ÖFFENTLICHKEITSARBEIT IN GROSSSCHUTZGEBIETEN - INFORMATIONZENTREN ALS BOTSCHAFTEN DER BIODIVERSITÄT
Ergebnisse eines Seminars vom 09.10. bis 10.10.1999

Öffentlichkeitsarbeit im Nationalpark Bayerischer Wald * Das NABU-Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle * Das Multimar-Wattforum * Besucherinformationssysteme und Nationalparkservice in Schleswig-Holstein * Die Naturwacht in Brandenburg als wandelndes Infozentrum * Neue Aspekte für die Öffentlichkeitsarbeit in Großschutzgebieten

In Deutschland gibt es 13 Nationalparke, 15 Biosphärenreservate und über 80 Naturparke. Sehr häufig bilden Informationszentren die Schnittstelle zwischen den Großschutzgebieten und ihren Besuchern. Sie stellen somit die "Schlüsseleinrichtungen" für die Öffentlichkeitsarbeit dar und sollten idealerweise als Botschaften für den Erhalt der biologischen Vielfalt werben.

In der Praxis zeigen sich jedoch deutliche Qualitätsunterschiede. Die Spannbreite reicht von Verteilstellen für Faltblätter und Broschüren über naturwissenschaftliche Belehrungsstätten bis hin zu Orten des fesselnden Naturerlebnisses. Gleiches gilt für andere Informationseinrichtungen in Großschutzgebieten. Einerseits Hinweistafeln und Beschilderungen, die den Charme von Verordnungblättern entfalten, andererseits Besucherinformationssysteme, die nicht mit Verboten abschrecken, sondern zum Mitmachen motivieren.

Ziel des Seminars, das auf den Diskussionen der Veranstaltung "Warum brauchen wir Nationalparke?" (1998) aufbaute, war es, Erfahrungen auszutauschen, Defizite zu analysieren und gemeinsam Ideen und Anregungen für die Weiterentwicklung der Öffentlichkeitsarbeit in Großschutzgebieten zu erarbeiten. Dazu richtete sich das Seminar in erster Linie an die „Öffentlichkeitsarbeiter" der Großschutzgebiete.

Beispiele aus der Öffentlichkeitsarbeit der Großschutzgebiete

„Natur Natur sein lassen!"Öffentlichkeitsarbeit im Nationalpark Bayerischer Wald [nach oben]

Über die 29-jährigen Erfahrungen mit der Öffentlichkeitsarbeit im ältesten deutschen Nationalpark, dem Bayerischen Wald berichtete der Beitrag von Rainer Pöhlmann (Nationalpark Bayerischer Wald, Grafenau). Die Nationalparkleitung ist bestrebt, die zentrale Botschaft des Schutzgebiets „Natur Natur sein lassen!" auf den verschiedensten Ebenen und mit unterschiedlichen Angeboten an die Besucher heranzutragen. Als zentrale Anlaufstelle bietet das Eisemann-Haus den Touristen Ausstellungen und Erlebniseinrichtungen. Über das Areal des Nationalparks verteilt liegende Lehr- und Erlebnispfade, Naturerlebnisgelände sowie ein Tiergehege bilden weitere wichtige Säulen des Informationsangebotes.

Darüber hinaus setzt der Nationalpark auf betreute Angebote zum Naturerleben. Allein im Jahr 1998 wurden von studentischen Hilfskräften, Praktikanten, freiwilligen Helfer sowie hauptamtlichen Beschäftigten 2.150 Stunden Führungen sowie 4.000 Stunden Fachführungen durchgeführt. Die dezentralen Ausgangspunkte der Exkursionen lassen sich bequem über zeitnah verkehrende „Igelbusse" erreichen.

Damit die Öffentlichkeitsarbeit des Nationalparks nicht immer nur seinesgleichen trifft, verstärkte man in den vergangenen Jahren die Zusammenarbeit mit dem Tourismus. Ausdruck dieser Kooperation ist u.a., dass die Botschaft „Wilder Wald" in die regionalen Fremdenverkehrsprospekte (300.000 Auflage) eingebunden wird.

Auch wenn der Nationalpark Bayerischer Wald die längste Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit hat, so bedeute das nach Pöhlmann jedoch längst nicht, dass dort die beste Öffentlichkeitsarbeit gemacht würde. Habe man anfangs auf Lehrpfade und textüberfrachtete Infotafeln gebaut, so setze man heute auf prägnante Informationen, die „Aha!"-Erlebnisse erzeugten. Ferner habe es sich gezeigt, dass selbst ein nur mittelmäßiger Exkursionsleiter, der Begeisterung für die Natur zu wecken verstehe, mehr erreichen könne als die teuerste Ausstellung oder ein hoch glänzendes Faltblatt. Zudem habe man lernen müssen, dass die Besucher in erster Linie in die Region kämen, um sich zu erholen. Der Nationalpark müsse diesem Wunsch stärker Rechnung tragen, ohne jedoch die Belange des Naturschutzes zu vernachlässigen.

„Erleb’ Dein grünes Wunder!" – Das NABU-Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle
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Unter dem Motto „Erleb’ Dein grünes Wunder!" betreibt der NABU seit 1998 im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin das Naturerlebniszentrums Blumberger Mühle. Ab dem Jahr 2000 übernimmt das Zentrum gleichzeitig auch die Funktion des Hauptinformationszentrums des Biosphärenreservats.

Den Besucher erwartet ein Ausstellungsgebäude mit Gastronomie und Shop sowie ein 14 ha großes Außengelände. Zentrale Punkte der Ausstellung sind die Themen Boden und Wasser sowie die Hintergründe und Ziele des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin. Das Biosphärenreservat bildet auch die konzeptionelle Grundlage für die Naturerlebnislandschaft, die in repräsentativen Ausschnitten die Großlebensräume des Biosphärenreservats erlebbar macht.

Das Zentrum sieht seine primäre Aufgabe in der Vermittlung von Naturerlebnissen auf der Ebene des persönlichen Kontakts zwischen Gast und Besucherbetreuer. Deshalb werden kostenlose Führungen durch die Ausstellung und das Freigelände, an denen rund 80% der Gäste teilnehmen, angeboten. Mit einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm sollen darüber hinaus insbesondere Familien mit Kindern angesprochen werden. Adler-, Biber- der Fledermaustage vermitteln Interessantes und Wissenswertes über die artenreiche Tier- und Pflanzenwelt des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin. Pilz- und Kartoffeltage oder die "Uckermärkische Nudelwoche" geben Einblicke in die regionale Landschafts- und Kulturgeschichte. Auf dem Programm des Zentrums stehen ferner Veranstaltungen wie Kunsthandwerkermärkte, Jazz-Frühschoppen oder Open-Air-Kino.

Im betrieblichen Alltag sieht sich das Zentrum an den Blumberger Teichen mit einer Reihe von Problemen konfrontiert, die nur mit hohem personellen und finanziellen Aufwand kompensiert werden können. Zum einen erweist sich der abseits der touristischen Hauptanziehungspunkte der Region gelegene Standort als nachteilig. Gute Besucherfrequenzen ließen sich, so Katja Sichtermann (NABU-Naturerlebniszentrum Bumberger Mühle) nur durch einen dauerhaft hohen Werbeaufwand, sowie das Standardangebot ergänzende Sonderveranstaltungen erzielen. Die starke saisonale Prägung des Gästeaufkommens erfordere insbesondere während des Winterhalbjahrs besondere Kraftanstrengungen bei der Akquise. Zum anderen zeige sich auf der inhaltlichen Ebene, dass es nicht in dem gewünschten Maße gelänge, mit den Besuchern in Dialog zu treten. Die Kommunikation zwischen den Besuchern und den Beschäftigten des Zentrums hätte ursprünglich durch den weitgehenden Verzicht auf Hinweis- und Informationsschilder gefördert werden sollen. Es stelle sich aber heraus, dass die Gäste, bei denen es sich im wesentlichen um Naturschutzlaien oder um Schulklassen handele, aus Angst vor dummen Fragen kaum das direkte Gespräch suchten. Tafeln, die Möglichkeiten zur passiven Information bieten, müssten daher nachgerüstet werden.

„Watt erleben!" – Das Multimar-Wattforum
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Das Multimar Wattforum in Tönning präsentiert sich in erster Linie nicht als Naturschutzinformations- sondern als naturwissenschaftliches Erlebniszentrum. Das von Multimar-Mitarbeitern in Zusammenarbeit mit dem Nationalparkamt und der Stadt Tönning entwickelte Konzept des Zentrums verfolgt das Ziel, die Besucher an die Methoden und Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Wattenmeerforschung heranzuführen und zu erklären, warum beispielsweise Salzwiesen für seltene Insekten wichtig sind, wie Seehundsbänke geschützt und die Nahrungsgrundlagen für Millionen Zugvögel gesichert werden können. Darüber hinaus will das Wattforum Wege zum verträglichen Nebeneinander von Natur und menschlichen Interessen in der Region aufzeigen.

Das Multimar präsentiert dazu auf verständliche Weise aktuelle Ergebnisse der Umweltbeobachtung (Monitoring), so dass auch Laien am Abenteuer Forschung teilhaben können. Die verschiedenen Themen werden über Informationseinheiten vermittelt. Jede Informationseinheit (z.B. Ernährung im Watt) besteht aus Computerterminals, Informationskoffern und anderen Elementen. Wesentlicher Bestandteil ist eine Aquarienanlage, die über die Funktionen Schau-, Erlebnis-, Modellökosystem und Umweltbeobachtung verfügt. Die Technik der Anlage ist Mittel zum Zweck, dient aber gleichzeitig auch der modellhaften Darstellung der Aufgaben der Umweltbeobachtung. Für individuelle und ggf. auch personell betreute Veranstaltungen zum Thema Wattenmeer stehen Seminar- und Vortragsräume zur Verfügung. Darüber hinaus unterstützt das Multimar Klassen und Gruppen bei Exkursionen und Führungen in den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.

Eine besondere Herausforderung für die Ausstellungsmacher und die Ausstellung sieht Dr. Gerd Meurs (Multimar Wattforum, Tönning) in der allgemein verständlichen Umsetzung der komplexen naturwissenschaftlichen Ergebnisse auf eine für Besucher und Touristen verkraftbare Ebene. Obwohl man sich bemühe, die Informationen einfach und über einprägsame „Aha!"-Erlebnisse zu vermitteln, müsse man feststellen, dass selbst „Ein-Satz-Informationen" kaum gelesen würden. Größere Probleme als erwartet, bereiten die in der Ausstellung eingesetzten „high-tech"-Elemente. Einige Besucher ließen kaum eine Chance aus, um die Technik außer Funktion zu setzen, und so sei der Informatiker nicht selten einer der wichtigsten Mitarbeiter des Zentrums.

„Naturschutz mit BIS!"Besucherinformationssysteme und Nationalparkservice in Schleswig-Holstein
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Bereits lange vor Errichtung des Multimar-Wattforums und der Ausweisung des Nationalparks „Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer" leisteten die Naturschutzverbände eine intensive Informations- und Aufklärungsarbeit im Wattenmeer. Dr. Eckhardt Schrey (NationalparkService) Nationalpark erläuterte, dass der Nationalpark versuche, die verschiedenen bestehenden Aktivitäten und sich neu entwickelnden Initiativen in seine Öffentlichkeitsarbeit zu integrieren und sie über die NationalparkService GmbH (NPS) zu bündeln. Der wirtschaftlich selbständige NPS verstehe sich als Dienstleister und Serviceanbieter für den Nationalpark, die örtliche Bevölkerung und die Besucher und will u.a.:

  • das Image der Natur-Urlaubsregion verbessern und die Attraktivität durch zusätzliche touristische Angebote steigern,
  • Menschen jeden Alters Naturerlebnis und Umweltbildung ermöglichen,
  • dem Naturschutz durch professionelle Betreuung, kompetente Information und Lenkung der Urlaubsgäste dienen,
  • das Verständnis und die Akzeptanz bei Einheimischen und Gästen für Schutzmaßnahmen und für die Ziele des Nationalparks fördern.

Hauptgesellschafter des NPS ist das Land. Die NPS-Ranger haben aber keine hoheitlichen Kompetenzen. Alle Personen, die für den Nationalpark draußen im Gelände arbeiten, gehören als Freiwillige oder Hauptberufliche zum Nationalparkservice. Sie führen im Jahr rund 6 - 7000 Veranstaltungen sowie zusätzliche Informationsangebote in den Informationszentren durch.

Der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer ist nicht nur der größte deutsche Nationalpark, sondern auch einer der Zugänglichsten. Bis auf die meist weit vor der Küste liegenden Gebiete der Zone 1 darf fast der gesamte Nationalpark besucht werden. Hierhin führen bei etwa 500 Kilometer Nationalpark-Grenze wohl mehr als 1.000 Zugänge: durch Dünen, Salzwiesen, Strände oder über den Deich. Andere Nationalparke haben meist weniger als 100 Zugänge. Wegen der großen Grenzlänge wurde der schleswig-holsteinische Nationalpark in den ersten Jahren nach seiner Gründung allenfalls durch amtliche Schilder sichtbar. Um dieses zu ändern, erhielt die NPS vom Land Schleswig-Holstein den Auftrag zur Entwicklung des dezentralen Besucherinformationsystems BIS.

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Eine BIS-Informationstafel

BIS bedient sich verschiedener Elemente, wie Eingangspfählen, Nationalpark-Schildern, Informationstafeln zur Flora und Fauna, Informationskarten, Objekttafeln sowie Info-Pavillons und Naturpfaden, die an Stränden, Deichen und Salzwiesen, auf Schiffen und Ausstellungen über den Nationalpark und sein Umfeld informieren. Zusätzlich werden „Zum Watt & Wasser" – Wegweiser als Orientierungshilfen aufgestellt. Mehr als eine Millionen Gäste des Nationalparks erfahren so jedes Jahr, wo sie Natur am besten erleben können, aber auch, wo die Natur besonders empfindlich ist, wie zum Beispiel in Brut- und Rastgebieten. Auf regionale Besonderheiten wird besonders eingegangen: So wird die Geschichte von Kögen oder Kirchen erläutert und an der nördlichen Landesgrenze steht ein Pavillon, der deutsch-dänisch informiert. Eine einheitliche Gestaltung der Elemente steigert den Wiedererkennungswert. Als Grundlage diente das Gestaltungskonzept, welches von der deutschen Sektion der Vereinigung der europäischen Nationalparke, EUROPARC Deutschland, für die Vereinheitlichung des Erscheinungsbildes aller deutschen Nationalparke erarbeitet wurde. Erste Wirkungsstudien zeigen, dass die Info-Elemente gut angenommen und weithin beachtet werden.

„Die Menschen dort abholen wo sie stehen!" – Die Naturwacht in Brandenburg als wandelndes Infozentrum
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Die Aufgaben der Naturwacht in Brandenburg sieht Jan Brockmann (Naturwacht Brandenburg) in erster Linie unter Service-Gesichtspunkten. Die Naturwacht aus 130 festangestellten Mitarbeitern und ca. 70 ABM-Kräften ist als „wandelndes Informationszentrum" in fünfzehn Großschutzgebieten tätig. Pro Schutzgebiet kommen zwischen 5 und 20 Naturwacht-Mitarbeiter zum Einsatz. Die Aufgaben ergeben sich aus den spezifischen Erfordernissen der Einsatzorte. Der Dienstleistungskatalog umfasst neben Öffentlichkeitsarbeit und Besucherbetreuung auch Schutzgebietsmanagement und -überwachung. Zusätzlich unterhält die Naturwacht z.B. Biwakplätze für Kanuwanderer. Über hoheitliche Kompetenzen verfügt die Naturwacht nicht.

Ein unschlagbarer Vorteil der Naturwacht besteht nach Brockmann in ihrer hohen Mobilität und Ortsungebundenheit, die es erlaube, die Besucher im wahrsten Sinne des Wortes dort abzuholen, wo sie stünden. So starte die Naturwacht ihre jährlich mehr als 2000 ganztägigen Führungen und Veranstaltungen an Camping- und Parkplätzen. Zu den Stärken der Naturwacht zähle auch, dass sie den Besuchern als Originalhandelnde an Originalschauplätzen Originalerlebnisse bieten könne.

Die Schwächen lägen hingegen in dem hohen Personalaufwand bei gleichzeitig ausgeprägtem Personalmangel. Auch Defizite in der Qualifizierung bedürften des Ausgleichs. Die neue Ausbildungsmöglichkeit zum geprüften Natur- und Landschaftspfleger böte mittlerweile erste Ansätze dagegen. Problematisch sei auch die wenig ausgeprägte bis u. U. nicht vorhandene Dienstleistungsbereitschaft der Mitarbeiter. Erheblichen Nachholbedarf sieht Brockmann ferner in den fehlenden bzw. nicht ausgereiften Konzepten für die Öffentlichkeitsarbeit und die Umweltbildung.

Neue Aspekte für die Öffentlichkeitsarbeit in Großschutzgebieten

Im Anschluss an die Vorträge stand die intensive Erörterung der Beiträge und der Versuch einer Defizitanlayse auf dem Programm. Angesichts des begrenzten Zeitrahmens ließen sich dabei nur einige Aspekte, die im nachfolgenden zusammengefasst werden, herausgreifen und vertiefen.

Warum kommen Besucher in Großschutzgebiete?
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Eine vom WWF 1998 in Auftrag gegebene Studie kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass 70% der Befragten ihren Urlaub bevorzugt dort verbringen würden, wo man sich für den Schutz der Natur durch einen Nationalpark entschieden hat. Der Naturschutz interpretiert diese Aussagen gerne dahingehend, dass die Mehrzahl der Besucher gerade wegen des großflächigen Naturschutz in die Gebiete reisen würde. Die Realität, so zeigen es jedoch die Erfahrungen aus dem Alltag der Schutzgebiete, sieht jedoch anders aus. In der Regel ist es nicht ein tiefergehendes Interesse an wildlebenden Pflanzen, Tieren und ihren Lebensräumen, was Besucher zur Reise in Großschutzgebiete motiviert. Primär dient der Urlaub der Erholung, Entspannung und Abwechselung. Die Besucher suchen zwar die Nähe der Natur, kommen aber nicht wegen der Natur. Die Bedeutung der Natur reduziert sich eher auf eine „Kulissenwirkung". Nur ein geringerer Teil der Besucherschaft verfolgt tiefergehende naturkundliche oder naturschutzfachliche Interessen.

Gestützt wird diese Annahme u.a. durch Erfahrungen aus dem Wattenmeernationalpark in Schleswig-Holstein, die belegen, dass nur rund 20% derjenigen, die ihren Urlaub in der Region verbringen mit dem Besucherinformationssystem angesprochen werden. Selbst die 80.000 Besucher des Multimar-Wattforums stellen nur einen Bruchteil des regionalen Gästepotentials dar.

Müssen Naturschutzinformationszentren am „Ende der Welt" liegen?
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„Die Besucher dort abholen wo sie stehen!" Dieser Leitsatz ist für die Öffentlichkeitsarbeit in Großschutzgebieten in mehrfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung.

Bei der Standortwahl für Informationszentren steht häufig nicht die Frage der späteren Vermarktung, sondern der Naturnähe im Vordergrund. Für das NABU-Naturerlebniszentrum im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin wurden zunächst 30 Standorte in der äußeren Randzone des Biosphärenreservates auf ihre Eignung zum Bau des Hauptinformationszentrums untersucht. Der Standortfindung lagen die Kriterien „Vorhandensein naturnaher Räume", „Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln", „Anbindung und die Entwicklungsmöglichkeiten der Infrastruktur in den umliegenden Kommunen" sowie „Besitzverhältnisse und die Baumöglichkeiten" zu Grunde. Bereits nach wenigen Jahren zeigte sich jedoch, dass man sich bei der Standortwahl wesentlich stärker mit Marketingaspekten hätte beschäftigen sollen (Wieviele Besucher kommen in die Region? Wie unterscheiden sich die verschiedenen Standorte bezüglich des potentiellen Besucheraufkommens? usw.). Wäre diesen Aspekten hinreichend Beachtung gewidmet worden, so hätte sich gezeigt, dass es sich bei dem ausgewählten Standort nicht um einen Gunststandort handelt. Die Mehrzahl der Besucher kommt nicht zufällig vorbei und schaut einfach einmal neugierig herein, sondern muss mit einem hohen überregionalen Werbeaufwand in das Zentrum hineingelockt werden. Nicht selten sind Begleitangebote wie Jazzfrühschoppen (z.B. NABU-Naturerlebniszentrum Blumberger Mühle) oder Cabarets (z.B. Nationalpark Bayerischer Wald) zu organisieren, die die Attraktivität der Einrichtungen erhöhen sollen, aber neben dem wirtschaftlichen Risiko und hohem erforderlichen Personalaufwand auch die eigentliche Botschaft des Zentrums in den Hintergrund oder an die Seite drängen.

Die Frage, ob ein Naturschutzinformationszentrum der Naturnähe bedarf oder nicht, kann ausschließlich vor dem konzeptionellen Hintergrund des Zentrums beantwortet werden. Ein „high-tech"-Zentrum à la Multimar-Wattforum bedarf der Naturnähe ebenso wenig wie ein stark auf den Einsatz audio-visueller Medien ausgerichtetes Wildnis- oder Regenwald-Haus. Einrichtungen, dieser Art können ihre Ziele auch dann ohne Abstriche verwirklichen, wenn sie an weniger naturnahen, dafür aber verkehrsgünstigeren Standorten mit hohen Besucherpotentialen liegen. Stellt die Einrichtung hingegen das authentische Erlebnis von Natur in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten (z.B. NABU-Wasservogelreservat Wallnau), so ist ein naturnaher Standort unverzichtbar.

„High-tech" oder authentisches Naturerlebnis?
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Der besondere Reiz, der von den verschiedenen Formen der Öffentlichkeitsarbeit in Großschutzgebieten ausgeht, liegt in der Vielfalt. Informationsstätten wie das Multimar in Tönning haben daher ebenso ihre Berechtigung wie die von Rangern und freiwilligen Helfern geleiteten Naturerlebniswanderungen im Bayerischen Wald. Gleiches gilt für die eher passiven Besucherinformations- und -lenkungssysteme oder die Vielzahl der publizierten Broschüren oder Faltblätter. Entscheidend ist, dass die Öffentlichkeitsarbeit ihre Angebote an den unterschiedlichen Zielgruppen, deren spezifischen Informationsbedürfnissen und Kenntnisständen ausrichtet – die Gäste der Schutzgebiete also auch inhaltlich dort abholt, wo sie stehen.

„Weniger ist oft mehr!"
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Die Nationalparke und Großschutzgebiete sehen sich gerne in der Rolle von „Umweltschulen der Nation". Entsprechend schulmeisterisch ist – polemisch ausgedrückt – deshalb häufig auch ihre Öffentlichkeitsarbeit. Die Informations- und Erlebnisangebote sollen als Nürnberger Trichter oder wie eine Droge wirken und die Besucher dazu bewegen, die Ansichten und Meinungen des Naturschutzes unreflektiert zu übernehmen. Aber ist ein Besucher wirklich nur dann ein guter Besucher, wenn er die Positionen des Naturschutzes unwidersprochen akzeptiert?

Die Situation ist symptomatisch für die gesamte Öffentlichkeitsarbeit des Naturschutzes in Deutschland. Der Naturschutz neigt dazu, sich vornehmlich an seinesgleichen auszurichten. Im besten Bemühen um eine umfassende, keine Zweifel offen lassende Information und Aufklärung werden Ausstellungen, Informationstafeln, Faltblätter, aber auch Exkursionen mit naturschutzfachlichen und ökologischen Inhalten überfrachtet. Die erschlagende Wirkung, die die Angebote für Naturschutzlaien haben, nehmen nur wenige wahr. Nicht selten wird die Kommunikation zwischen den Großschutzgebieten und ihren Besuchern von einem Einbahnstraßen-Denken geprägt. Auf der aktiven Senderseite der Naturschutz und der Besucher in der vermeintlich passiven Empfängerrolle. Öffentlichkeitsarbeit muss sich jedoch als Zwei-Wege-Kommunikation verstehen, wenn sie erfolgreich sein will.

Dass sich die Besucher der Großschutzgebiete die Informationen nicht aufzwingen lassen und auch nicht bereit sind, sich schulmeisterisch belehren zu lassen, zeigt das Beispiel der in vielen Zentren mittlerweile zum Angebotsstandard gehörenden Shops. Die Sortimente beinhalten in der Regel eine breite Palette umweltverträglich oder regional erzeugter Artikel. Reine Souvenirartikel oder kleine Mitbringsel stehen im Angebot deutlich zurück und werden auch nur mit einem zugedrückten Auge angeboten. Im Alltag der Naturschutzläden stellt sich die Situation häufig jedoch vollkommen anders dar: reine Souvenirartikel finden reißenden Absatz, die umweltverträglichen Produkte werden gemieden.

Die Öffentlichkeitsarbeit muss eine objektive und prägnante, aber dennoch nicht von „Aha!"-Erlebnissen freie und zu Herzen gehende Information bieten. Die Erfahrungen der verschiedenen Einrichtungen zeigen übereinstimmend, dass weniger oft mehr ist. Besonderer Beachtung bedarf in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass Öffentlichkeitsarbeit zwar von PR-Profis und Werbefachleuten konzipiert sein mag, sie in der Praxis aber von all jenen Personen mit Leben erfüllt wird, die Kontakt mit Besuchern haben - von der Köchin im Kiosk bis zum Leiter des Nationalparks. So weckt unter Umständen der nette und freundliche Ranger, der nur mittelmäßig mit den fachlichen Grundlagen des Naturschutzes vertraut ist und dessen Exkursionen didaktisch weniger ausgefeilt sind, mehr Begeisterung für die Natur, als es die teuersten audio-visuellen Medien einer Ausstellung oder der aus dem naturschutzfachlichen Elfenbeinturm heraus agierende Leiter eines Großschutzgebiets zu leisten vermögen. Der Schlüssel für seinen Erfolg verbirgt sich in der Bereitschaft, auf die Menschen, die ihn begleiten, einzugehen und ihnen Rede und Antwort zu stehen.

„Mit einer Zunge sprechen!" 
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Für die Wirksamkeit (und Glaubwürdigkeit) der Öffentlichkeitsarbeit ist es wichtig, dass sie im Sinne einer Corporate Identity mit „einer Zunge spricht". Corporate Identity ist ein Konzept, das darauf ausgerichtet ist, einen schlüssigen Zusammenhang von Erscheinung (Corporate Design), Kommunikation (Corporate Communication) und Verhalten (Corporate Behaviour) herzustellen, also eine Antwort auf die Frage "wer sind wir, wie sind wir, wer wollen wir sein" zu geben.

Auf die Ebene der einzelnen Schutzgebiete bezogen heißt das, dass alle öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen aufeinander abgestimmt und in breiter Übereinstimmung nach außen getragen werden. Dabei darf die Corporate Identity nicht nur auf ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild bei Publikationen, Ausstellungen, Infotafeln oder bei der Dienstkleidung der Beschäftigten reduziert werden. Die Corporate Identity beinhaltet auch eine Vereinheitlichung der Kommunikation und des Verhaltens. In diesem Zusammenhang offenbarte die Diskussion nicht nur bei der Naturwacht in Brandenburg, sondern auch in zahlreichen Schutzgebieten erhebliche Defizite, die des Ausgleichs bedürfen. Es reicht nicht aus, wenn alle Außendienstmitarbeiter eines Schutzgebiets eine uniforme Dienstbekleidung tragen, auch auf allen anderen Ebenen und insbesondere bei den vermittelten Inhalte muss ein hohes Maß an Übereinstimmung angestrebt werden. Um dieses zu gewährleisten, bedarf es besonderer Anstrengungen in der internen Öffentlichkeits- und Qualifizierungsarbeit.

„Kampf der verwirrenden Vielfalt!"
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Die Vielfalt und Individualität der Angebote der Großschutzgebiete macht zweifelsohne die Stärke der Öffentlichkeitsarbeit in den Großschutzgebieten aus. Dort, wo die Vielfalt zur Verwirrung bei den Besuchern führt, sollte aber der Versuch zur Entwicklung einer gemeinsamen Corporate Identity aller Nationalparke und Großschutzgebiete unternommen werden. Aus Sicht von EUROPARC Deutschland wäre es u.a. wichtig, dass sich die einzelnen Schutzgebiete mit ihren Informationseinrichtungen als Mosaikstücke eines übergeordneten Ganzen verstehen und sich auch als solche präsentieren. Im Rahmen einer gemeinsamen Corporate Identity könnten die einzelnen Schutzgebiete beispielsweise als Repräsentanten für typische Großlandschaften stehen. Für Besucheranfragen oder Reservierungen von Führungen usw. wäre ein gemeinsames Call-Center zuständig und auch die Ausbildung der Beschäftigten müsste anhand identischer Standards erfolgen (z.B. Fortbildungsverordnung "Geprüfte/r Natur- und Landschaftspfleger/in").

Da Naturschutz in der Bundesrepublik Sache der Länder ist und die Großschutzgebiete zudem entweder bei EUROPARC Deutschland (Nationalparke, Biosphärenreservate, einige Naturparke) oder im Verband Deutscher Naturparke (VDN) zusammengeschlossen sind, bereitet der Versuch einer Vereinheitlichung erhebliche Probleme. Als ein Beispiel von vielen sei hier nur auf die unterschiedlichen Bezeichnungen der Außendienstmitarbeiter der Großschutzgebiete hingewiesen. Während diese Aufgabe in Schleswig-Holstein vom privatwirtschaftlich organisierten NationalparkService wahrgenommen wird, sind in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg der Nationalparkdienst bzw. die Naturwacht zuständig und im niedersächsischen Nationalpark Harz sowie im bayerischen Wald sind es Ranger. Auch das sich hinter den verschiedenen Bezeichnungen unterschiedliche Zuständigkeiten und rechtliche Kompetenzen verbergen, fördert nicht gerade die Entwicklung einer Corporate Identity.

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Das EUROPARC-Logokonzept für deutsche Großschutzgebiete

Nach Auffassung von Ulf Tielking (EUROPARC Deutschland) gehört neben den abgestimmten Informations-, Aufklärungs- und Erlebnisangeboten für die Besucher, auch ein einheitliches Erscheinungsbild zu den unverzichtbaren Elementen der Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Nationalparke und Großschutzgebiete. Nur eine identische Außendarstellung ermögliche es, in der bunten Medienlandschaft einen hinreichenden Wiedererkennungseffekt zu erzielen. So müsse u.a. eine einheitliche Berufskleidung für die Außenmitarbeiter (Ranger, Naturwacht, Schutzgebietsbetreuer) eingeführt werden, die Namensgebung der Nationalparke und Großschutzgebiete müsse gestrafft werden (z.B. Bodden-Nationalpark statt Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft, Wattenmeer-Nationalpark statt Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer) und auch die Logos der verschiedenen Schutzgebiete bedürften der Vereinheitlichung im Sinne einer corporate identity.

„Den Blick für Neues öffnen!"
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In den Nationalparken, Biosphärenreservaten und anderen Großschutzgebieten leistet der Naturschutz zum Teil seit fast drei Jahrzehnten eine sehr intensive und engagierte Informations- und Aufklärungsarbeit. Doch auch die Rahmenbedingungen für die Öffentlichkeitsarbeit unterliegen dem gesellschaftlichen Wandel. Der Naturschutz öffnete seinen Blick für Dynamik- und Prozessschutzansätze. Ausstellungskonzepte, die noch vor zehn Jahren der „letzte Schrei" waren, erweisen sich heute in einer Zeit virtueller Welten als nicht mehr zeitgemäß. Die Natur(erlebnis)pädagogik befruchtete die Führungs- und Exkursionsangebote. Und die Kommunikations- und Sozialwissenschaften widmeten sich in den letzten Jahren verstärkt den Akzeptanzproblemen des Naturschutzes und Möglichkeiten ihrer Überwindung.

Die Öffentlichkeitsarbeit der Großschutzgebiete muss sich mit diesen neuen Entwicklungen auseinandersetzen, das eigene bisherige Tun hinterfragen, die Bereitschaft aufbringen und über den naturschutzfachlichen Tellerrand hinauszuschauen, um neue Ideen und Konzepte zu entwickeln. Mit den im Rahmen des Seminars geführten intensiven und vom Willen zur Selbstkritik geprägten Diskussionen sollte dazu ein kleiner, kritisch-konstruktiver Beitrag geleistet werden.

Ralf Schulte (NABU-Akademie Gut Sunder)

Weiterführende Links zum Thema
Hier geht's zum BMU Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.