Arche Noah - Welchen Beitrag leisten zoologische Gärten zum Arten- und Biotopschutz?

Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 14. - 17. April 1997
Die Aufgaben und Anforderungen moderner zoologischer Gärten und Tierparks sind vielfältig. Der Artenschutz wird dabei als eine der Hauptaufgaben verstanden.  

Doch welchen Beitrag können Zoos tatsächlich zum Erhalt von Arten und ihren Lebensräumen leisten? Wie können die Voraussetzungen geschaffen werden, damit die Arche Noah kein Schiff ohne Hafen, sondern bestenfalls eine Rettungsinsel auf Zeit bleibt?  

Ziel der Veranstaltung, die in Zusammenarbeit mit dem Zoo Hannover und dem NABU-Zentrum für Artenschutz in Leiferde durchgeführt wurde, war es, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen Zoologischen Gärten und Naturverbänden bei der Realisierung von Arten- -und Biotopschutzprojekten sowie im Umweltbildungsbereich, vor allem aber bei der Öffentlichkeitsarbeit aufzuzeigen.  

Bei dieser Gelegenheit zeigte es sich, daß die Entwicklung der wissenschaftlich geleiteten Zoologischen Gärten, insbesondere die Weltzoonaturschutzstrategie der International Union of Directors of Zoological Gardens (IUDZG) und der Conservation Breeding Specialist Group (CBSG), der Species Survival Commission (SSC) von seiten des Naturschutzes nicht im ausreichendem Maße zur Kenntnis genommen werden.  

Demnach bleibt auch der Zoo der Zukunft bei den vier traditionellen Aufgaben, nämlich den Menschen Erholung und Entspannung bei der Begegnung mit Tieren zu bieten, ihnen dabei viele Informationen über die Tiere, ihre Lebensweise, ihre Herkunft und den Status in der Natur zu vermitteln, um das Bewußtsein und Engagement für Natur- und Umweltschutz zu fördern sowie wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Aber der Naturschutz, die Erhaltung der Biodiversität der Erden muß in Zukunft das zentrale Anliegen der Zoos sein. Dabei kann der Zoo auf dreifache Weise zum Naturschutz beitragen:
  • Durch koordinierte Zuchtprogramme für bedrohte Tierarten, um Tiere für Wiederansiedlungen zur Verfügung stellen zu können. 
  • Durch Förderung des öffentlichen Bewußtseins über Umwelt- und Naturschutzprobleme. (Presse, Zoopädagogik, Zooschule) .
  • Durch Forschung und die Entwicklung von Methoden für das Management kleiner Populationen  

Im Hinblick auf die Naturschutz- und Umweltbildungsbemühungen der Zoologischen Gärten wurde hervorgehoben, daß bereits heute sehr viele gemeinsame Projekte von lokalen Naturschutzgruppen und einzelnen Zoos bestehen.  

Das Treffen zeigte, daß eine Diskussionsbereitschaft auf beiden Seiten besteht sowie die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen und gemeinsame Projekte zu gestalten. Hierfür hielten es die Teilnehmer an der Diskussion für wünschenswert, in folgenden vier Bereichen eine konkrete Zusammenarbeit zwischen Zoologischen Gärten und dem Naturschutz anzustreben:  

  • Artenschutzrecht: Über die Notwendigkeit eines effektiven Artenschutzes besteht Einig-keit. Besonders in Anbetracht der vor dem Abschluß stehenden Novellierung der EU-Verordnung zur Umsetzung des WA (Washingtoner Artenschutzübereinkommens) sowie deren Auswirkungen auf die nationale Artenschutzgesetzgebung mit bevorstehenden erheblichen Veränderungen des Bundesnaturschutzgesetzes und der Bundesartenschutzverordnung sollten die Positionen der Naturschutzverbände und der Zoologischen Gärten im Vorfeld diskutiert und ggf. abgestimmt werden. 
  • Das große Umweltbildungspotential, das die Zoos mit bundesweit etwa 40 Mio., weltweit mit mindestens 600 Mio. Jahresbesuchern haben, bietet die Möglichkeit einer Sensibilisierung der erholungssuchenden Bevölkerung für den Natur- und Artenschutz. 
  • Zoologische Gärten kombinieren bereits heute ex-situ Erhaltungsmaßnahmen (EEP) mit Arten- und Lebensraumschutzmaßnahmen vor Ort (in-situ Maßnahmen). Dies geschieht zumeist auf internationaler Ebene (Sibirischer Tiger, Bartgeier, Prinz-Alfred-Hirsch, Mendesantilope usw.). Einzelne Projekte existieren auf nationaler oder lokaler Ebene. Dabei ist eine engere Zusammenarbeit zwischen dem Naturschutz und den Zoologischen Gärten wünschenswert. Eine Voraussetzung hierfür ist ein verbesserter Informationsaustausch zwischen VDZ und den Naturschutzorganisationen. 
  • Die Position der Naturschutzverbände zur Rolle des Zoos im Weltnaturschutz: Eine derartige Stellungnahme existiert bereits von seiten des WWF (World Wide Fund For Nature). Die Erstellung vergleichbarer Positionspapiere auch durch andere Naturschutzverbände könnte die Grundlage für eine den Erfordernissen unserer Zeit entsprechende Kooperation mit dem VDZ bilden. Insbesondere sollten sich die Verbände von undifferenzierter und unsachlicher Kritik aus Teilen der Naturschutz- und Tierschutzbewegung gegenüber den Zoos distanzieren. Eine konstruktive kritische Diskussion der Arbeit Zoologischer Gärten ist natürlich ausdrücklich erwünscht. 

In unserer Zeit der zunehmenden Naturentfremdung und Umweltzerstörung ist die Zusammenarbeit zwischen Einrichtingen, deren Ziel es ist, das zu verhindern, ein unbedingtes Muß, und es erscheint nur zeitgemäß zu einer Zusammenarbeit zwischen den Naturschutzverbänden und den wissenschaftlich geleiteten Zoologischen Gärten zu kommen.  

Dipl.-Biol. Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder

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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.