AKZEPTANZBILDUNG FÜR DEN NATURSCHUTZ
ZWISCHEN BAMBI-SYNDROM UND ERBITTERTER FEINDSCHAFT

Ergebnisse eines Seminars vom 06.12. bis 07.12.2001


Akzeptanz - Die Bereitschaft zur Befürwortung * Faktoren der Akzeptanzförderung * Vom Akzeptanzproblem zum handfesten Konflikt * Zusammenfassung der ErgebnisseNachbemerkungen des Veranstalters


In Lüchow-Dannenberg richten sich Landwirte mit massiv Protesten gegen die geplante Ausweisung eines Nationalparks ("Die Landesregierung ist nicht unser Feind, sondern unser Todfeind!"). In der Oberpfalz spricht der regionale Bauernverband im Hinblick auf die Ausbreitung des Bibers von der "Wiederholung der mittelalterlichen Rattenplage" und in den niederrheinischen Gänse-Überwinterungsgebieten gehören "NABU raus"-Transparente zum Landschaftsbild. In Einzelfällen wird sogar von körperlichen Angriffen auf Naturschutzvertreter berichtet.

Vor dem Hintergrund dieser und zahlreicher weiterer Widerstände gegen die Umsetzung seiner Ziele und Maßnahmen sucht der Naturschutz seit einigen Jahren verstärkt die Unterstützung der Sozial- und Gesellschaftswissenschaften. Es reift die Erkenntnis, dass eine erfolgreiche Naturschutzarbeit nicht allein durch vielfältige Erfahrungen und fundierte Fachkenntnisse umgesetzt werden kann. Begriffe wie Konfliktmanagement oder Akzeptanzbildung gehören daher mittlerweile ebenso zum selbstverständlichen Vokabular eines Naturschützers wie Biotopschutz, FFH-Richtlinie oder nachhaltige Nutzung.

Doch worin begründet sich die Diskrepanz zwischen der in Meinungsumfragen immer wieder festgestellten hohen Wertschätzung für den Naturschutz einerseits und andererseits der schroffen Ablehnung seiner Ziele, sobald es um die konkrete Umsetzung von Maßnahmen geht? Kann der Schlüssel "Akzeptanz" dem Naturschutz tatsächlich Türen und die Grundlagen für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur schaffen? Ist ein Mehr an Akzeptanz mit der Abwesenheit von Konflikten gleichzusetzen? Ist bei 51% öffentlicher Zustimmung zu Maßnahmen bereits hinreichend Akzeptanz für die Ziele erreicht?

Diese und weitere Fragen aus dem Themenkomplex Natur und Gesellschaft versuchte der Workshop "Akzeptanzbildung für den Naturschutz - Zwischen Bambi-Syndrom und erbitterter Feindschaft" der NABU-Akademie Gut Sunder zugleich aus sozial- und politikwissenschaftlicher aber auch aus naturschutzfachlicher Sicht zu beleuchten.

Akzeptanz - Die Bereitschaft zur Befürwortung

Laut Duden definiert sich Ak·zep'tanz als "die Bereitschaft, etwas anzunehmen". Akzeptanzbildende oder -steigernde Maßnahmen zielen darauf ab, die willentliche oder bewusste Befürwortung zu einem Vorhaben oder einer Entscheidung zu erhöhen. Akzeptanz für den Naturschutz kann bedeuten, dass Naturschutz einen angemessenen Platz auf der gesellschaftlichen Werteskala besetzt und die Einhaltung der in den gesetzlichen Regelwerken vorgesehenen Normen konsensfähig ist. Akzeptanz kann aber auch bedeuten, dass ein Schutzgebiet von den mittelbar oder unmittelbar Betroffenen als sinnvoll und vorteilhaft angesehen wird.

Demgegenüber liegen Akzeptanzprobleme dann vor, wenn die Bereitschaft zur Unterstützung oder zumindest Tolerierung eines Ziels, eines Vorhabens oder des rechtlichen Regelwerks ausbleibt. Daran knüpft sich die Frage nach den Faktoren, die sich fördernd oder hemmend auf die Akzeptanz seiner Maßnahmen auswirken.

Faktoren der Akzeptanzförderung

Die von Anita Schenk (Eidg. Forschungsanstalt f. Wald, Schnee u. Landschaft) vorgestellte Studie zur "Akzeptanz von Naturschutzschutzmaßnahmen bei der betroffenen Bevölkerung" verfolgte das Ziel, die Faktoren des Planungs- und Umsetzungsprozesses, die sich positiv oder negativ auf die Akzeptanz von Naturschutzmaßnahmen in der Schweiz auswirken, zu ergründen. Dabei zeigte sich, dass in der Regel nicht ein Faktor, sondern verschiedene Faktoren von Bedeutung sind. Die Palette der relevanten Einflussgrößen reichte von Information und Mitwirkungsmöglichkeiten über ökonomische Aspekte bis hin zur grundsätzlichen Haltung gegenüber dem Naturschutz sowie unterschiedlicher Problembeurteilungen ("Unsere Bewirtschaftung hat die Flächen erst zu dem gemacht, was sie heute sind!" Die Bewirtschaftung muss unterbleiben, damit die Flächen erhalten werden können"!). Die Entstehung von Akzeptanz müsse, so Anita Schenk, deshalb als ein komplexer Prozess verstanden werden. Die Verbesserung der Akzeptanz gelänge nur, wenn alle Faktoren Berücksichtigung fänden und alle Beteiligten Veränderungsbereitschaft zeigten.

Uwe Brendle (Bundesamt für Naturschutz) empfahl daher, nicht Akzeptanz ("Wer Akzeptanz will, darf sie nicht wollen"), sondern Interessenmanagement ins Zentrum der Vorhaben zu stellen. Die Ergebnisse des von ihm durchgeführten FuE-Vorhabens "Musterlösungen im Naturschutz" hätten gezeigt, dass Naturschutzprojekte dann besonders erfolgreich seien, wenn Gewinnerkoalitionen gebildet werden könnten. Um Naturschutz zu erreichen, brauche es keinen Konsens über Naturschutzziele. Voraussetzung für den Erfolg sei jedoch, so Brendle weiter, dass alle Beteiligten einen Nutzen aus den Naturschutzaktivitäten ziehen könnten.

Etliche Teilnehmer sahen sich dadurch in ihrer Auffassung bestätigt, dass neben psychologischen, soziologischen und politischen Fragen insbesondere Geld eine wichtige akzeptanzfördernde Rolle spiele. Sowohl Anita Schenk als auch Uwe Brendle hielten dem jedoch entgegen, dass Betroffene durch finanzielle Vorteile nur bedingt zu motivieren seien. Es waren daher auch nicht finanzielle Aspekte, die in den vergangenen Jahren in den niederrheinischen Gänse-Rastgebieten zu massiven Konflikten zwischen Naturschutz und Landwirtschaft führten. Der Konflikt um die Umsetzung der EU-Vogelschutzrichtlinie und der FFH-Richtlinie entbrannte, obwohl Nutzungsauflagen finanziell vergütet und der Gänsefraß entschädigt wurde.

Vom Akzeptanzproblem zum handfesten Konflikt

Die Auseinandersetzungen begannen, so Volkhard Wille (NABU Kranenburg), bei dem Versuch der nordrhein-westfälischen Landesregierung hoheitliche Naturschutzziele durchzusetzen. Verschiedene extreme Rahmenbedingungen und machtpolitische Auseinandersetzungen zwischen Landwirtschaft, Politik und Naturschutz wirkten konfliktfördernd. Die Androhung und Ausübung körperlicher Gewalt gegenüber Naturschutzvertretern stand schließlich am Ende der Eskalationsspirale. Ein professionelles Konfliktmanagement unterblieb.

Die Herausforderung für das Konfliktmanagement besteht in derartigen Fällen darin, so Michael Hartwig (Führungsakademie der Bundeswehr), die Konfliktanzeichen bereits frühzeitig zu erkennen, den Konflikt zu definieren und offen zu legen sowie Maßnahmen zur Konfliktinteraktion und -bewältigung einzuleiten. Es sei aber ein Irrtum anzunehmen, so Hartwig weiter, dass Konflikte immer im Sinne aller Beteiligten gelöst werden könnten. Neben dem Kompromiss oder der gemeinsamen Problemlösung gehörten auch Nachgeben, Flucht oder Erzwingen zu den möglichen Konflikthandhabungsstilen.

Besondere Anforderungen an alle Beteiligten bzw. Betroffenen stelle ein ganzheitliches Konfliktmanagement. Vertrauen, Lern-, Kommunikations-, Konsens-, Analyse- oder Urteilsfähigkeit seien ebenso eine unabdingbare Voraussetzung wie die Fähigkeit zur Durchsetzung oder zur Kooperation. Darüber hinaus setze die Lösung von Konflikten in der Regel ein hohes Maß an Belastbarkeit voraus. Fehlten die vorgenannten Faktoren, so sei es schwierig, Konflikte zu bewältigen. Sei das Fehlen der Faktoren von vorneherein erkennbar, so sollten Konfliktsituationen besser gemieden werden, um nicht darin aufgerieben zu werden. Die Erfahrungen zeigten ferner, dass bestehende Konflikte unter Umständen bereits dadurch gelöst werden könnten, in dem Personen, die im Konfliktverlauf "verbrannt" seien, abgelöst würden und somit die Chance zum Neuordnung der Situation eröffnet würde.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Das Thema Akzeptanz bei Naturschutzmaßnahmen ist eigentlich kein grundsätzlich neues Thema. Seit ihren Anfängen bemühen sich sowohl der ehrenamtliche als auch der amtliche Naturschutz um die Bereitschaft der Bevölkerung, die Ziele und Aufgaben des Naturschutzes anzunehmen. Akzeptanz und davon abgeleitete Begriffe wie Akzeptanzprobleme, Akzeptanzsteigerung oder Akzeptanzförderung gehören deshalb mittlerweile ebenso selbstverständlich zum Vokabular des Naturschutzes wie Artenhilfsprogramm, Biotopentwicklung oder Umweltbildung. Hinter dieser Entwicklung verbirgt sich die Erkenntnis, dass Naturschutz nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum stattfindet. Mit Hilfe von Vortragsveranstaltungen, Informationsständen, anderen Formen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oder Naturschutzbildungsprogrammen versuchen insbesondere die Naturschutzverbände bereits seit langem Akzeptanz für ihre Arbeit zu finden. Da die Verbände wesentlich stärker als die Naturschutzbehörden auf die Unterstützung der Bevölkerung angewiesen sind, sind akzeptanzfördernde Maßnahmen für sie fast überlebenswichtig.

Neu ist aber, dass sich die Sozial- und Politikwissenschaften häufiger denn je dem Naturschutz als Forschungsthema annehmen. Neu ist auch, dass der Naturschutz und die Naturschützer damit beginnen, ihr eigenes Handeln und die Vermittlung ihres Anliegens kritisch zu hinterfragen. Das über viele Jahre gepflegte apodiktische Auftreten entwickelt sich langsam aber sicher zum Auslaufmodell. Ein Gradmesser für den Bewusstseinswandel und die Modernität gesellschaftlicher Aspekte ist die Vielzahl der Tagungen, Workshops und Seminare, die u.a. in die Bildungsangebote der Naturschutzakademien Eingang gefunden hat. Tagungen wie "Mehr Akzeptanz für den Naturschutz", Seminare zum Konfliktmanagements oder Kommunikationstrainings sind Ausdruck dieses grundsätzlich positiv zu bewertenden Trends. Aus den Meinungsführern und Fachleuten in Sachen Akzeptanzbildung im Naturschutz sind nachgefragte und vielbeschäftigte Vortragsreisende geworden.

Ursächlich für die Öffnung des Naturschutzes zur Selbstkritik ist sicherlich die von etlichen Naturschützer schmerzhaft erworbene Erkenntnis, dass der leidenschaftliche Glaube an das Gute in der eigenen Sache nicht mehr ausreicht. Auch wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen oder Fachgutachten wird in der öffentlichen Diskussion kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Die klassischen Waffen des Naturschutzes sind stumpf geworden.

Ursächlich ist zweifelsohne aber auch, dass der Naturschutz in der Vergangenheit häufig eine defensive Position ("Schutz der Natur vor dem Menschen!") einnahm und es versäumte, seine Anliegen offensiv zu kommunizieren und resonanzfähig zu machen. Cornelia Karger (Forschungszentrum Jülich) sprach in diesem Zusammenhang sogar offen von der Kommunikationskrise des Naturschutzes.

Mittlerweile verbreitet sich die Einsicht - die Diskussionen während der Veranstaltung machten es deutlich - , dass Kommunikation keine lästige Zusatzaufgabe neben der naturschutzfachlichen Arbeit, sondern der Nährboden für den Erfolg des Naturschutzes ist. Die Notwendigkeit zur Kommunikation und zum Dialog wächst um so mehr, je stärker der Naturschutz mit seinen Maßnahmen und Vorhaben Betroffenheit erzeugt. Betroffenheit bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch in erster Linie nicht, das Betroffensein durch den Verlust biologischer Vielfalt oder die Zerstörung von Lebensräumen, sondern das direkte oder indirekte Betroffensein durch die Maßnahmen des Naturschutzes. Von besonderer Bedeutung ist dieses zum Beispiel bei großflächigen Vorhaben, die (häufig) andere Nutzungsinteressen einengen oder einschränken. Selbst wenn viele gar nicht selbst berührt werden, ruft schon allein die Möglichkeit berührt werden zu können Abwehr bis hin zu Existenzängsten hervor.

Die daraus erwachsenden Konflikte sind selten homogen. Niederrheinische Landwirte, die sich durch die Ausweisung von Gänse-Schutzgebieten beeinträchtigt fühlen, haben andere Befindlichkeiten wie Angelsportler, deren Freizeitgenuss durch die vermeintliche "Überpopulation des Kormorans" geschmälert wird. Die Teilkonflikte erfordern spezifische Lösungen und setzen differenzierte Vorgehensweisen voraus.

Wenn es gelingen soll, bei den von Naturschutzmaßnahmen Betroffenen die willentliche oder bewusste Befürwortung zu den Vorhaben oder Entscheidungen zu erhöhen, so werden die Naturschutzakteure zunehmend neue Qualitäten entwickeln müssen. Dazu gehört die Fähigkeit zu verhandeln, Kompromisse zu schließen, Standpunkte zu klären sowie Respekt vor den Positionen der anderen zu entwickeln. Das diese Fähigkeiten nicht vom "Himmel fallen" und das Wissen um ihre Notwendigkeit nicht ausreichend ist, zeigten die zum Abschluss des Seminars in Arbeitsgruppen behandelten Fallbeispiele. So entwickelte beispielsweise die Arbeitsgruppe, die sich mit Akzeptanzfragen bei der Ausweisung eines Großschutzgebietes beschäftigte, zwar eine Reihe von akzeptanzfördernden Strategien und Ansätzen und verwies auch nachdrücklich auf die Notwendigkeit zur Partizipation, bemerkte aber gleichzeitig "grundsätzlich" an, dass die "Argumente der Gegner nur Scheinargumente" seien. Damit wären Konflikte im weiteren Verfahrensverlauf vorprogrammiert, denn die Bereitschaft zum Respekt vor der Meinung des Diskussionspartners oder gar das Eingeständnis eigener Fehlbarkeit lässt diese Äußerung nicht erkennen. Beides sind aber wichtige Voraussetzungen für den Erfolg von Partizipationsmodellen.

Zur Beseitigung der Defizite und zur Vorbereitung auf die neuen Aufgaben ist die Förderung der Kompetenzen in den Schlüsselqualifikationen Kommunikations-, Kooperations- und Konsensfähigkeit notwendig. Auf der Seite der Regierungsorganisationen können Instrumente wie der Leitfaden "Kommunikation im Naturschutz" des Bayerischen Staatsministeriums für Landesentwicklung und Umweltfragen, die Fortbildungsangebote der staatlichen Umwelt- und Naturschutzakademien oder behördeninterne Trainings Abhilfe schaffen. Für den ehrenamtlichen Naturschutz sind derartige Instrumente noch zu entwickeln.

Es ist jedoch ein Irrglaube zu meinen, dass Naturschutzkonflikte allein mit der Schulung der Naturschutzakteure zu bewältigen sein werden. Auch ein in Kommunikation und Konfliktmanagement bestens ausgebildeter Naturschützer bleibt in seiner Rolle parteiisch. Der Naturschutz sollte sich daher bei der Realisierung seiner Vorhaben bereits frühzeitig der Unterstützung professioneller Moderatoren und Mediatoren bedienen. Ist das "Kind erst einmal in den Brunnen gefallen", hat die Konfliktentwicklung den "point of no return" überschritten oder ist das Projekt trotz Widerständen "durchgepaukt" worden, so gelingt die "Heilung der Wunden" meist nur unter erheblichen Schwierigkeiten.

Kommunikation und Konfliktmanagement sind andererseits keine "Allheilmittel" oder "Wunderwaffen". Auch sie haben ihre Grenzen. Kompromisse oder gemeinsame Lösungen können nur unter günstigen Rahmenbedingungen (bei mittlerer bis hoher Bereitschaft der Beteiligten zur Orientierung an den Zielen und Belangen der anderen sowie gleichzeitiger Orientierung an eigenen Zielen und Belangen) gefunden werden. Bei Schutzgebietsausweisungen (z.B. Nationalparke) oder Kooperationsprojekten (z.B. Grünlandbeweidung) mögen diese Instrumente funktionieren. In anderen Fällen, die ebenso zum Alltag des Naturschutzes gehören, können aber auch Nachgeben, Flucht oder Erzwingen geeignete Stile der Konflikthandhabung sein. So wäre nach Auffassung der Teilnehmer beispielsweise im Einzelfall die Umsiedlung eines Hornissennests oder eines Bibers ebenso eine konfliktlösende und akzeptanzfördernde Maßnahmen (Nachgeben) wie andererseits der Vollzug einer Artenschutzvorschrift mit polizeilichen Mitteln (Erzwingen).

Die Veranstaltung zeigte, dass auf der Grundlage psychologischer, pädagogischer, politik- oder verwaltungswissenschaftlicher Erkenntnisse eine ganze Reihe von Instrumenten entwickelt wurden, deren Anwendung in unserer offenen, postmodernen Gesellschaft mittlerweile in vielen Sparten zum Standard geworden ist. Die Mehrzahl dieser Werkzeuge ist nicht branchenspezifisch. Sie lassen sich in Unternehmen und Behörden ebenso einsetzen wie in Vereinen oder anderen sozialen Systemen. Auch der Naturschutzes wird sich ihrer bedienen müssen, um seinen gesellschaftlichen Stellenwert bewahren und ausbauen zu können.

Nachbemerkungen des Veranstalters

Ziel des Seminars war es, die Veranstaltungsteilnehmer durch die Gegenüberstellung von real existierenden Akzeptanzproblemen und Naturschutzkonflikten sowie sozial- und politikwissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen an die humane Dimension von Naturschutzmaßnahmen heranzuführen. Dabei wurde das Spektrum der Vorträge und Diskussionen - im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen - bewusst nicht auf raumbezogene Naturschutzmaßnahmen eingeschränkt.

Darüber hinaus legte der Veranstalter besonderen Wert auf die "Alltagstauglichkeit" der vermittelten Inhalte. In diesem Zusammenhang gingen insbesondere von dem Beitrag des Vertreters der Führungsakademie der Bundeswehr, der die Entwicklung und Bewältigung eines Konflikts an einem realitätsnahen zivil-militärischen Beispiel demonstrierte, besondere Impulse aus.

Gerade dadurch, dass das in dem Vortrag präsentierte Szenario nicht dem Alltag des Naturschutzes entsprang, sich die Teilnehmer aber dennoch in die geschilderte Konfliktsituation hineindenken konnten, gelang es, die verschiedenen Ursachen für Akzeptanzprobleme sowie Ansätze zur Bewältigung von Konflikten zu verdeutlichen. Es konnte gezeigt werden, dass Akzeptanzfragen und sich aus fehlender Akzeptanz herleitende Konflikte kein Naturschutz-Spezifikum darstellen, sondern auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen (z.B. militärisch genutzte Liegenschaften und Anwohner) zu finden sind. Auch war es dadurch möglich, zu verdeutlichen, dass die zur Akzeptanzsteigerung bzw. Konfliktlösung erforderlichen Instrumente unabhängig von den jeweiligen fachlichen oder gesellschaftlichen Hintergründen einsetzbar sind.

Maßnahmen zur Akzeptanzförderung für die Bundeswehr laufen nach den selben Gesetzmäßigkeiten ab, wie diejenigen, die von der chemischen Industrie oder vom Naturschutz unternommen werden. Gleiches gilt für den Umgang mit Konflikten. Innerfamiliären oder betrieblichen Auseinandersetzungen liegen die selben Auslösemechanismen (z.B. die Beteiligten haben gegensätzliche und unvereinbare Interessen, die Beteiligten sind auf dieselben Ressourcen angewiesen, alle Beteiligten glauben im Recht zu sein) zu Grunde wie sie auch bei Konflikten um die Ausweisung von Schutzgebieten oder gar zwischenstaatlichen Krisen zu finden sind. Folglich ist auch das einzusetzende Instrumentarium weitgehend identisch.

Im Umkehrschluss ist festzustellen, dass Mechanismen, die sich innerhalb des familiären Umfelds oder am Arbeitsplatz als akzeptanzfördernd erwiesen haben, auch für den Naturschutz Gültigkeit besitzen. Wenn die unterschiedlichen Problemwahrnehmungen erkannt und berücksichtigt werden, die Informationsaustausch funktioniert, alle Beteiligten Mitwirkungsmöglichkeiten haben sowie die Bereitschaft zu Veränderung zeigen, ist in der Regel auch der Fähigkeit zur konstruktiven Zusammenarbeit vorhanden.

Im weiteren war es für den Veranstalter wichtig, deutlich zu machen, dass Akzeptanz nicht um jeden Preis das Ziel des Naturschutzes sein kann. Partizipationskonzepte stoßen dann an ihre Grenzen, sobald Grundwerte und Normen berührt werden. Ein Partizipationsmodell, dessen Umsetzung ein Trümmerfeld hinterlässt und bei dem Grundwerte oder Normen eines Konsenses wegen auf der Strecke bleiben, taugt nichts. So wie jedes soziale System - egal ob Staat, Firma oder Familie - unumstößliche und nicht verhandelbare Grundfesten besitzt, muss auch der Naturschutz die Grenzen seiner Kompromiss- und Konsensbereitschaft deutlich formulieren und vertreten - und ihre Beachtung gegebenenfalls mit Zwangsmitteln erwirken.

Die letztgenannten Aspekte sollten den Naturschutz aber nicht davon abhalten, vom eingeschlagenen Weg abzuweichen und sich auch weiterhin für die Erkenntnisse und die Lösungsstrategien anderer Disziplinen zu öffnen; denn die Mehrzahl der Probleme dürfte unter zur Hilfenahme von Instrumenten der Kommunikations- und Konfliktforschung zu lösen sein. Problemlösungen auf die "harte Tour" müssen und werden in aller Regel die Ausnahme darstellen.

Daraus leitet sich für die Naturschutz aber auch die Verpflichtung ab, seine Akteure konsequent in Kompetenzen, die über die herkömmlichen hinausgehen, zu schulen und zu trainieren. Das bei haupt- oder ehrenamtlichen Naturschützern üblicherweise anzutreffende naturschutzfachliche Wissen reicht alleine nicht aus. Sowohl für den Bereich der Naturschutzverbände als auch der Naturschutzverwaltungen sind spezifische Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu entwickeln und durchzuführen. Bereits vorhandene Ausbildungsinhalte müssen entsprechend erweitert werden. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die ehrenamtlich Aktiven der Naturschutzverbände gerichtet werden, da sie stärker noch als die Akteure der Naturschutzverwaltungen vor Ort in die Vorhaben und Diskussionen eingebunden sind, andererseits aber aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit und der bislang weitgehend fehlenden Einbindung in ein geregeltes "Personalentwicklungssystem" unter Umständen Gefahr laufen, ungewollt zum "schwächsten Glied" innerhalb des Kommunikationsgeschehens zu werden.

Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder

 

Zitatempfehlung:
Schulte, Ralf (2001): Akzeptanzbildung für den Naturschutz - Zwischen Bambi-Syndrom und erbitterter Feindschaft. Ergebnisse eines Seminars vom 06.12. bis 07.12.2000. www.nabu-akademie.de/berichte/00akzept.htm (15.03.2001)


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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.