OFFSHORE-WINDENERGIE – MEHR CHANCEN ODER MEHR RISIKEN? |
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Ergebnisse eines Seminars vom 06.04. bis 07.04.2001 |
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Energiepolitische Aspekte * Planungsstand * Hintergrundinformation: Offshore-Windfarmen und BSH * Naturschutzfachliche Gesichtspunkte * Diskussion einer Naturschutzposition * Fazit |
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Einleitung Derzeit produzieren in Deutschland rund 8.000 terrestrische Windkraftanlagen etwa 2 Prozent des Stromverbrauchs. Während der Ausbau an Land mittelfristige auf den Ersatz vieler kleiner durch wenige große Anlagen hinausläuft und eine Ausdünnung der Windparklandschaft zu erwarten ist, sehen Experten die Zukunft der Windkraft auf dem offenen Meer. Der Vorteil liegt auf der Hand: Stetiger Wind und größere Anlagen (bis 5 Megawatt) gewährleisten eine optimale Energieausbeute, Anwohner werden nicht belastet, bei ausreichendem Abstand von der Küste sind die Parks nicht einmal sichtbar, womit das Akzeptanzproblem gelöst wäre. Doch auch das offene Meer ist kein natur- und/oder interessenfreier Raum. Die Planungen für Offshore-Windparks geraten damit zunehmend in den Fokus der verschiedenen Nutzer der Meeresgewässer sowie des Naturschutzes. Ziel des Workshops war es, die energiepolitischen Chancen und die naturschutzfachlichen Risiken der Offshore-Windenergienutzung zu diskutieren, Wissenslücken zu erfassen und unter Abwägung der Chancen und Risiken zu versuchen, eine Naturschutz-Position für die zu erwartenden Entwicklungen zu formulieren. Dabei sollte insbesondere der Frage der Standortauswahl besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Im Mittelpunkt des ersten Veranstaltungsteils stand die Vorstellung der energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen, des aktuellen Planungsstandes, der Anlagentechnik, der Verfahrensabläufe sowie des gegenwärtigen naturschutzfachlichen Erkenntnisstandes. Im zweiten Veranstaltungsteil rückte dann die Entwicklung einer Naturschutzposition zur marinen Windkraftnutzung in den Brennpunkt der Diskussion. Frank Musiol (NABU-Referent für Umweltpolitik) hob in seinem einleitenden Beitrag, die energie- und klimapolitischen Chancen, die aus dem Einstieg in die Offshore-Windkraftnutzung erwachsen hervor. Er unterstrich, dass die neue Technologie der Energiegewinnung den großtechnischen Einstieg in die Energiewende eröffnen könne. Unter der Voraussetzung des Ausstiegs aus der Kernernergienutzung und des Verzichts auf den weiteren Ausbau der Wasserkraft sei das Ziel der Reduzierung der klimaschädlichen Kohlensäuergase CO2-Emissionen, der Senkung des Energieverbrauchs um 40% sowie der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien auf 75% nur durch den naturverträglichen Ausbau der Windkraft, den Einstieg in die Energieerzeugung aus Biomasse, die Erschließung der Geothermie und die flächenschonende Entwicklung von Solarthermie und Photovoltaik zu erreichen. Für die Erschließung der Windenergiepotential des offenen Meeres sprach sich auch Sven Teske als Vertreter von Greenpeace Deutschland aus. Vor allem durch Windanlagen auf See könnten die Bundesrepublik und andere Nordseestaaten einen großen Beitrag zur Erreichung der europäischen Klimaschutzziele leisten. Das belege eine Studie, die Greenpeace gemeinsam mit dem Deutschen Windenergie-Institut (DEWI) vorgestellt habe. Die Nordsee sei ein gigantischer Speicher für Windenergie. Die Zukunft der Energieversorgung liege bestimmt nicht mehr in Bohrinseln, die die Nordsee verschmutzten und deren Öl das Klima aufheize, so der Greenpeace-Energieexperte. Die Studie zeige auch, dass eine Windanlage auf See rund 40 Prozent mehr Strom erzeuge als ein Windrad an Land. Die Installation koste aufgrund der höheren Aufwendungen für Fundament und Kabelverlegung zwar derzeit noch 60 Prozent mehr als die einer Landanlage, sei aber dennoch wirtschaftlich vertretbar. Freerk Nanninga und Niels Erdmann (Prokon Nord) gingen in ihren Beiträgen auf die aktuellen Planungen zum Bau von Offshore-Windkraftanlagen ein. Das von ihnen vertretene Unternehmen betreibe die Planungen für eine Pilotanlage , die nördlich des 54. Breitengrades im Bereich des Borkums-Riffs entstehen solle. Vorgesehen sei zunächst für 2003 der Bau einer aus zwölf Anlagen bestehenden Pilotanlage. 2007 sollten dann mehr als 208 Anlagen hinzukommen. Bei der Auswahl des Standortes habe man eine Reihe von konkurrierenden Nutzungen (Seeschifffahrt, Fischerei, militärische Belange, Infrastruktur, Bergbau, Erholung, Tourismus sowie last but not least Naturschutz) berücksichtigen müssen. Zur Zeit stehe das Genehmigungsverfahren noch ganz in den Anfängen. Für die Pilotanlage habe eine Antragskonferenz stattgefunden. Angestrebt werde zunächst eine Teilerrichtungsgenehmigung für die Aufstellung von Anlagen mit einer Leitungsfähigkeit von 3,5 MW. Das setze eine Nabenhöhe von 75 m und einen Rotordurchmesser von max. 120 m voraus. Für die Aufstellung der Anlagen seien in 30m Tiefe im Meeresboden gegründete Tripoide vorgesehen. Geplante WKA-Standorte in der Deutschen Bucht (blaue Punkte).
Naturschutzfachliche Gesichtspunkte Dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, das für die Genehmigung von Windkraftanlagen in der Außenwirtschaftszone verantwortlich zeichnet, liegen nach Kenntnis von Thomas Merk (Bundesamt für Naturschutz) neben der Pilotanlage von Prokon Nord noch sieben weitere Vorhaben für die Nordsee und drei für die Ostsee zur Entscheidung vor. Darüber hinaus gäbe es zahlreiche weitere Anträge für Anlagen innerhalb der 12-Seemeilen, die von den jeweils zuständigen Bundesländern zu entscheiden seien. Bau- oder Teilerrichtungsgenehmigungen seien seines Kenntnisstandes zufolge, bislang jedoch weder vom BSH noch von den Landesbehörden erteilt worden. Angesicht der Tatsache, dass die geplanten Anlagenfelder je nach Größe bis zu 500 Windkonverter umfassen und pro Konverter rund 0,5 qkm Fläche erfordern, wird von den Windparks eine nicht unerhebliche Flächenwirkung ausgehen. Merk verwies daher auf die Notwendigkeit, bei der Auswahl der Standorte den möglichen ökologischen Folgen besondere Aufmerksamkeit zu widmen, zumal sich Deutschland als Vertragsstaat des Oslo-Paris-Abkommens und der Helsinki-Konvention zum Meeresschutz zur Beachtung des Vorsorgeprinzips verpflichtet habe. Konflikte mit dem Naturschutz erwartet Merck während der Bauphase durch erhöhtes Verkehrsaufkommen von Baufahrzeugen sowie durch Ramm- und Gründungsarbeiten. Für die Betriebsphase wären Auswirkungen durch Schallemissionen, erhöhtes Verkehrsaufkommen, Schattenwurf und Vogelschlag sowie Einbringung neuer Hartsubstrate zu erwarten (s. Tabelle).
Diskussion einer Naturschutzposition Die Diskussion und Entwicklung der Eckpfeiler für eine Position des Naturschutzes zur Windkraftnutzung im marinen Bereich erfolgte nicht nur vor dem Hintergrund der im Vortragsteil der Veranstaltung gewonnenen Erkenntnisse, sondern war auch geprägt durch die Erfahrungen mit der Entwicklung der terrestrischen Windkraftnutzung. So gaben insbesondere Naturschutzvertreter aus den norddeutschen Küstenländern zu bedenken, dass die Küstenlandschaft in Folge der schnellen Entwicklung der Windkraftnutzung in den vergangenen Jahren an manchen Stellen unzumutbar beeinträchtigt worden sei. Sie forderten daher mit Nachdruck Regelungen zur vorbeugenden Vermeidung solcher Fehler bei der Entwicklung der Offshore-Technologien ein. Die Naturschutzverbände hätten die neuen Technologien deshalb selbstverständlich an den selben Kriterien zu messen, wie sie auch bei anderen Eingriffsplanungen angewendet würden. Kein Zweifel dürfe auch dahingehend bestehen, dass auch der Bau der Anlagen in der AZW einen Eingriff in den Naturhaushalt und das Landschaftsbild darstellen würde, und folglich auch unter rechtlichen Gesichtspunkten (Eingriffsregelungen des BNatSchG) entsprechend zu würdigen sei. Als wesentliche Voraussetzung für den verantwortbaren Einstieg in die neuen Technologien wurde die Behebung der Wissenslücken und eine bessere Koordination der gesamten Entwicklung betrachtet. Die Veranstaltungsteilnehmer hielten eine ausreichende Grundlagenforschung im marinen Bereich zur Beurteilung der Umweltauswirkungen der Eingriffe für unerlässlich. Diese Aufgabe wäre in wichtigen Fragestellungen sogar losgelöst von der eigentlichen Maßnahme zu betrachten, da die Kenntnisse über die biologische Vielfalt der Meere in weiten Teilen als unzureichend einzustufen sind. Erst mit der Kartierung und dem Monitoring der marinen Biodiversität könnten die zur Entscheidung der Standortfragen für zukünftige Anlagen erforderlichen Grundlagen geschaffen werden. Dieses gelte es insbesondere auch vor dem Hintergrund des durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausgelösten Termindrucks zu berücksichtigen. So dürfe die im EEG vorgesehene Frist, nach der Windparks, die nach dem 31.12.2006 in Betrieb genommen werden, eine geringere Einspeisevergütung erhalten, nicht Grund für voreilige und weniger kritische Antragsprüfungen sein. Im übrigen, so der Eindruck der Teilnehmer, zeigten ja auch die vorgestellten Planungen von Prokon Nord, dass man offensichtlich auch noch nach Ablauf dieser Frist unter vernünftigen wirtschaftlichen Bedingungen mit dem Bau der Windparks beginnen könne. Unabhängig von den Ergebnissen der Forschungsarbeiten müssten jedoch Nationalparke (Wattenmeer), IBAs (Important Bird Areas) und wichtige Vogelrastgebiete, FFH-Gebiete und solche Gebiete, die die Bedingungen für FFH-Gebiete erfüllen, als auch Meeressäuger- und Fischschutzgebiete, Konzentrationsräume des Vogelzuges sowie nach §30 BNatSchG geschützte Biotope Tabuflächen für die Errichtung von Windkraftanlagen sein. Nach ausführlichen und zum Teil sehr kontroversen Diskussionen anerkannten die Teilnehmer die Notwendigkeit zum Bau und Betrieb sogenannter Pilotanlagen, da es ansonsten nicht möglich sein werde, die unmittelbaren oder mittelbaren Umweltwirkungen der Anlagen (z.B. Vogelschlag-Risiko, Auswirkung des Unterwasserlärms auf Meeressäuger) zu klären. Soweit wie möglich, müssten aber bereits vorhandene Anlagen (z.B. Dänemark) für die Forschungen herangezogen werden. Fragen, die an diesen Anlagen nicht geklärt werden könnten, wären dann an einer eigenen Modellanlage zu überprüfen. Von herausragender Brisanz war für die Teilnehmer der Themenkomplex Schiffssicherheit. Insbesondere die noch jungen Eindrücke des Pallas-Unfalls sowie die Havarie der „Baltic Carrier" in der Kardet-Rinne schürten die Besorgnis. Durch den Bau und Betrieb der Offshore-Windanlagen darf sich die ohnehin bereits aus Gefahrguttransporten auf See erwachsende Gefährdungssituation keineswegs erhöhen. Die Anlagenstandorte müssen daher neben einem anlagenspezifischen Sicherheitskonzept auch einen ausreichenden Abstand zu den Hauptschifffahrtslinien haben. Darüber hinaus muss der Ausbau der Offshore-Windenergienutzung zum Anlass für die Entwicklung eines generellen Sicherheitskonzepts und eine erhebliche Erhöhung des Sicherheitsstandards in den Meeresgewässern genommen werden. Den Abschluss der Diskussionen bildete der Punkt Netzanbindung, die unabhängig von der Lage und Größe der Windparks als Kabelverbindung zwischen den Anlagenfeldern und dem Festland erforderlich sein wird. Im Hinblick auf die Minimierung der elektromagnetischen Strahlung sollten diese Verbindung nach dem neuesten Stand der Technik realisiert werden. Mit der Technologie der Offshore-Windenergieerzeugung verbindet sich für unsere moderne Industriegesellschaft die Chance zur Einleitung der Energiewende. Doch auch die Erzeugung erneuerbarer Energien ist nicht frei von Umweltwirkungen und so bewegen sich die Natur- und Umweltverbände auf einem schmalen Grat zwischen den eigenen Klimaschutzzielen und dem aus ihrer Sicht ebenso notwendigen Schutz der biologischen Vielfalt. Wohlwissend, dass die Reduzierung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase einerseits eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt der Biodiversität darstellt, diese Technologien anderseits aber auch nicht ohne die Inanspruchnahme der Lebensstätten von Pflanzen und Tieren realisierbar sind, stehen die Verbände vor der Herausforderung, Positionen zu entwickeln, die den Belangen des Klimaschutzes und den Erfordernissen zur Bewahrung der Biodiversität gleichermaßen Rechnung tragen. In ausgiebigen und zum Teil von heftigen Kontroversen geprägten Diskussionen gelang es im Laufe des Workshops, Positionen zu entwickeln, die die Ziele und Ideale des Naturschutzes berücksichtigen ohne die Notwendigkeit zur Energiewende zu negieren. Diese Positionen werden in noch folgenden Diskussionsrunden und Gesprächskreisen weiter zu entwickeln und zu vertiefen sein. Die erarbeiteten Eckpfeiler stellen dafür nicht nur eine wichtige Ausgangsbasis dar, sondern verdeutlichen auch die Bereitschaft und Fähigkeit des Naturschutzes aktiv und konstruktiv an der Lösung der Zukunftsaufgaben mitzuwirken. Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder Zitatempfehlung: |
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Weiterführende Links zum Thema und Literatur |
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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des NABU wieder. |
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