Anforderungen an die nachhaltige jagdliche Nutzung von Wildtieren in Deutschland

Ergebnisse eines Infoseminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 28. Oktober 2003


Bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele, wie sie bei der Umwelt- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro 1992 (UNCED, United Nations Conference on Environment and Development) und nachfolgenden Prozessen, wie der Konferenz der Forstminister Europas zum Schutz der Wälder in Helsinki 1993 festgeschrieben worden sind, spielt auch die jagdliche Nutzung von Wildtierbeständen eine bedeutsame Rolle. Die Jagd nimmt Einfluss auf Wildtierpopulationen und beeinflusst direkt oder indirekt auch Ökosysteme und Lebensräume von Tieren und Pflanzen. Sie sollte daher in besonderem Maße an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit orientiert sein.

Die Bundesregierung hat für die laufende Legislaturperiode die Novellierung des Bundesjagdgesetzes im Sinne der Nachhaltigkeitsgrundsätze auf die Agenda gesetzt. Vor diesem Hintergrund sollte die Veranstaltung dazu dienen, aus der Sicht des Naturschutzes Kriterien und Indikatoren zur Beurteilung der Jagd zu finden, und somit einen Beitrag zur Einbettung von "wise use"-Ansätzen in die Novellierung des Bundesjagdgesetzes zu leisten.

Vortragsergebnisse

Gregor Beyer stellte zu Beginn seines Vortrages fest, dass der Deutsche Jagdverband (DJV) und der NABU am 7. März 1998 auf Gut Sunder eine Erklärung zur Jagd abgegeben haben, in der es heißt: „NABU und DJV erkennen die Berechtigung der Jagd als traditionelle Form der Landnutzung [...] an, und sprechen sich grundsätzlich für eine nachhaltige Nutzung [...] aus.“

Er betonte, dass aus Sicht des NABU ein jagdlicher Eingriff dann als biologisch nachhaltig zu betrachten sei, wenn

  • das Tier sinnvoll verwertet wird (Nutzungsgebot) und

  • die Population, auch lokal, weder durch die Nutzung selbst, noch durch andere Lebensraumfaktoren gefährdet ist, und

  • andere Arten oder Ihr Lebensraum nicht beeinträchtigt werden, sowie

  • Störungen von Natur und Landschaft im Hinblick auf die jagdliche Tätigkeit minimiert werden können (dazu gehört auch die Jagdunterlassung in Gebietseinheiten, deren Schutzstatus eine Bejagung grundsätzlich ausschließt).

Beyer erklärte, dass die im §1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) verankerten Begriffe Hege und Weidgerechtigkeit bisher der Ausrichtung der Jagd an Nachhaltigkeitsgrundsätzen entgegengestanden habe, da Trophäenjagd, trophäenorientierte Jagdzeiten, Wildfütterung und beliebige Jagdmethoden die Handlungsweisen dominierten. Beyer plädierte deshalb für Regeln zur guten fachlichen Praxis der Jagd, die folgendes beinhalten sollten:

  • Die Liste der jagdbaren Arten sollte gekürzt werden. Gemäß §2 BJagdG sind derzeit 25 Arten des Haarwilds und 23 Arten des Federwilds jagdbar. Der NABU schlägt folgende jagdbare Arten vor: Rothirsch, Damhirsch, Sikahirsch, Reh, Gämse, Mufflon, Wildschwein, Wildkaninchen, Fuchs, Fasan und Stockente.

  • Die Schalenwildhege nach §21 BJagdG soll an den Grundsätzen eines modernen Wildtiermanagements ausgerichtet werden. Die Abschusszahlen sollten sich am Zustand der Lebensräume statt wie bisher sich an der Höhe der (nicht zuverlässig erfassbaren) Wildbestände orientieren.

  • In der Novelle des BJagdG sollten verbindliche Rahmenregelungen zur Jagd in Schutzgebieten festgelegt werden:

  • In Kernzonen von Großschutzgebieten (Nationalparken, Biosphärenreservaten, EG-Vogelschutzgebieten und RAMSAR-Gebieten) ist die Jagdausübung grundsätzlich ausgeschlossen,

  • In allen anderen Schutzgebieten findet eine Jagdausübung nur dann statt, wenn sie dem Schutzzweck dient.

  • Bei der Bildung von Jagdbezirken müssen zukünftig auch naturschutzgeographische Komponenten Beachtung finden (Schutzgebietsgrenzen), Ziel: Schutzgebiete bilden, wo möglich einheitliche Jagdbezirke (§§ 4-8 BJagdG)

  • Die Grundrechte des Eigentümers sind zu stärken, in Konkretisierung der §§ 3-7 BJagdG:

  • Das Recht des Eigentümers, eine seinen Intentionen gem. Bejagung seines Eigentums zu verlangen (z.B. jagdlich bedingte Wildschäden abzuwehren).

  • Das Recht des Eigentümers, nicht zu einem Jagdbezirk gehören zu müssen, und Jagd nicht dulden zu müssen (insbesondere in Schutzgebieten).

  • Die Jagdzeiten sind auf einen wildtierverträglichen Umfang zu reduzieren, in Konkretisierung des §22 BJagdG:

  • Absolute Jagdruhe im Zeitraum vom 01. Februar bis zum 31. August.

  • Im verbleibenden Zeitraum ist je nach den regionalen Gegebenheiten der Umfang der Jagdausübung als Jagdintervall festzusetzen,

  • Dabei ist verbindlich eine effektive jährliche Jagdausübung an max. 30 Tagen pro Jahr zu realisieren.

  • Die Art der Bejagung ist wildtierverträglich zu gestalten, in Konkretisierung der §§ 19-22 BJagdG. Dabei gilt der Grundsatz: Realisierung eines Maximums an Jagderfolg bei einem Minimum an zeitlichem Einsatz! Dazu: Änderung aller Komponenten, die diesem Ziel entgegenstehen, z.B. Harmonisierung der Jagdzeiten mit dem Ziel, alle jagdbaren Wildarten in den festgelegten Jagdintervallen selektionslos erlegen zu können. Die Ausübung der Jagd soll als Handwerk (orientiert an handfertigen, professionellen Gesichtspunkten) nicht als Hobby (Leidenschaft und Spaß als primären Triebfedern) betrieben werden.

  • Das Staatsziel Tierschutz soll im BJagdG stärker verankert werden. Das bedeutet:

    • das Verbot der Beizjagd,

    • das Verbot der Fallenjagd (§19 BJagdG),

    • das Verbot der Jagd auf Beutegreifer (§23 BJagdG),

    • die Abschaffung des Jagdschutzes in seiner gegenwärtigen Form, insbesondere i.B. auf Hunde und Katzen (§23 BJagdG),

    • das Verbot der Hundeausbildung an lebenden Tieren.

Zum Schluss seines Vortrages betonte Beyer, dass der Jäger in seinem Verhalten nicht von einer Zuschauermenge bestimmt werden dürfe, sondern sich immer von seinem Gewissen leiten lassen müsse (frei nach Aldo Leopold, 1949).

Die anschließende Diskussion konzentrierte sich auf die Sicht des Redners, die Jagd solle als Handwerk statt als Hobby ausgeübt werden. Beyer betonte dabei, Jäger sollten sich dabei im Klaren sein, dass sie ein altes Handwerk ausüben. Bei der Diskussion um die Nutzung von Tieren, erklärte Beyer dass immer die Gesamtpopulation betrachtet werden soll.

Michael Hug, Mitglied im Bundesfachausschuss Wald und Wild des NABU, stellte in seinem Beitrag die Ergebnisse der Untersuchungen des NABU zum Missbrauch der Wildfütterung vor. Auslöser für die Durchführung eigener Untersuchungen zum Thema war die Unzufriedenheit des NABU mit dem baden-württembergischen Landesjagdgesetz (LJagdG) und den darin getroffenen Regelungen zur viermonatigen Winterfütterung, zu Fütterungen und Ablenkungsfütterungen, zur ganzjährig erlaubten Kirrung für Wildschweine sowie zur hohen Eigenverantwortung des Jägers.

Der NABU Landesverband Baden-Württemberg erstellte daraufhin zunächst 1999 die Broschüre „Jagd als naturnahe Landnutzung“ um Wege zu einer zeitgemäßen Jagdpraxis aufzuzeigen. Zufallsfunde und Meldungen von NABU-Aktiven über Fütterungspraktiken führten in 2000 zu einer NABU-Dokumentation „Missbräuchlicher Fütterung von Wildtieren am Beispiel des Landkreises Rastatt“. Dieses veranlasste wiederum das zuständige Landesministerium Stichprobenkontrollen der Fütterung durch die Unteren Jagdbehörden durchführen zu lassen.

Am Beispiel von Fotos veranschaulichte Hug die gängigen Formen missbräuchlicher Wildfütterung. Dazu zählen u.a. die Fütterung von Rehen mit Kraftfutter (auch im Sommer), die Ausbringung verdorbener Futtermittel, die Kirrung/Fütterung von Wildschweinen mit Backwaren sowie der Einsatz drastisch überhöhter Futtermengen an Kirrungen.

Nach einem Artikel in der „Pirsch“ vom Dezember 2000 mit der Aufforderung „Kein Tiermehl im Rehfutter“ untersucht der NABU Landesverband Baden Württemberg stichprobenartig Pellets mit Rehfutter. Das Ergebnis: 5 von 10 Pellets zeigten Tiermehlspuren und bedeuteten ein BSE-Risiko für Rehe. Diese Ergebnisse führten zum nächsten Ministerium-Erlass: Pellets wurden sichergestellt, erprobt und es folgte ein Verbot von Futtermitteln mit tierischem Eiweiß für Wildtiere.

Der NABU Landesverband Baden-Württemberg dokumentierte in 2001 die jagdlichen Beeinträchtigungen in Naturschutzgebieten Baden-Württembergs“. Das Ergebnis war verheerend: 37% der Lebensräume in Naturschutzgebieten waren durch die Wildfütterungen beeinträchtigt. Das Ministerium veranlasste daraufhin eine sofortige Kontrolle aller Schutzgebiete.

Eine Nachkontrolle des NABU in den Jahren 2001/2002 und dokumentiert unter dem Titel „Nicht gesetzeskonforme Fütterungen in den Kreisen Ortenau, Konstanz und Biberach“ brachte keine Besserungen ans Licht. Daraufhin forderte das Ministerium eine Kontrolle aller Reviere in Baden-Württemberg. Die Resultate dieser Kontrollen bestätigten die Vermutungen des NABU: die vom NABU aufgezeigten Missstände und Verstöße sind repräsentativ für ganz Baden-Württemberg. Die Fütterungsbestimmungen in der Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz (LJagdGDVO) wurden im Juli 2002 geändert:

  • weitestgehendes Kraftfutterverbot für Wildwiederkäuer (z.B. Rehe),

  • Begrenzung der Futtermenge und der Anzahl an Lockfütterungen (Kirrung) pro Jagdbezirk,

  • Verbot von Futtermitteln mit tierischem Eiweiß,

  • verdorbenes Futter und Futter nach Ablauf des gesetzlich erlaubten Zeitraums müssen entfernt werden,

  • durchgehende Bußgeldbewehrung.

Eine Bewertung des NABU der neuen Durchführungsverordnung zum Landesjagdgesetz (LJagdGDVO) zeigt:

  • bei Wildschweinen findet weiterhin ein unkontrolliert hoher Energie-Input statt:

  • durch viermonatige Winterfütterung und Ablenkungsfütterung

  • durch eine Ganzjahresfütterung (Kirrung)

  • bei Wildwiederkäuern konnte eine Verringerung der Kraftfütterung festgestellt werden,

  • die Öffentlichkeit wird für die „Verbrauchertäuschung“ sensibilisiert,

  • die (LJagdGDVO) ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Eine Dokumentation des ÖJV in Bayern und Brandenburg im Jahr 2002 zeigte:

  • Missbräuche bei der Wildfütterung sind unabhängig von den jeweiligen Länderregelungen bundesweit zu finden.

  • Es besteht Mangel im Vollzug der aktuellen Regelungen.

  • Die Missbräuche sind Ausdruck der individuellen Einstellung des Jagdausübenden.

Gefüttert wird vor allem aus folgenden Gründen:

  • Hegepflicht im §1 BJagdG und Schutz vor Futternot im §23 BJagdG),

  • Vermeidung von Wildschäden,

  • Bindung an das eigene Revier,

  • bessere Trophäenqualität,

  • höhere Wildbretgewichte

  • leichtere Erlegbarkeit, Jagdvergnügen

Die Ergebnisse von Mageninhaltsuntersuchungen erlegter Sauen aus unterschiedlichen Lebensräumen in Baden-Württemberg (Eisfeld & Hahn 1998) verdeutlichen die Größenordnung des Problems. 37% der Mageninhalte waren Futtermittel aus der Hand der Jäger. Ein erlegtes Schwein hatte bis zu 319 kg Mais (WFS 2001) gefressen. Dies bedeutet nach Berechnungen des NABU Baden-Württemberg eine Kirrpraxis von 1,3t pro Hektar pro Jahr (bei drei Kirrungen im Jagdbezirk).

Die Folgen dieser Hegepraxis sind ausgesprochen negativ. Die Bestände der jagdlich attraktiven Arten werden gezielt gefördert. Die Fertilität wird gesteigert und Bestandsexplosionen (s.Wildschweine) sind die Folge. Die Fütterung führt zudem über kurz oder lang zur „Verhausschweinung“ und zur Domestikation der Wildarten. Weitere Auswirkungen können sein:

  • Verdauungsstörungen, Übersäuerung, Tod (Rehe),

  • erhöhter Verbiss an Waldbäumen (Kompensation trockener, energiereicher Nahrung),

  • Schäden in der Landwirtschaft (Kompensation: Aufnahme von tierischem Eiweiß),

  • Beeinträchtigungen des Naturhaushalts,

  • Manipulation eines natürlichen, gesunden Lebensmittels (BSE-Risiko, Antibiotika, Entwurmungsmittel usw.)

Hug schlussfolgerte hieraus, dass die seit vielen Jahren in Deutschland praktizierte Hege mit Wildfütterung ungeeignet ist, da sie Beeinträchtigungen land- und forstwirtschaftlicher Nutzung nicht vermeidet (§1 Abs. 2 BJagdG) und die Wildbestände einseitig unter dem Gesichtspunkt ihrer jagdlichen Nutzbarkeit reguliert (§19 LJagdG).

Sie entspricht daher nicht den Grundprinzipien der Nachhaltigkeit und sie dient nicht dem Schutz der Biologischen Vielfalt.

Eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen muss daher ein Verbot der Wildfütterung beinhalten, aber vor allem ein neues Leitbild und dadurch eine Verhaltensänderung hervorrufen: Einsicht, Ehrlichkeit und Transparenz. Denn es geht um die Bewahrung einer unmanipulierten, nachhaltig nutzbaren Ressource. Die Jagd soll zu einer legitimen Form einer nachhaltigen Nutzung entwickelt werden.

Bei der anschließenden Diskussion ging es unter anderem um die Zulässigkeit der Fütterung in bestimmten Fällen, wie im harten Winter oder wenn die Bevölkerung durch Wildtiere belästigt wird. In letzterem Fall wäre eine Ablenkungsfütterung zulässig. Mayr machte darauf aufmerksam, dass beispielsweise Wildschweine die Ablenkungsfütterung als zusätzliches Angebot betrachten und sie deshalb nicht funktioniert. Überdies stimme das „Bild vom hungernden Wild“ im Winter vielerorts nicht mehr: bestimmte Wildtierarten weisen mittlerweile eher eine zu hohe Populationsdichte auf. Andere Diskussionsteilnehmer machten darauf aufmerksam, dass harte Winter durchaus zu positiven Effekten für den Wildtierbestand führen können: schwache Tiere werden erlegt und die dadurch gestärkte Population besteht aus freilebenden vom Menschen unabhängigen Tieren.

Claus Mayr machte in seinem Beitrag „Zu Problematik und Ausmaß illegaler Fallenjagd in Deutschland“ darauf aufmerksam, dass die illegale Verfolgung geschützter Vogelarten in der jüngeren Vergangenheit in Deutschland kaum noch zur Kenntnis genommen wurde. Die Tötung und Nutzung wildlebender Vogelarten ist in Deutschland bis auf wenige Ausnahmen verboten. Das Problem mit dem Vogelfallen besteht darin, dass die Anwendung zwar verboten ist, die Herstellung und der Verkauf jedoch nicht. Dadurch ist es möglich, dass Fallen bundesweit für den Vogelfang eingesetzt werden.

Auf der Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) kann das Bundesumweltministerium die Herstellung, der Verkauf und die Anwendung von bestimmten Fallen verbieten. Auch auf der Grundlage der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) und des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) ist die Anwendung von bestimmten Fallen verboten.

Die Schwerpunkte der illegaler Verfolgung sind:

  • die Verfolgung von Greifvögeln durch Tauben- und Hühnerhalter (Habicht, Mäusebussard und Rotmilan),

  • die Verfolgung von Greifvögeln zur Niederwildhege,

  • der Fang von Singvögeln für Haltung und Handel,

  • das Töten von Vögeln zu Präparationszwecken,

  • der Einsatz von Schädlingsfallen gegen Sperlinge.

Die dabei verwendete Fallentypen sind:

  • der Habichtsfangkorb,

  • das Tellereisen,

  • das Abzugeisen,

  • der Kleinvogelfangkorb,

  • die Leimruten.

Einige Beispiele der aufgedeckten illegalen Anwendungen von Vogelfallen sind:

  • Bei Erp (Kreis Düren) im April 2003: Das Komitee gegen den Vogelmord und die Biologische Station Düren lassen von der Polizei einen Habichtsfangkorb mit einer Köder-Taube sicherstellen.

  • Lehnin im April 1995: Ein adultes Habichtsweibchen war auf einem Hühnerhof eines ehemaligen Revierförsters zur Abschreckung aufgehängt.

  • Eberswalde im März 1997: Spielende Kinder finden an einem offen zugänglichen Wanderweg zwei Tellereisen mit einem Habicht und einer Locktaube.

  • Paulinenaue im Februar 1997: Auf dem Dach einer Sommerlaube wurde ein fängisch gestellter Korb sichergestellt. Beim Besitzer wurden außerdem ein Habichtspräparat und zwei Tellereisen beschlagnahmt.

  • In Wittstock und Eberswalde im Februar 2003: Bei der Durchsuchung einer Präparationsfirma in Brandenburg werden über 300 Tieren beschlagnahmt (Großtrappe, Reiher, Kolkrabe, Adlerküken, Habicht, Mäusebussard).

Der NABU fordert angesichts dieser illegaler Anwendungen eine Novellierung des BArtSchV:

  • Ein Verbot von Herstellung, Verkauf und Verwendung von Vogelfallen, nicht-selektiven Fallen, Netzen und Leimen.

  • Der Verkauf jagdlich zugelassener Fallen soll nur gegen Vorlage der Jagdberechtigung zugelassen sein.

  • Als langfristiges Ziel: ein Verbot jeglicher Fallenjagd auch im Rahmen des Jagdrechtes.

In der anschließender Diskussion wurde die Kontrolle des Fallenverbotes als auch der in Jagdzeitschriften oftmals zu angeblichen Dekorationszwecken angebotene Kauf von Fallen angesprochen.

Elisbeth Emmert, Vorsitzende des Ökologischen Jagdverbandes, formulierte in ihrem Beitrag die Anforderungen an die Jagd aus Sicht einer ökologisch nachhaltigen Forstwirtschaft.

Die ungelösten Probleme im Umgang mit dem Schalenwild sind ein wesentlicher Teilbereich eines in Deutschland insgesamt reformbedürftigen Jagdwesens. Einerseits ist ein Wandel durch eine Neuorientierung innerhalb der Jagd und durch einen Wandel der Motivation und des Selbstverständnisses der Jagdausübenden erreichbar. Andererseits ist eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Realisierung einer ökologisch verantwortlichen und gesellschaftlich akzeptablen Jagd unumgänglich. Eine waldfreundliche, lebensraumorientierte Jagd ist unerlässliche Voraussetzung für naturnahe Waldentwicklung und bleibt die wichtigste jagdliche Aufgabe der Zukunft. Sie ist der Schlüssel für die Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft.

Angesichts der aktuellen Umweltsituation muss sich auch die Jagd der Sicherung und Wiederherstellung einer vielfältigen Mitwelt unterordnen. Die Rahmenbedingungen für die Jagdausübung haben sich auch in Deutschland in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert: Die Lebensräume der heimischen Tier- und Pflanzenwelt werden immer intensiver genutzt und in ihrer Größe und Qualität ständig gemindert. Folgen: deutliche Populationsrückgänge bei einigen, starke Vermehrung bei anderen Arten.

Eine naturnahe Jagd muss für den Naturhaushalt unbedenklich sein. Die Erfüllung der jagdlichen Zielsetzungen und Aufgaben ist anhand objektiver Kriterien und Monitoring-Methoden im Konsens mit naturschutzfachlichen und nutzerorientierten Anforderungen nachvollziehbar nachzuweisen. Dem Tierschutz muss Rechnung getragen werden, das Töten freilebender Tiere muss sinnvoll begründbar sein beispielsweise durch eine sinnvolle materielle Verwertung der Jagdbeute oder durch die Verhütung von gravierenden Schäden in Naturhaushalt. Die Bindung des Jagdrechts an Grund und Boden ist zu erhalten, der Einfluss des Grundbesitzes zu stärken insbesondere wenn er seiner Verpflichtung für die naturnahe Gestaltung und Nutzung der Natur nachkommt. Die Jagd soll so störungsarm wie möglich mit sowohl effizienten als auch tierschutzgerechten Jagdmethoden durchgeführt werden. Sie ist in den Schutzgebieten außerdem entsprechend dem Schutzzweck zu regeln.

Die Jagd steht zunehmend in der gesellschaftlichen Kritik, ihre Existenzberechtigung wird angezweifelt. Die ÖJV will der Jagd als naturnaher Tätigkeit und ursprünglicher Form der Ressourcennutzung einen sinnvollen Platz in Natur und Gesellschaft erhalten.

Eine sinnvolle Jagd würde zu folgender Vision führen:

  • Wald und Schalenwild befinden sich in einem dynamischen Gleichgewicht, alle standortheimischen Pflanzenarten können hier aufwachsen. Der Einfluss des Schalenwildes auf seinen Lebensraum wird durch objektive Weisermethoden dokumentiert. Punktuelle Schäden werden gerecht und zukunftsweisend ausgeglichen.

  • Die Wildbestände sind der natürlichen Lebensraumkapazität angepasst. Die Abschusszahlen zeichnen die natürlichen Populationsschwankungen nach. Kurze Jagdzeiten mit effektiven Methoden fördern die Sichtbarkeit und Vertrautheit des Wildes.

  • Die Jagdmethoden sind möglichst störungsarm und tierschutzgerecht und den veränderten Anforderungen strukturreicher Wälder angepasst. Die Jagdzeiten sind harmonisiert, handwerklich sinnvolle Mittel wie Schrotschuss auf Rehwild, sind liberalisiert. Die Abschusskriterien sind an Erfordernissen der Wildbiologie und des Lebensraumschutzes orientiert.

  • In Naturschutzgebieten und Nationalparks tritt das Nutzungsinteresse hinter das Primat des Naturschutzes zurück. Die Jagdausübenden sind sich des Störeffekts der Jagd bewusst.

  • Die Ausbildung der JägerInnen ist praxisnah und ökologisch und wildbiologisch „up to date“. Die Schießausbildung erfolgt analog der angewandten Jagdmethoden. Der Begriff der „deutschen Waidgerechtigkeit“ wird durch eine zeitgemäße und tierschutzgerechte Jagdethik ersetzt. Das Hegegebot wird durch eine umfassende Sicht ökologischer Zusammenhänge ersetzt.

  • Der Wille mündiger GrundbesitzerInner als eigentlicher Inhaber des Jagdrechts wird von den Jagdausübenden respektiert. Der Zugang zur Jagdausübung ist von den handwerklichen Qualitäten und dem Einsatzwillen abhängig, nicht von der finanziellen Kapazität der JagdscheininhaberInnen.

  • Die Jagd wird von der Gesellschaft als sinnvolle Nutzung und notwendiger Eingriff in Tierbestände akzeptiert. Die sinnvolle Verwertung der Naturprodukte ist gesichert.

Die Realität sieht leider anders aus:

  • Die Wildwiederkäuer, die nicht an die natürlichen Lebensräume angepasst und durch einseitige Hegemaßnahmen sogar zusätzlich gefördert sind, verursachen untragbare Schäden an der Gehölzverjüngung und Bodenvegetation. Dadurch können waldbauliche Ziele wie Verjüngung und das Aufwachsen von standortheimischen Gehölzen nicht erreicht werden. Der deutsche Wald ist ein Wald der Zäune: Einzelschutzmaßnahmen werden immer weiter perfektioniert um wenigstens punktuell erwünschte Mischbaumarten in den artenarmen Wald zu bekommen. Aber trotzdem: Verbissgutachten werden nicht in allen Bundesländern als maßgebliche Grundlage für di Abschussplanung herangezogen. Nach dem Bundesjagdgesetz sind nur die „Hauptbaumarten“ ersatzpflichtig, der Umbau nicht standortgemäßer Bestände wird dadurch deutlich erschwert.

  • Es werden bürokratisch festgelegte Bewirtschaftungsbezirke eingehalten, die zusammen mit dominierenden Revieregoismen ein wesentlicher Grund für die ungleiche und nicht an die natürlichen Lebensgrundlagen angepasste Verteilung des Wildes sind. Auf der einen Seite existieren stetig steigende Abschusszahlen, auf der anderen Seite ist die Bejagung zurückhaltend begleitet von einer intensiven Wildfütterung. Dies verursachte eine Verzwanzigfachung der Schwarzwildbestände von 1950 bis 1989: Das Problem der ausufernden Wildschweinbestände ist hausgemacht. Die Fütterung als „Managementmethode“ wild immer noch als unerlässlich erachtet. Lange Jagzeiten und uneffektive Jagdmethoden machen das Wild scheu, verändern artspezifisches Verhalten und Beobachtbarkeit drastisch.

  • In der Praxis dominieren lange Jagdzeiten und wenig effektive Jagdmethoden: Fixierung auf die Erlegung eines Trophäenträgers als hohe Schule des Weidwerks. Die in naturnahen, strukturreichen Wäldern zunehmend wichtiger werdenden Bewegungsjagden werden immer noch in Misskredit gebracht. Die Entbürokratisierung der Abschussgrundlagen geht nur sehr langsam vor sich, die Bürokratie bei der Abschusserfüllung und –meldung treibt seltsame Blüten. In vielen Bundesländern existieren gar Pflichttrophäenschauen. Der Schrotschutz auf Rehwild und gestreifte Frischlinge wird als emotional besetztes Tabuthema und letzte Bastion traditioneller Weidgerechtigkeit behandelt.

  • Auch in Naturschutzgebieten und Nationalparks treten zum Teil gravierende Schäden an der Vegetation auf. Vorgaben oder Einschränkungen für die Jagd werden nur in Ausnahmefälle in den jeweiligen Verordnungen vorgegeben. Der Störeffekt der Jagd wild von hochrangigen DJV-Funktionären bestritten.

  • Eine im Herbst und Winter komprimierte Jagdzeit läuft dem Interesse an permanentem Jagdvergnügen zuwider. Ein Schießleistungsnachweis wurde nicht gesetzlich verankert. Die etablierte Jägerschaft kann den überholten Begriff der „deutschen Waidgerechtigkeit“ nicht verständlich und stichhaltig definieren.

  • Die wirtschaftlichen Gesamteinbußen (Schutzmaßnahmen, Verbissschäden, nicht erfolgte Waldverjüngung etc.) belaufen sich auf ca. 0,25 Mrd. Euro und betragen mehr als 10% des Umsatzes aus dem Verkauf von Holz.

  • Die Jagd steht immer mehr im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik.

Konsequenzen

Es wird ein dringender Handlungsbedarf zur Annäherung der Realität an die für die Akzeptanz der Jagd in Deutschland unerlässlichen „Vision“ deutlich. Zum Einen bedeutet dies eine Reformierung und Neuorientierung innerhalb der Jagd und einen Wandel der Motivation und des Selbstverständnisses der Jagdausübenden. Auf der anderen Seite ist auch eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Realisierung einer ökologisch verantwortlichen und gesellschaftlich akzeptablen Jagd unumgänglich. Vordringlich ist die Neuregelung der folgenden Bereiche notwendig:

  • Ersatz der Begriffe und Inhalte von „Hege“ und „Waidgerechtigkeit“ durch Lebensraumverbesserung und Tierschutzgerechtigkeit

  • Verkürzung der Liste der jagdbaren Tierarten

  • Stärkung des Einflusses der Grundeigentümer als eigentlicher Inhaber des Jagdrechtes

  • Lösung der Wald-Schalenwild-Problematik

  • Einschränkung der Fallenjagd

  • Kein Aussetzen von dem Jagdrecht unterliegenden Tieren

  • Unterordnung der Jagd in Schutzgebieten unter den Schutzzweck

  • Verbesserung der jagdlichen Aus- und Fortbildung

  • Neuformulierung des Jagdschutzes ohne pauschale Abschusserlaubnis von Hunden und Katzen.

Fazit

Eine waldfreundliche, lebensraumorientierte Jagd als unerlässliche Voraussetzung naturnaher Waldentwicklung ist und bleibt die wichtigste jagdliche Aufgabe. Sie ist der Schlüssel zur Akzeptanz der Jagd in der Gesellschaft.

Diskussionsbeitrag von Harald Martens, Fachgebietsleiter Zoologischer Artenschutz beim Bundesamt für Naturschutz (BfN): „Vorstellungen des Bundesamtes für Naturschutz zur Novelle des Bundesjagdgesetzes“.

Der Diskussionsbeitrag von Harald Martens hatte den Titel: „Die Novellierung des BJagdG: Prüfstein für die nachhaltige Nutzung biologischer Ressourcen in Deutschland.

Nach Harald Martens ist das BJagdG insbesondere in folgenden fünf Punkten novellierungsbedürftig:

  •  Das BJagdG orientiert sich an einem ökologisch und wildbiologisch überholten, zum Teil widersinnigen Verständnis von Wildtier-Nutzung.

  • Das BJagdG ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse sowie europäische und supranationale Vorschriften zur Erhaltung gefährdeter Tierarten.

  • Das BJagdG erschwert eine im Sinne der naturnahe Waldbewirtschaftung effiziente Bejagung des Schalenwildes.

  • Das BJagdG beinhaltet zahlreiche unbestimmte (Rechts-) Begriffe und vage formulierte Vorschriften mit weitem Interpretationsspielraum.

  • Und erfüllt deshalb nicht die Anforderungen an ein Rechtsinstrument zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Deutschland.

Aus Sicht des BfN sind folgende wesentliche Änderungen erforderlich:

  • Eine Neuorientierung der Jagd mit dem vorrangigen Ziel, das Nachhaltigkeitsprinzip umzusetzen.

  • Das Jagdrecht und die Jagdpraxis sollen im Einklang mit nationalen und europäischen Regelungen zum Naturschutz (zum Beispiel geschützte bzw. gebietsfremde Arten, Fallenjagd) ausgerichtet sein.

  • Es soll ein ganzheitliches Ökologieverständnis anstelle von Revierdenken (zum Beispiel Verbiss-Schäden, wandernde Arten) entwickelt werden.

  • Es soll mehr Verantwortung für den Naturhaushalt eingeräumt werden, weniger sture Traditionspflege (zum Beispiel Wildfütterung, Trophäenjagd, Weidgerechtigkeit)

  • Die Nutzung jagdbarer Arten auf der Grundlage von Managementplänen

  • Es darf keine Nutzung ohne Managementplan stattfinden

  • Es soll ein Monitoring „interner“ Faktoren stattfinden: zum Beispiel biologische Grunddaten, Festlegung ggf. Modifizierung des Nutzungumfangs, Kontrolle der Umsetzung.

  • Ebenso ein Monitoring „externer“ Faktoren: zum Beispiel überregionale/internationale Auswirkungen

  • Es müssen Korrekturmechanismen eingebaut werden: zum Beispiel Sanktionen.

Ziel dieses Managementplans ist es, ein den ökologischen Verhältnissen angepasster, nutzbarer Bestand zu gewährleisten. Dabei sind Form und Umfang der Nutzung der natürlichen Ressourcen festgelegt und durch ständige Kontrolle den Verhältnissen angepasst.

  • Die lebensraumorientierte Gestaltung von Jagdbezirken unter Berücksichtigung jagdfreier Schutzgebiete.

  • Der Zuschnitt von Jagdbezirken muss natürliche Gegebenheiten berücksichtigen

  • Die Jagd in Schutzgebieten muss mit den jeweiligen Schutzzielen vereinbar sein.

  • Es darf keine Jagd in Teilen von Nationalparken stattfinden, die dem „ungestörten Ablauf der Naturvorgänge dienen“

  • Die Kürzung der Liste der jagdbaren Arten.

Die Kürzung der Liste von derzeit 103 auf 42 jagdbare Arten soll auf der Grundlage von drei Fachkriterien stattfinden:

  • Die Art ist durch die FFH- bzw. Vogelschutz-Richtlinie oder das Seehund-Abkommen (CWSS) geschützt.

  • Die Art wird in den bundesweiten Roten Liste Tiere (Kategorie 0, 1 oder R) geführt.

  • Es besteht kein jagdliches konsumtives Nutzungsinteresse an der Art.

Der derzeitige Stand der Diskussion über die Novellierung BJagdG ist folgender:

Die Vorschläge der Verbände sowie das BMU-/BfN-Positionspapier liegen vor. Der DJV lehnt eine Novellierung kategorisch ab. Das Bundesverbraucherministerium steckt noch in einer Sondierungsphase. Es fanden zwei Fachgespräche zwischen Bundesverbraucher-, Bundesumweltministerium und BfN statt. Laut Bundesverbraucherministerium wird eine Entscheidung von Bundesverbraucherministerin Künast Ende Oktober/Anfang November 2003 erwartet. Ein Referentenentwurf könnte dann im Januar 2004 vorliegen.

Johanna Theunissen, NABU-Bundesvertretung Berlin


Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.