Arten- und Biotopschutz nach Feierabend - Instrumente zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements im Naturschutz

Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 19.10. - 20.10.2002


Ziele und Inhalte

Die Geschichte de freiwilligen, ehrenamtlichen Engagements in Naturschutzverbänden ist mehr als 100 Jahre alt. Nach Schätzungen des Bundesamt für Naturschutz sind rund 3,5 Millionen Bundesbürger Mitglied in einem anerkannten Naturschutzverband. Die Zahl der aktiven Ehrenamtler dürfte derzeit zwischen 200.000 und 300.000 Personen liegen. Ohne die Arbeit dieser Freiwilligen wäre es um den Fortbestand vieler Arten und ihrer Lebensräume schlecht bestellt. Sie sind es, die mit ihrer unbezahlten Freizeit- oder Feierabendtätigkeit einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass die internationalen und nationalen Naturschutzgesetze mit Leben erfüllen werden.

In enger Zusammenarbeit von ehrenamtlichem und hauptamtlichen Naturschutz hat der staatliche Naturschutz eine seiner wichtigsten Ressourcen und Partner. Daneben haben sich zum Teil neue Formen einer institutionalisierten Zusammenarbeit von ehrenamtlichem und hauptamtlichen Naturschutz entwickelt. So leisten Naturschutz? oder Landschaftswächter einen wesentlichen Beitrag zum Vollzug wie zur Akzeptanz des Naturschutzes. Mit Biber-, Luchs- oder Wespenberatern entwickelten sich weitere Formen der Kooperation. Die wichtigste Rolle im ehrenamtlichen Naturschutz spielen aber die nach § 29 Bundesnaturschutzgesetz anerkannten Verbände, die an der Vorbereitung von untergesetzlichen Regelwerken, bei der Planung und bei vielen Verwaltungsverfahren mit naturschutzrechtlichem Bezug mitwirken.

Obwohl die Politik nicht müde wird, dass hohe Lied des ehrenamtlichen Bürgerengagements im Naturschutz zu singen, zeigt sich im Alltag der Verbände, dass die ehrenamtlichen Reihen zunehmend lichter werden. Doch sind für diesen Trend ausschließlich gesellschaftliche und vom Zeitgeist bestimmte Ursachen verantwortlich oder spielen auch andere Faktoren eine Rolle?

Ziel des Workshops war es, im Dialog mit aktiven Freiwilligen aus den Verbänden wichtige "Stolpersteine" für das ehrenamtlich Engagement zu identifizieren und zu analysieren sowie im weiteren Instrumente zur Förderung des ehrenamtlichen Naturschutzengagements zu diskutieren.

Der Berichterstatter legt Wert auf die Feststellung, dass die nachfolgenden Ausführungen nicht das Ergebnis eines wissenschaftlichen Analyseprozesses darstellen. Sie zeichnen vielmehr die von den Teilnehmern in Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden geäußerten Meinungen und Positionen wieder.

Triebfedern für ehrenamtliches Engagement im Naturschutz

Nach Angaben der Enquete-Kommission "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" des Deutschen Bundestages sind 21,6 Millionen Bürger/innen, das entspricht 34% der Bundesbürger, ehrenamtlich tätig. Insgesamt werden rund 56 Milliarden Stunden sogenannter "ehrenamtlicher Arbeit" geleistet. Bürgerschaftliches Engagement findet in den verschiedensten Handlungsfeldern (Sport, Kultur, Kirchen und Religionsgemeinschaften, Umwelt und Soziales) statt. Auf die Natur- und Umweltverbände entfallen rund 3% der Gesamtleistung.

Zunächst beleuchtet die Veranstaltung die Frage des Spektrums der Freiwilligen-Arbeit in Naturschutzverbänden. Dabei zeigte sich, dass Freiwillige in erster Linie die Aufgabenbereichen Arten- und Biotopschutz, Öffentlichkeitsarbeit, Umweltbildung Naturschutzberatung und -politik sowie Mitgliedergewinnung und -betreuung besetzen. Einzelne engagieren sich im Auftrag von Ländern und Gemeinden als Naturschutzbeauftragte, Schutzgebietsbetreuer oder als Angehörige der Natur- oder Landschaftswacht. Während die letztgenannten Aufgaben im engeren Sinne des Wortes ehrenamtliche Tätigkeiten sind, sind die verbandsspezifischen Aufgaben typische freiwillige Tätigkeiten.

Folgt man den Auskünften und Diskussionen der Veranstaltungsteilnehmern, so sind die Motive für freiwilliges Engagement ausgesprochen vielgestaltig. Das reflektierte Spektrum der persönlichen Triebfedern reichte von der Lust an der Natur über die Verantwortung zur Bewahrung der Schöpfung bis hin zur persönlichen Betroffenheit durch Naturzerstörungen. Aber auch der Wunsch nach Anerkennung, Geltungsbewusstsein oder die berufliche Verwertbarkeit, der in der Verbandsarbeit gewonnenen Erfahrungen, wurden als wichtige Beweggründe genannt.

Die Motivlagen der Freiwilligen im Naturschutz dürften sich damit nur unwesentlich von den Beweggründen, die von Freiwilligen anderer Organisationen und Verbände als Begründung für bürgerschaftliches Engagement genannt werden, unterscheiden. Lediglich die Zielobjekte der freiwilligen Aktivitäten differieren.

Bei näherem Hinsehen ließen sich unter den Teilnehmern auch die in sozialwissenschaftlichen Untersuchungen beschriebenen drei Grundtypen von Freiwilligen entdecken. Da wären zum einen die Vertreter des "klassischen Ehrenamts" zu nennen. Dabei handelt es sich um Menschen, deren Engagement altruistische Ansätze zeigt. Sie werden aktiv, weil sie sich berufen fühlen, der notleidenden Natur, die sich selbst nicht wehren kann, helfen zu müssen. Andere betrachten Naturschutzverbände als eine Art Selbsthilfegruppe, in der sie Mitstreiter und Unterstützung für persönliche Anliegen suchen. Diesem Aktiven-Typus entsprechen beispielsweise jene Menschen, die sich aus Gründen persönlicher Betroffenheit gegen den Bau von Umgehungstrassen wehren wollen, und sich über ihr Engagement die Unterstützung der Gruppe sichern wollen. Darüber hinaus sind unter den Freiwilligen der Naturschutzverbände aber auch jene Menschen zu finden, die eher dem Typ des "neuen Ehrenamtlichen" entsprechen. Ihr Engagement ist durch das Motiv "Geben und Nehmen" gekennzeichnet. Sie bringen sich in die Arbeit der Verbände ein, erwarten dafür aber eine mehr oder weniger konkrete Form von "Rückvergütung" (z.B. Zugang zu Informationen, persönliche Anerkennung, Erwerb privat oder beruflich verwertbarer Kenntnisse und Fertigkeiten).

Es bleibt festzuhalten, dass es den typischen freiwilligen Naturschützer oder die typische freiwillige Naturschützerin nicht gibt. Unter dem Dach der Naturschutzverbände vereinigen sich Menschen verschiedenster Grunddispositionen, mit vollkommen unterschiedlichen Rollenverständnissen hinsichtlich ihrer freiwilligen Tätigkeit und zum Teil sehr divergierenden Erwartungen an die Rolle "ihres Verbandes". Da wäre der engagierte Vogelbeobachter, der im Verein mit Gleichgesinnten seinem Hobby nachgehen will und den Verein als Vermittlungsstelle betrachtet, ebenso zu nennen, wie die hochkompetente Autodidaktin zum Thema Umweltschadstoffe, die sich über den Verein Gehör verschaffen will oder der kommunalpolitisch aktive Naturschutz-Allrounder.

Die Naturschutzverbände sind also ein "Schmelztiegel" für natur- und umweltinteressierte Bürgerinnen und Bürger. Sie müssten daher richtigerweise eher als Bürgerbewegungen denn als Organisationen bezeichnet werden. Diese Voraussetzungen gilt es bei der Entwicklung von Strategien und Instrumenten zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in den Naturschutzverbänden zu berücksichtigen; denn in ihnen liegen unter Umständen die Wurzeln für die von den Teilnehmern im weiteren beschriebenen "Freiwilligkeits-Killer" verborgen.

"Ehrenamts-Killer"

Als wichtige Stellgrößen für nachlassendes ehrenamtliche Engagement nannten die Teilnehmer "mangelhafte Strukturen" und "nicht erkennbare strategische Ziele". In die gleiche Richtung deuten auch Argumente wie "schlechter Informationsfluss" und "geringe Kooperation". Kommen dann noch "fehlende Anerkennung und Unterstützung" hinzu, vergeht vielen Freiwilligen im wahrsten Sinne des Wortes der Spaß an der ansonsten guten Sache.

Auch die Gestaltung des Verhältnisses zwischen Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen kann in diesem Zusammenhang von Relevanz sein. Ist da Beziehungsgefüge zwischen diesen Personengruppen nicht hinreichend klar geregelt, so sind unter Umständen beiderseitige Irritationen, Motivations- oder Engagementsverluste die Folge. Die Diskussionen zu diesem Themenkomplex zeigten, dass die Freiwilligen sehr wohl um den Stellenwert der hauptamtlichen Beschäftigten für den Erfolg der Naturschutzverbände wissen, deren Tätigkeit aber dennoch auch kritisch beäugen. Hauptamtliche scheinen solange akzeptiert zu werden, wie sie sich als "Servicepartner" der Freiwilligen definieren und sie bei der Arbeit unterstützen. Gewinnen die Ehrenamtlichen hingegen den Eindruck, dass sie von den Hauptamtlichen in die Rolle von Hilfskräften gedrängt werden, so können Spannungen bis hin zur Verweigerung des weiteren freiwilligen Engagements die Folge sein.

Möglichkeiten zur Steigerung des ehrenamtlichen Engagements im Naturschutz

Vor dem Hintergrund sich verändernder gesellschaftlicher Rahmenbedingungen stehen die Naturschutzverbände heute vor der großen Herausforderung, sich mit den Fragen zur Zukunft des ehrenamtlichen Engagements beschäftigen zu müssen. Folgt man den allgemeinen Diskussionen zur Zukunft des Ehrenamts in der modernen Gesellschaft, so werden sehr unterschiedliche, zum Teil sogar widersprüchliche Positionen deutlich. Während die eine Seite die Zukunft des Ehrenamts eher pessimistisch sieht und die wachsende Individualisierung der Gesellschaft für die nachlassende Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement verantwortlich macht und dieses an einer Reihe von Beispielen glaubhaft macht, sind von anderer Seite durchaus positive Signale zu hören. Das Ehrenamt sei nicht tot, es verändere sich lediglich, so heißt es. Auch für diese Position werden glaubhafte Belege geliefert.

Aufgrund des eingeengten Teilnehmerkreises der Veranstaltung, der sich im wesentlichen aus aktiven Ehrenamtlichen zusammensetzte, gestaltete sich eine allgemeine Auseinandersetzung mit der Zukunft des Ehrenamts schwierig. Aus ihrem persönlichen Blickwinkel heraus, ließ die Mehrzahl der Teilnehmer keine grundsätzlichen Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Ehrenamts aufkommen. Im Mittelpunkt der Diskussionen standen daher im wesentlichen sehr konkrete individuellen Vorstellungen zur Förderung des ehrenamtlichen Engagements.

Dabei wurde deutlich, dass sich die formulierten Anforderungen und Wünsche sehr stark aus den vorher genannten Argumenten zu den Triebfedern und den "Killern" für eine freiwillige Mitarbeit im Naturschutz ableiten lassen. So forderten die Teilnehmer die Verbesserung der innerverbandlichen Informationsflüsse und der Organisationsstruktur, die Verbesserung der materiellen und finanziellen Ausstattung der Gruppen sowie eine stärkere Beteiligung am Prozess der Meinungsbildung (Ziele und Strategie). Hinter Stichworten wie "Lastenverteilung", "Kooperationen" und "fachlicher Unterstützung" verbarg sich zudem der Wunsch nach einer Optimierung des Verhältnisses zwischen den haupt- und ehrenamtlichen Kräften.

Als neue Gesichtspunkte gingen die Aspekte "Qualifizierung" und "Verbesserung der sozialen Kompetenz" in die Diskussion ein. Die Teilnehmer beklagten, dass die Naturschutzverbände nur "wenige oder fast keine Schulungen für Ehrenamtler" anbieten würden. Die Folge seien Kompetenzmängel, fehlende oder mangelnde fachliche Kenntnisse bzw. unzureichendes Hintergrundwissen. Zur Behebung dieser Defizite sollten die Naturschutzverbände verstärkt in die Aus- und Weiterbildung ihrer Aktiven investieren.

Darüber hinaus enthielt der Forderungskatalog eine Reihe von Positionen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement. Dazu zählt die ideelle und finanzielle Anerkennung der individuell geleisteten Arbeit (steuerliche Absetzbarkeit von Aufwendungen, Anerkennung von Rentenzeiten). Genannt wurde aber auch die Förderung der Verbandsarbeit durch die öffentliche Hand sowie die Unterstützung der Arbeit durch staatlich finanzierte hauptamtliche Kräfte. Ein weiterer Aspekt betraf die öffentliche Anerkennung der Arbeit der Naturschutzverbände. Hier erwarteten viele Teilnehmer eine konsequentere Umsetzung der naturschutzrechtlichen Regelungen durch den behördlichen Naturschutz. In dieser Forderung kommt offenbar die Erfahrung zum Ausdruck, dass das eigene Engagement in der Schutzgebietsbetreuung oder im Artenschutz nicht immer den gewünschten bzw. erforderlichen Rückhalt auf der Seite der staatlichen Vollzugsebenen findet.

Die Workshop-Teilnehmer ließen es jedoch nicht dabei bewenden, Anforderungen an ihre Verbände oder die Gesellschaft zu formulieren. Sie setzten sich auch mit ihren eigenen Möglichkeiten zur Verbesserung der persönlichen Umfeldbedingungen auseinander. Stichworte, die in diesem Zusammenhang genannt wurden, waren: "Die eigenen Aufgaben definieren", die "bestehenden Strukturen einhalten und darin arbeiten" sowie die Aufgaben mit "Verantwortung und Disziplin ausüben".

Vergleicht man die Diskussionsergebnisse mit den Erkenntnissen der Ehrenamtsforschung sowie Berichten aus anderen Verbänden und Organisationen so zeigt sich ein hohes Maß an Übereinstimmung sowohl hinsichtlich der Forderungen an sich selbst, an die eigenen Verbände sowie an die Gesellschaft. Da die Naturschutzverbände jedoch im Unterschied zu anderen Vereinen und Organisationen im Laufe ihrer Entwicklung kein System zur Aus-, Fort- und Weiterbildung ihrer Mitglieder entwickelt haben, sind die deutlichen Übereinstimmungen im Hinblick auf die verstärkte Förderung der Qualifizierung von Ehrenamtlichen besonders bemerkenswert. Das diesbezüglich offenbar deutliche Defizite bestehen belegen im übrigen auch die von Günter Mitlacher vorgestellten ersten Ergebnisse des FuE-Vorhabens "Steigerung des ehrenamtlichen Engagements in Naturschutzverbänden". Die Mehrzahl der Befragten hatte einhellig betont, dass die Qualifizierung von Ehrenamtlichen von großer Bedeutung für die Arbeit aller Naturschutzgruppen ist

Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen aus der Sicht des Berichterstatters

Fassen wir die Ergebnisse der Workshoparbeit und der intensiven Diskussionen zusammen, so wird deutlich, dass die von ehrenamtlicher Arbeit getragenen Naturschutzverbände im Wandel und vor großen Herausforderungen stehen. Aus den Protestbewegungen mausern sich Vereinigungen, die vom Willen zum gesellschaftlichen Mitgestalten geprägt sind. Damit verändern sich nicht nur das Bild der ehrenamtlichen Arbeit, sondern auch die Anforderungen die seitens der aktiven Ehrenamtlichen an ihren Verband - und umgekehrt - gestellt werden. War die "Protesttauglichkeit" der Ehrenamtlichen oder ihre Begeisterung für die Natur in der Vergangenheit noch ausreichend, so sind heute fachliche, soziale und kommunikative Kompetenzen gefragt. Die Fähigkeit zur Mitgestaltung setzt darüber hinaus die Verlässlichkeit von Meinungen und Positionen sowie die Bereitschaft zum Konsens voraus.

Den aktiven Ehrenamtlern sind diese Fähigkeiten in aller Regel nicht in die Wiege gelegt worden. Genauso wie freiwillige Feuerwehrmänner erst Retten, Löschen, Bergen und Schützen lernen müssen, benötigen auch die Freiwilligen der Naturschutzverbände eine gezielte Aus- bzw. Fort- und Weiterbildung. Dieses macht aber wiederum die Verständigung des jeweiligen Verbandes auf ein inhaltliches und fachliches Grundgerüst voraus.

Zunächst ist daher der Einstieg in die verbandsinterne Diskussion der Ziele und Kernkompetenzen notwendig: "Was wollen wir erreichen?" "Warum wollen wir es erreichen?" "Wie können wir es erreichen?" "Wo liegen unsere Stärken und Schwächen?" "Welche Voraussetzungen müssen wir schaffen?" "Was sollten wir über Bord werfen?"

Aus der spezifischen strategischen Ausrichtung sind dann im weiteren die Positionen zur Arbeit der Freiwilligen abzuleiten: "Warum brauchen wir Freiwillige?" "Was können wir unseren Freiwilligen bieten?" "Was erwarten wir von unseren Freiwilligen?" "Was dürfen Freiwillige von uns erwarten und was nicht?"

Erst wenn die dazugehörigen Antworten gefunden sind, macht es Sinn, sich vertiefend mit der Frage der Entwicklung spezifischer Instrumente zur Förderung des freiwilligen Engagements zu beschäftigen. Ein Naturschutzverband, der sich in der Rolle einer naturschutzpolitisch aktiven "pressure group" sieht, wird andere Anforderungen an seine Ehrenamtlichen stellen müssen, wie eine Organisation, deren Kernkompetenz in der Schutzgebietsbetreuung oder der Durchführung von Artenschutzprojekten besteht. Auch die Ehrenamtlichen dürfen von einem Lobbyverband etwas anderes erwarten als von einer Fachorganisation. Instrumente zur Steigerung des ehrenamtlichen Engagements, die bei einem Verband erfolgreich sind, können beim anderen unter Umständen kläglich versagen.

Nicht zu letzt sind die "altgedienten Ehrenamtler" gefordert, ihr zum teil sehr eingeengtes Bild vom ehrenamtlichen Engagement auf den Prüfstand zu stellen. Nicht selten verbinden sie mit Engagement die regelmäßige freiwillige Tätigkeit einer Person zugunsten der gemeinsamen Sache. Diese apodiktische Grundhaltung lässt außer acht, dass es in einer modernen Gesellschaft weitaus mehr Spielarten freiwilligen Engagements gibt. Die gelegentliche Mithilfe bei der Pflege von Kopfweiden zählt ebenso dazu wie die Geldspende zum Ankauf eines Feuchtbiotops oder die Übernahme von Verantwortungen bei der Vorstandsarbeit. Die Unterscheidung in "gute Mitglieder", die regelmäßig aktiv sind, und "schlechte Mitglieder", die nur ihren Mitgliedsbeitrag leisten, ist nicht zielführend. Instrumente, die nur auf die Entwicklung "guter Mitglieder" abheben, greifen daher wesentlich zu kurz. Gleiches gilt, wenn die Instrumente nur auf die Steigerung des Engagements der Beitragszahler abheben.

Die Steigerung des freiwilligen Engagements muss also als ein vielgestaltiger Prozess verstanden werden, an dessen Ende das Ziel steht, das Engagement von Mitgliedern in den unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen zu erhöhen:

  • Menschen, die an der Schwelle zum ehrenamtlichen Engagement stehen, müssen Anknüpfungsmöglichkeiten eröffnet werden, sie müssen eingebunden werden und in den Verbänden eine "neue Heimat" finden können.

  • Menschen, die bereits gelegentlich oder projektbezogen in den Verbänden aktiv sind, müssen bei "der Fahne gehalten" werden. Ihnen sind Möglichkeiten zur Steigerung der eigenen Aktivitäten zu eröffnen.

  • Menschen, die zum Kreis der regelmäßig Tätigen gehören, müssen ebenso wie die gelegentlich aktiven gepflegt und entwickelt werden.

Schlussendlich ist aber auch die Gesellschaft gefordert, ihre Position zum bürgerschaftlichen Engagement zu klären. Es reicht sicherlich nicht aus, in politischen Sonntagsreden das hohe Lied des Ehrenamts zu singen. Es ist auch zu spät, wenn man sich erst beim Blick in die leeren Kassen der öffentlichen Haushalte auf die Potenziale des Ehrenamts besinnt und Freiwillige zu Notnägeln verfehlter gesellschaftspolitischer Entwicklungen degradiert.

Zweifelsfrei werden die Naturschutzverbände mit ihren mehreren hunderttausend Mitgliedern in Zukunft eine Reihe von nichthoheitlichen Aufgaben im Arten- und Biotopschutz übernehmen können. Voraussetzung ist aber, dass die Politik die dazu erforderlichen Weichenstellungen und Rahmenbedingungen schafft. Wer sich beispielsweise abends nach Feierabend als ehrenamtliches Mitglied einer Vogelschutzgruppe dafür engagiert, dass die Bundesrepublik Deutschland ihre gesetzlichen Verpflichtungen aus der FFH- oder EU-Vogelschutzrichtlinie oder der Biodiversitätskonvention erfüllen kann, hat zumindest ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Anerkennung und auch Förderung verdient.

Günter Mitlacher & Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder