Anforderungen des Naturschutzes an eine nachhaltige Flusspolitik

Ergebnisse eines Infoseminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 04. Juni 2003


Mit ca. 35 Teilnehmern aus Politik, Verwaltung und Medien startete am Mittwoch Abend das zweite Infoseminar der Reihe "Naturschutz im Gespräch". Thema des Abends waren die "Anforderungen des Naturschutzes an eine nachhaltige Flusspolitik". Ziel des Abend war im Gespräch mit den Diskussionsteilnehmern die Eckpunkte einer nachhaltigen Flusspolitik zu erörtern.

Sowohl der amtierende Präsident des NABU, Christian Unselt als auch Christoph Heinrich, Abteilungsleiter Naturschutz im NABU-Bundesverband verwiesen in ihren Begrüßungen auf die erst 1 Jahr zurückliegende Hochwasserkatastrophe, die in Deutschland viele Menschenleben gefordert und immense Schäden angerichtet hat. Beide forderten die Bundesregierung dazu auf, jetzt endlich die seitdem beschlossenen Hochwasserschutzmaßnahmen umzusetzen und die Wende hin zu einer nachhaltigen Flusspolitik einzuleiten.

Rocco Buchta, der Flussexperte des NABU erklärte in seiner Rede wie aus der Sicht des NABU künftiges nachhaltiges Wirtschaften und die Sicherheit an den Flüssen gewährleistet sein kann. Er bezog sich dabei auf das vom NABU entwickelte "Leitbild Lebendiger Flüsse". Die zentralen Merkmale eines lebendigen natürlich fließenden Flusses, Dynamik und Großräumigkeit würden in den seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland ausgebauten Flüssen nahezu fehlen. Diese Ausbaumaßnahmen hätten zum Zweck gehabt, die Unbeständigkeit und Unvorhersehbarkeit der Flüsse einzudämmen und an die Interessen der Menschen anzupassen. Die hierdurch entstandene bisher erfolgreiche Überlebensstrategie stoße jetzt an ihre Grenzen. Neue Bedrohungen suchten den Menschen mittlerweile heim: Hochwasserkatastrophen, Verlust von Feuchtgebieten, Verlust der biologischen Vielfalt durch die ökonomische Nutzbarmachung der Flussauen, Probleme der Wasserkraftnutzung etc. Diese zwängen den Menschen zu einer nachhaltigen Philosophie im Umgang mit Flüssen, die gleichzeitig die natürliche Merkmale der Flüsse als auch die Sicherheitsbedürfnisse der Menschen berücksichtigt.

Dies wurde am Fallbeispiel Elbe durch Dr. Enst-Paul Dörfler konkret erläutert. Die Mittlere Elbe ist ein relativ naturnaher Fluss mit einem empfindlichen Sandbett, freifließend über Hunderte von Kilometern und Auenwäldern, die wie tropische Regenwälder anmuten und seit 1979 zum UNESCO-Schutzgebiet ausgerufen wurden. Die Elbe und ihre Flussauen beherbergen eine große biologische Vielfalt: Weißstörche, Biber, Lachse aber auch Vögel wie Flussregenpfeifer oder Eisvogel zählen zu den Bewohnern. Der Hauptkonfliktpunkt ist die Schifffahrt. Dr. Dörfler machte darauf aufmerksam, dass 10% der Schiffe ohne Ladung auf der Elbe fahren und dass auf dem Rhein 50 Tonnen mehr Transport als auf der Elbe stattfindet. Seit 1960 nehme die Frachtschifffahrt rapide ab von 7.000 Frachtschiffen im Jahr zu weniger als 2.000 in 1999. In 2002 wurden 358 Frachtschiffe außer Betrieb genommen. Die Gründe für die rückläufige Schifffahrt liegen darin, dass der Transport zu Wasser zu langsam ist, die dort gebräuchlich Partiegrößen nicht mehr gegeben sind und die Wasserstraßen eine Netzdichte von nur 10% der Schiene aufweisen. Gemessen an dem Energieverbrauch und der Naturzerstörung kann die Schifffahrt sich nicht mehr mit dem Etikett umweltfreundlicher Transport schmücken. Aber mit dem drohenden Kanalbau im Elbe-Saaleland entstehe ein gefährlicher Ausbaudruck auf die Elbe. Und dies obwohl die Schiffsfrequenz dazu keinen Anlass gäbe: Über die Saale fährt nur 1 Schiff pro Woche, Tendenz ein Schiff pro Monat. Die Umwelt- und Naturschutzverbände fordern daher einen sofortigen Stopp der Kanalisierungs- und Ausbaumaßnahmen.

Ein positives Beispiel für die Revitalisierung eines ausgebauten Flusses gab Klaus Margraf-Maué mit seinem Vortrag zum Rhein. Am Rhein werden seit 2002 erfolgreich verschiedene Projekte zur Verbesserung des Ökosystems durchgeführt. Die Projekte laufen unter dem Titel "Lebendiger Rhein - Fluss der tausend Inseln" und beinhalten u.a. die Entfernung von Uferbefestigungen oder die Wiedervernetzung mit den Auengewässern. Gleichzeitig machte Margraf-Maué deutlich dass die Revitalisierungsmaßnahmen am Rhein immer nur "kleine Brötchen" bleiben können, weil die Sicherheitsaspekte der Binnenschifffahrt die Spielräume für derartigen Maßnahmen vorgäben.

Dr. Ulrich Irmer vom Umweltbundesamt aus Berlin legte in seinem Vortrag dar, warum ein Wandel in der Flusspolitik aus Sicht des UBA notwendig ist und welche Prinzipien dabei berücksichtigt werden müssten. Hochwasserneutralität und Erhalt der ökologischen Funktionsfähigkeit stehen dabei zentral. Er konnte von Ressortgesprächen zwischen dem Bundesumweltministerium und dem Bundesverkehrsministerium, die als Ziel haben, das von der Regierung beschlossenen 5-Punkte-Programm umzusetzen, berichten. Diese Gespräche sollen darin resultieren, dass bis Juni 2003 für alle Baumaßnahmen ein Nachweis der Hochwasserneutralität erbracht, bis Dezember 2003 ein Gesamtkonzept der Gewässerunterhaltung Elbe erstellt und bis Juni 2004 für die Bundeswasserstraßen ein Konzept erstellt wird. Dabei muss aus Sicht des BMU die Notwendigkeit aller Unterhaltungsmaßnahmen nachgewiesen und die Beeinträchtigung des ökologischen Zustands geprüft werden. Für das BMU stehen die Prinzipien Umweltverträglichkeit, Verschlechterungsgebot, Nachhaltigkeit und ökologische Schifffahrt gleichwertig nebeneinander. Sehr optimistisch war Dr. Irmer nicht gestimmt: "Wir wären schon froh, wenn es keine Verschlechterung gäbe."

Johanna Theunissen, NABU-Bundesvertretung Berlin



Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.