Aufgaben ist anhand objektiver Kriterien und Monitoring-Methoden im Konsens mit naturschutzfachlichen und nutzerorientierten Anforderungen nachvollziehbar nachzuweisen. Dem Tierschutz muss Rechnung getragen werden, das Töten freilebender Tiere muss sinnvoll begründbar sein beispielsweise durch eine sinnvolle materielle Verwertung der Jagdbeute oder durch die Verhütung von gravierenden Schäden in Naturhaushalt. Die Bindung des Jagdrechts an Grund und Boden ist zu erhalten, der Einfluss des Grundbesitzes zu stärken insbesondere wenn er seiner Verpflichtung für die naturnahe Gestaltung und Nutzung der Natur nachkommt. Die Jagd soll so störungsarm wie möglich mit sowohl effizienten als auch tierschutzgerechten Jagdmethoden durchgeführt werden. Sie ist in den Schutzgebieten außerdem entsprechend dem Schutzzweck zu regeln. Die Jagd steht zunehmend in der gesellschaftlichen Kritik, ihre Existenzberechtigung wird angezweifelt. Die ÖJV will der Jagd als naturnaher Tätigkeit und ursprünglicher Form der Ressourcennutzung einen sinnvollen Platz in Natur und Gesellschaft erhalten. Eine sinnvolle Jagd würde zu folgender Vision führen:
Die Realität sieht leider anders aus:
Konsequenzen Es wird ein dringender Handlungsbedarf zur Annäherung der Realität an die für die Akzeptanz der Jagd in Deutschland unerlässlichen „Vision“ deutlich. Zum Einen bedeutet dies eine Reformierung und Neuorientierung innerhalb der Jagd und einen Wandel der Motivation und des Selbstverständnisses der Jagdausübenden. Auf der anderen Seite ist auch eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Realisierung einer ökologisch verantwortlichen und gesellschaftlich akzeptablen Jagd unumgänglich. Vordringlich ist die Neuregelung der folgenden Bereiche notwendig:
Fazit Eine waldfreundliche, lebensraumorientierte Jagd als unerlässliche Voraussetzung naturnaher Waldentwicklung ist und bleibt die wichtigste jagdliche Aufgabe. Sie ist der Schlüssel zur Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft. Diskussionsbeitrag von Harald Martens, Fachgebietsleiter Zoologischer Artenschutz beim Bundesamt für Naturschutz (BfN): „Vorstellungen des Bundesamtes für Naturschutz zur Novelle des Bundesjagdgesetzes“. Der Diskussionsbeitrag von Harald Martens hatte den Titel: „Die Novellierung des BJagdG: Prüfstein für die nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen in Deutschland. Nach Harald Martens ist das BJagdG insbesondere in folgenden fünf Punkten novellierungsbedürftig:
Aus Sicht des BfN sind folgende wesentliche Änderungen erforderlich:
Ziel dieses Managementplans ist es, ein den ökologischen Verhältnissen angepasster, nutzbarer Bestand zu gewährleisten. Dabei sind Form und Umfang der Nutzung der natürlichen Ressourcen festgelegt und durch ständige Kontrolle den Verhältnissen angepasst.
Die Kürzung der Liste von derzeit 103 auf 42 jagdbare Arten soll auf der Grundlage von drei Fachkriterien stattfinden:
Der derzeitige Stand der Diskussion über die Novellierung BJagdG ist folgender: Die Vorschläge der Verbände sowie das BMU-/BfN-Positionspapier liegen vor. Der DJV lehnt eine Novellierung kategorisch ab. Das Bundesverbraucherministerium steckt noch in einer Sondierungsphase. Es fanden zwei Fachgespräche zwischen Bundesverbraucher-, Bundesumweltministerium und BfN statt. Laut Bundesverbraucherministerium wird eine Entscheidung von Bundesverbraucherministerin Künast Ende Oktober/Anfang November 2003 erwartet. Ein Referentenentwurf könnte dann im Januar 2004 vorliegen. Johanna Theunissen, NABU-Bundesvertretung Berlin |
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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder. |
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