Welche Arten/Artengruppen der Fluss- und Bachökosysteme erfüllen die Auswahlkriterien für Zielarten?

Ergebnisse des Seminars "Zielarten für den Naturschutz an Fließgewässern - Mehr Raum für Bäche und Flüsse" vom 19.09. bis 20.09.2000

ESK-Arten

Mit der Bedeutung von Wirbellosen als naturschutzfachliches Planungs- und Bewertungskriterium bei Fließgewässerrenaturierungen setzte sich Dr. Herbert Reusch (BAL, Suhlendorf) auseinander. Bereits heute sei es bei Begleituntersuchungen zu Gewässerrenaturierungsmaßnahmen, die im Auftrage des Bundesamt für Naturschutz durchgeführt würden, üblich, dass Eintagsfliegen, Steinfliegen und Köcherfliegen (ESK-Arten) als verpflichtende Untersuchungsparameter festgelegt seien. Mit diesen Gruppen ließe sich nahezu das gesamte ökologische Spektrum eines Fließgewässers beschreiben. Wesentlich bedeutsamer als die Frage der Artenauswahl sei aber, so Reusch weiter, die systematische Erfassung der ausgewählten Elemente der Gewässerfauna für die Dauer eines Jahreszyklus. Darüber hinaus seien die Biotop- und Habitatbindung, der Ernährungstyp sowie die Strömungspräferenz wichtige Bewertungskriterien für Fließgewässerarten. In der Praxis zeige sich auch, dass selbst die Arteninventare räumlich benachbarter Fließgewässer zum Teil erhebliche Unterschiede aufweisen würden. Ziel müsse es deshalb sein, die verschiedenen Biotoptypen eines Fließgewässers anhand system- und regionaltypischer Ernährungs-, Struktur- oder Strömungsformen zu beschreiben.

Geeignete naturschutzfachliche Planungs- und Bewertungskriterien ließen sich nicht aus Arteninventaren, sondern lediglich aus "ökologischen Stellenplänen" herleiten. Die Herausforderung bestünde darin, so Reusch abschließend, Kriterienkataloge zu entwickeln, die sich auf den fließgewässertypischen Habitat-, Ernährungs- oder z.B. Siedlungsformen gründeten. Der Vorteil dieser Vorgehensweise sei ferner, dass das Verfahren nahezu gesamteuropäisch eingesetzt werden könnte und vergleichbare Ergebnisse zu erzielen seien, denn in einem intakten nordeuropäischen Mittelgebirgsbach stünden die selben ökologischen Nischen zur Besetzung an wie bei einem Gewässer gleichen Typs, das sich aber in Südeuropa befände. Die Bewertung und Kategorisierung des Gewässerzustandes würde anhand der "offenen Stellen" bzw. des Fehlens typischer Formenvertreter erfolgen können.

Fische

Während Reusch die Möglichkeit der Bewertung der Qualitätszustände von Bächen und Flüssen anhand von Zielarten verneinte, bejahte Heiko Brunken (ISTAB Bremen) dieses Verfahren für die Gruppe der Fische. So stünde die Äsche stellvertretend für die Lebensgemeinschaft der sommerkühlen Flüsse, während die Bachschmerle für sommerwarme Fließgewässer typisch sei. Darüber hinaus deute das Vorkommen der Bachschmerle auf die gute Strukturierung des Gewässers und dessen Durchgängigkeit hin. Die Elritze wäre für Brunken eine potentielle Zielart für Kiesbäche. Als typische Auenarten nannte er hingegen Steinbeißer, Karausche, Bitterling und Schlammpeitzger, wobei insbesondere der Schlammpeitzger in die engere Wahl zu ziehen sei, da die Art sehr konkurrenzempfindlich ist und sehr enge Bindung an temporäre Lebensräume aufweist. Gerade durch die starke Bindung der vorgenannten Arten an "Biotop-Makrostrukturen" wäre zu erwarten, so Brunken weiter, dass sie räumliche Maßstäbe setzten und deshalb "Mitnahmeeffekte" für die Lebensgemeinschaften erwartet werden dürften. Gleichzeitig räumte Brunken aber einen nur unzureichenden Kenntnisstand zur Biologie und Ökologie der heimischen Fischarten ein, so dass zuverlässige Nachweise über die Existenz der "Mitnahmeeffekte" nicht vorliegen.

Biber

Mit Blick auf die von MÜHLENBERG (1989) aufgestellte Kriterienliste bezeichnete Mark Harthun (NABU LV Hessen) den Biber in seinem Vortrag als ideale Zielart für den Naturschutz an Fließgewässern. So erfreue sich der Biber, abgesehen von lokalen Konflikten mit Landnutzern, in der Regel einer hohen Popularität. Darüber hinaus wirke er gerade in Bäche und Flüssen, in denen er aufgrund der Topographie, der Morphologie oder der Wasserführung zum Bau von Dämmen gezwungen sei, als Schlüsselart und habe als zusätzlicher Dynamikfaktor eine wichtig Funktion für den Lebensraum und die Lebensgemeinschaft.

Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder

Zitatempfehlung:
Schulte, Ralf (2001): Welche Arten/Artengruppen der Fluss- und Bachökosysteme erfüllen die Auswahlkriterien für Zielarten?. Ergebnisse des Seminars "Zielarten für den Naturschutz an Fließgewässern - Mehr Raum für Bäche und Flüsse" vom 19.09. bis 20.09.2000 www.nabu-akademie.de/berichte/00fkuss_arten.htm (15.03.2001)


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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.