Die Erfassung von Daten zur Natur - eine nationale Aufgabe? 

Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 05.11. bis 06.11.2002


Ziele und Inhalte

Verbreitungs- und Bestandsdaten wildlebender Tier- und Pflanzenarten und ihrer Lebensräume bilden die wichtigste Grundlage für Maßnahmen des Naturschutzes von der lokalen bis zur internationalen Ebene, für raumbedeutsame Planung sowie zur Erfüllung der Monitoring- und Berichtspflichten im Rahmen der FFH- oder der Wasserrahmenrichtlinien.

Aufgrund der föderalen Struktur in Deutschland fällt die Aufgabe des Zusammentragens einer möglichst großen Anzahl von Informationen über die Flora, die Fauna und die Biotope in den Zuständigkeitsbereich der Länder.

Die dezentrale Datenerhebung und -Verarbeitung gerät jedoch an ihre Grenzen, wenn es um die Zusammenfassung und Auswertung der Ergebnisse auf nationaler Ebene in Form von Inventaren, Verbreitungsatlanten oder Roten Listen geht. Darüber hinaus erschweren unterschiedliche Erfassungs- und Verarbeitungsmethoden und technische Standards den Austausch und die Aufarbeitung der Daten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage der Notwendigkeit einer nationalen Zentralstelle zur Kartographie von Flora, Fauna und Lebensräumen. Im Rahmen des Seminars sollen die Erfahrungen verschiedener Bundesländer mit landesweiten Erfassungsverfahren exemplarisch ausgewertet werden. Im Anschluss daran wird die Frage zu diskutieren sein, ob die Erfassung von Daten zur Natur nicht auch in Deutschland als Aufgabe mit nationaler Zuständigkeit betrachtet werden muss und welche Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sind.

Ergebnisse

In seinem einleitenden Beitrag umriss Ralf Schulte (NABU-Akademie) die Problemstellung am Beispiel des Kammolchs, der als FFH-Art der Berichtspflicht entsprechend der FFH-Richtlinie unterliegt. Das Verbreitungsgebiet des Kammolchs in Deutschland erstreckt sich über alle Bundesländer. Um verlässliche Aussagen über die Verbreitung des Kammolchs in Deutschland machen zu können, ist es daher erforderlich 16 verschiedene Puzzlesteine zusammenzusetzen. Was zunächst als "kinderleichte Aufgabe" erschiene, so Schulte, bereite in der Praxis jedoch erhebliche Schwierigkeiten. Für Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen lägen Vorkommensdaten auf der Basis von Messtischblättern im Maßstab 1:25.000 vor (Jedicke, 1992: Die Amphibien Hessens; Feldmann, 1981: Die Amphibien und Reptilien Westfalens; Lemmel, 1977: Die Lurche und Kriechtiere Niedersachsens). Als Bezugsraum dienten dabei Messtischblatt-Viertel. Der Nachweis der Art würde in einem Quadranten durch ein Kartensymbol dargestellt. Die für Rheinland-Pfalz von BITZ et al. (1996) zusammengestellten Daten basierten ebenfalls auf Messtischblättern, die Darstellung erfolge aber nicht in Quadranten sondern in Minutenrastern. Hölzinger und Schmid (1987) dokumentierten in den "Amphibien und Reptilien Baden-Württemberg" ihre Fundorte hingegen durch die Angabe von Längen- und Breitengraden. In weiteren Artabhandlungen erfolge die Darstellung der Vorkommen als flächenunscharfe Schraffur und aus einzelnen Bundesländern lägen gar keine veröffentlichten Daten vor.

Schulte schlussfolgerte, dass eine zuverlässige und aussagekräftige Beschreibung der Verbreitungs- und Bestandssituation des Kammolchs auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden publizierten Daten kaum bzw. nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich sei. Gleichzeitig gab er zu bedenken, dass die geschilderten methodischen Schwierigkeiten lediglich die "Spitze des Eisberges" darstellten, zumal Aspekte wie die Aktualität der Daten, die Methodik der Datenerfassung (z.B. Laichhabitate, Sommer- und Winterquartiere) oder die Dokumentation weiterer art- und populationsrelevanter Parameter von ihm gar nicht beleuchtet worden seien. Die differenzierte Betrachtung dieser Aspekte würde nach Schultes Auffassung jedoch alsbald weitere Problempunkte zu Tage fördern, die die Aufbereitung der Daten auf nationaler Maßstabsebene problematisch machten.

Schulte sprach sich abschließend dafür aus, zunächst einmal einheitliche Methoden und Standards für die Erhebung faunistischer und floristischer Daten zu entwickeln. Erst auf dieser Grundlage sei es möglich, die mit sehr viel Mühe erhobenen Daten zu systematisieren, sie zu bewerten und sie schließlich als verlässliche Grundlage für weitere Nutzungen im Sinne des Naturschutzes zur Verfügung zu stellen.

Dipl.-Ing. Thomas Hermann (NLÖ, Abt. Naturschutz, Hildesheim) ging in seinem Beitrag vertiefend auf das Niedersächsische Tierarten-Erfassungsprogramm (TEAP) ein. Die gesetzliche Grundlage für das Tierarten-Erfassungsprogramm wird im §57 NNatG gelegt. Demnach hat die Fachbehörde für Naturschutz Untersuchungen zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und Landschaftspflege durchzuführen, in Fragen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu beraten und die Öffentlichkeit über Naturschutz und Landschaftspflege zu unterrichten. Da diese Aufgaben nur dann hinreichend erfüllt werden können, wenn zuverlässige Datengrundlagen zur Verfügung stehen, entschied man sich 1974 vor dem Hintergrund des mangelnden Wissens über die landesweite Situation der heimischen Vogelarten zunächst für den Aufbau eines landesweiten avifaunistischen Erfassungsprogramms. Die dabei gewonnenen Erfahrungen führten in den folgenden Jahren zur Ausweitung des Programms auf andere ausgewählte Tiergruppen (Wirbellose allgemein, Libellen, Heuschrecken, Tagfalter, Nachtfalter, Fische, Lurche und Kriechtiere sowie Säugetiere. Zusätzlich zu diesen Standardgruppen, die mit Hilfe von rund 500 ehrenamtlichen Meldern bearbeitet werden, führen Artspezialisten ergänzende Kartierungen zu terrestrischen und limnischen Mollusken, Eintags-, Stein- und Köcherfliegen oder Laufkäfern durch.

Um die Zuverlässigkeit der von den Meldern gelieferten Daten sicherzustellen, prüft das NLÖ die eintreffenden Daten auf ihre Plausibiliät. Anschließend werden die Daten in die mittlerweile 60.000 Datensätze umfassende Datenbank der Fachbehörde übernommen und in Form von Artenlisten, Nachweis-, Artendichte- und Funddichtekarten ausgewertet.

Zwischen 1994 und 2002 wurden darüber hinaus 20.000 Einzelgebiete, die auf Grund der Nachweisdichte als besonders wertvoll erschienen, einer zusätzlichen Kartierung unterzogen. Im Ergebnis konnten 4.000 faunistisch wertvolle Bereiche (FWB) ausgewiesen werden, von denen zahlreiche die Kriterien als FFH-Gebiet erfüllen. Auf der Datengrundlage des Tierarten-Erfassungsprogramms erstellte die Fachbehörde im Laufe der Jahre 13 Artenschutz-/Hilfsprogramme, 6 Rote Listen und diverse Fachpublikationen.

Aufgrund der positiven Erfahrungen mit dem Tierarten-Erfassungsprogramms entschied sich die niedersächsische Fachbehörde für Naturschutz vor zwanzig Jahren, zum Aufbau des Pflanzenartenerfassungsprogramms (PAEP). Frau Dr. Schacherer erläuterte, dass sich dieses Programm auf die Farn- und Blütenpflanzen, Moose, Flechten, Armleuchteralgen und die Großpilze konzentriere. Ebenso wie das TEAP gründet sich auch das Pflanzenarten-Erfassungsprogramm ganz wesentlich auf die Zusammenarbeit mit freiwilligen Melderinnen und Meldern. Das NLÖ unterstützt die zur Zeit rund 1.200 Ehrenamtlichen durch die Bereitstellung von Kartierunterlagen / Kartierübersichten sowie durch die Organisation regelmäßiger Kartierertreffen zum Erfahrungsaustausch und zur Einbindung von Nachwuchskräften.

Mittlerweile umfasst das PAEP rund 1,8 Millionen Datensätze. Die Daten bilden die Grundlage für verschiedene Artenhilfs- und Biotopschutzprogramme, sie wurden zur Umsetzung der FFH-Richtlinie herangezogen und finden Eingang in die Agenda-2000-Naturschutzprogramme (z.B. Proland).

Schacherer und Hermann unterstrichen, dass die Erfassungsprogramme PAEP und TAEP sowie die von der niedersächsischen Vogelwarte erhobenen avifaunistischen Daten eine unverzichtbare Basis für die staatliche Naturschutzarbeit in Niedersachsen seien. Fachlich fundierte gebietsbezogene Beiträge zur Schutzwürdigkeit von Lebensräumen, die Erarbeitung von Schutzgebietsverordnungen und Pflege- und Entwicklungsplänen seien ohne diese Daten kaum möglich. Gleiches gelte im übrigen für die Fachbeiträge zur Landschaftsplanung, zum Landschaftsprogramm, zum Landesraumordnungsprogramm, zum Landschaftsrahmenplan, zum Regionalen Raumordnungsprogramm, zu Eingriffsregelungen und Umweltverträglichkeitsstudien.

Frau Schacherer wies ergänzend darauf hin, dass Daten des PAEP darüber hinaus der Zentralstelle für Floristische Kartierung zur Verwendung im Rahmen des Projekts zur Erstellung einer nationalen Datenbank für Gefäßpflanzen zur Verfügung gestellt würden. Dieses durch Mittel aus dem Umweltforschungsplan des Bundesministeriums für Umwelt geförderte Projekt, betreibt den Aufbau einer nationalen "Datenbank Pflanzen". Neben Charakterisierungsdaten zur Biologie und Ökologie sowie zur Gefährdung (Rote Listen) von Gefäßpflanzenarten enthält diese Datenbank als Kernbestand (derzeit ca. 14 Millionen Datensätze) die Basisinformation zur Verbreitung und Bestandssituation der wildwachsenden Gefäßpflanzenarten in Deutschland. Die Zusammenführung der Daten in einer zentralen nationalen Datenbank sei wichtig und sinnvoll, da nur so eine fundierte wissenschaftliche Aussage zum nationalen Arteninventar, zur Bestandssituation und -entwicklung, zur Bestimmung ökologischer Artengruppen und Arealtypen und letztendlich zur Entwicklung eines Monitoringkonzepts gemacht werden könne; denn ein durch Ländergrenzen eingeengter Blickwinkel stünde der Beantwortung der vorgenannten Fragestellungen entgegen.

Ohne ehrenamtliche Kartierer gäbe es solche Verbreitungskarten nicht!
(Quelle: NABU Inst. f. Vogelschutz, Verbreitung des Weißstorchs in Niedersachsen,
Stand 1997)

Für kaum eine andere Vogelart in Deutschland liegen so viele Daten und wissenschaftliche Publikationen vor, wie für den Weißstorch. Die Daten erster Bestandserhebungen auf nationaler und internationaler Ebene reichen bis ins Jahr 1934 zurück. Trotz dieser Datenfülle war es in der Vergangenheit kaum möglich, verlässliche Aussagen zur Gesamtsituation des Weißstorchs in Deutschland zu treffen. Ursächlich dafür war die aufgrund unterschiedlicher Methoden und Standards nicht gegebene Vergleichbarkeit der Daten. Vor diesem Hintergrund initiierte das NABU-Institut für Vogelschutz in Bergenhusen Ende der neunziger Jahre das Projekt "Storch 2000". Ziel des Projekts war es, das umfangreiche, aber ausgesprochen heterogene Datenmaterial aus Bestandserhebungen und Veröffentlichungen zusammenzutragen, es durch nach vereinheitlichen Standards von ehrenamtlichen Weißstorchbetreuern erhobene Daten zu aktualisieren, es unter Einsatz eines Geographischen Informationssystems (ArcView) mit naturraumbezogenen Daten zu ergänzen und darauf aufbauend ein nationales Schutzkonzept für die Art zu entwickeln. Erst auf diese Weise, so Kai-Michael Thomsen vom NABU-Institut für Vogelschutz, wurde es möglich, Gebiete abzugrenzen, die für den Weißstorchschutz von großer Bedeutung sind. Die Verwendung des GIS versetzte die Wissenschaftler zudem in die Lage, in den einzelnen Schwerpunktgebieten wirksamen Gefährdungsursachen und Konflikte zu identifizieren und Vorschläge für gebietsspezifische Schutz- und Entwicklungsmaßnahmen zu erarbeiten.

Die Beobachtung und Kartierung von Vögeln hat in Deutschland eine lange Tradition. Zudem eignen sich Vögel in besonderer Weise als Zeiger zur Feststellung und Beurteilung von Umweltveränderungen. Ornithologische Beobachtungsdaten sind somit eine wichtige Grundlage zur Beantwortung landschaftsökologischer Fragestellungen. Vor diesem Hintergrund schlossen sich 1970 Feldornithologen, Avifaunisten und deren regionale Verbände im Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) zusammen. Zu den wichtigsten Tätigkeitsfeldern des DDA gehören, so Daniel Doer in seinem Beitrag, die Durchführung national koordinierter Monitoringprogramme, die Mitarbeit an der Aufstellung von "Roten Listen" und die Erstellung von Verbreitungsatlanten.

Zur Zeit koordiniert der DDA auf nationaler Ebene das Monitoring häufiger Brutvogelarten, das Monitoring seltener Brutvogelarten, das Monitoring Greifvögel und Eulen, das integrierte Monitoring von Singvogelpopulationen sowie die internationale Wasservogelzählung als eines der ältesten internationalen Monitoringprogramme überhaupt.

  • Monitoring häufiger Brutvogelarten: Dieses Programm befasst sich mit "normalen" Vögeln in "normalen" Landschaften. Ziel ist es, die häufigen Brutvogelarten in repräsentativen Stichproben zu erfassen, um Aussagen zu Bestandstrends machen zu können. An dem Programm arbeiten rund 300 Ehrenamtler mit. Sie untersuchten 1999 nach einer streng standardisierten Methodik insgesamt 257 Zählrouten mit 113 Probeflächen.

  • Monitoring seltener Brutvogelarten: Dieses Monitoringprogramm setzt den Fokus auf 75 Arten, deren gesamtdeutscher Brutbestand kleiner als 1000 Paare ist. Die Ergebnisse sind nach Doer eine wichtige Grundlage zur Erfüllung der Berichtspflichten nach der EU-Vogelschutzrichtlinie. In einigen Bundesländern mangelt es jedoch an einer zentralen Datenerfassung. Darüber hinaus erweist sich die uneinheitliche Erfassungsmethodik als nachteilig.

  • Das Monitoring Greifvögel und Eulen begann bereits 1988 am Institut für Zoologie der Universität Halle (Saale). Erhoben werden Angaben über den Brutbestand als auch die Feststellung des Bruterfolges. Die Ergebnisse werden in einem jährlichen Bericht zusammengestellt. An diesem Programm sind inzwischen mehrere europäische Länder beteiligt.

  • Das Projekt des Integrierten Monitorings von Singvogelpopulationen wurde 1999 von drei deutschen Vogelwarten initiiert. Dahinter verbirgt sich ein standardisiertes Erfassungsprogramm für Beringer. Speziell ausgebildete und geprüfte Beringer errichten Netzstandorte, an denen alljährlich nach einem strengen Zeitregime Vögel gefangen und beringt werden. Die gewonnenen Daten lassen nicht nur Rückschlüsse auf Bestandsveränderungen zu, sondern ermöglichen über die exakte Bestimmung des Jungvogelanteils auch Hinweise zum Reproduktionserfolg und zur Überlebensrate einzelner Arten.

  • Internationale Wasservogelzählung: Die Zentrale für Wasservogelforschung im Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) fasst die Ergebnisse der jährlichen Zählungen in Deutschland rastender und überwinternder Wasservogelarten zusammen. Von rund 1000 freiwilligen Mitarbeiten werden 912 Zählgebiete (Stand 1998) bearbeitet. Der nach den Methoden des International Waterbird Census erhobene Datenbestand umfasst rund 1 Millionen Datensätze. Die Daten liefern wichtige Informationen zur Gebietsbewertung und Schutzgebietsausweisung z.B. im Rahmen der EU-Vogelschutzrichtlinie, der RAMSAR-Konvention oder dem Europäisch-Asiatischen Wasservogelabkommen (AEWA).

Abschließend hob Doer hervor, dass die Monitoringprogramme fast ausschließlich vom hohen Engagement ehrenamtlich tätiger Spezialisten getragen werden. Ohne deren unentgeltliche Tätigkeit stünden wichtige Informationen zum Erhaltungszustand unserer Umwelt und zur Wirksamkeit von Naturschutzmaßnahmen nicht zur Verfügung. Die Freiwilligen leisten damit einen substanziellen Beitrag zur Bestandsüberwachung heimischer Vogelarten und zur Erfüllung eines Auftrages zu dem Bund und Länder im Rahmen nationaler Gesetze und internationaler Abkommen verpflichtet sind.

Benutzung- und Bodenbedeckungsplan für den Truppenübungsplatz
Baumholder - ohne fundierte Daten nicht machbar!
(Quelle: Amt für Wehrgeophysik)

Welchen hohen Stellenwert eine gute und fundierte Datengrundlage für die Erfüllung von gesetzlichen oder untergesetzlichen Naturschutzaufgaben hat, veranschaulichte der Beitrag von Wilfried Grooten und Dirk Mainka vom Amt für Wehrgeophysik der Bundeswehr. Ein umfangreiches ziviles und militärisches Regelwerk verpflichtet die Bundeswehr zum natur- und umweltverträglichen Betrieb und Management ihrer Übungsplätze. Um diese Anforderungen mit den Erfordernissen des militärischen Übungsbetriebs in Einklang bringen zu können, werden für jedes Übungsgelände "militärische Flächennutzungspläne", sogenannte Benutzungs- und Bodenbedeckungspläne, erstellt. Mainka und Grooten erläuterten, dass die Erstellung der BB-Pläne in einem vierstufigen dynamischen Verfahren erfolgt. Dazu wird zunächst eine Bestandsaufnahme und Grundlagenerhebung durchgeführt. Es folgt eine Raumanalyse für Naturausstattung und Geologie. Auf dieser Grundlage wird eine zielorientierte Auswertung und die abschließende Planerstellung vorgenommen. Die vierte und letzte Stufe beinhaltet die Aktualisierung und Fortschreibung der BB-Pläne.

Der Einsatz eines Landschaftsökologischen Informationssystems (LÖKIS) auf der Basis des Geographischen Informationssystems ArcView erlaubt es, Daten unterschiedlicher Herkünfte für die Erstellung der BB-Pläne zu verwenden. So können naturbezogene Daten, die vom Fachpersonal der Bundeswehr und der Bundesforstverwaltung nach bundeswehreinheitlichen Kriterien erhoben werden, ebenso in das System eingebunden werden, wie Daten, die von dritter Seite (z.B. Biotopkartierungen der Länder) zur Verfügung gestellt werden. Das System erlaubt jedoch nicht nur die digitalisierte kartographische Aufbereitung und Darstellung der Flächennutzungsplanung, sondern ermöglicht auch "Was wäre wenn"-Szenarien. Grooten erläuterte, dass sich beispielsweise für bestimmte Teile eines Übungsplatzes Sukzessionsreihen und die daraus abzuleitenden Folgen für Flora und Fauna simulieren ließen. Die gewonnenen Ergebnisse lieferten dann wichtige Hilfen bei der Auswahl von geeigneten oder ungeeigneten Managementverfahren.

Während das von Mainka und Grooten vorgestellte System bislang ausschließlich im Rahmen des Übungsplatzmanagements der Bundeswehr zur Anwendung kommt, verwendet das Schweizer Zentrum zur Kartographie der Fauna (SZKF) Geographische Informationssysteme zur Dokumentation, Bewertung und Planung von Naturschutzmaßnahmen auf nationaler Ebene.

Ziel des SZKF ist es, eine möglichst große Anzahl von Informationen über die Fauna der Schweiz zusammenzutragen und diese Daten in Zusammenarbeit mit den Umwelt-, Natur- und Landschaftsschutzstellen für die Erarbeitung von globalen Konzepten zum Schutze der Tierarten und ihrer Lebensräume zu verwenden. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die Vereinheitlichung und Rationalisierung der Methoden zur Datenerhebung im Felde, die u.a. von Universitäten, Naturschutzverwaltungen, Entomologischen Gesellschaften, Naturhistorischen Museen oder ehrenamtlichen Naturschützern vorgenommen wird.

Das SZKF wurde 1990 als private Stiftung gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählt der Naturschutzverband ProNatura. Finanzielle Unterstützung erfährt das SZKF hauptsächlich von der Schweizer Bundesregierung, dem Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL) sowie von zahlreichen kantonalen Naturschutzämtern.

Verbreitungskarte des Bibers in der Schweiz
(Quelle: SZKF)

Die Datenbank des SZKF umfasst Datenbestände, die aus anderen Datenbanken stammen, Museumsdaten, bibliographische Daten sowie insbesondere auch Feldbeobachtungen von ständigen oder gelegentlichen Mitarbeitern (z.B. ehrenamtliche Beobachter, Wissenschaftler, Werkvertragsnehmer oder Amateure). Die Erfassung ausgewählter Arten wie Steinbock, Reh, Biber, Igel, Feldhase, Luchs, Murmeltier oder Dachs ist über das Internet interaktiv möglich. Dabei werden neben geographischen Angaben (Ort, Höhe über NN, X- und Y-Koordinate des Fundort) auch Angaben zum Beobachtungszeitpunkt und zur Art der Beobachtung (Sichtbeobachtung, Todfund, Spuren, Exkremente) abgefragt. Darüber hinaus sind Informationen zur Anzahl, zum Alter und zum Lebensraumtyp erwünscht.

Ende 2001 umfasste der Datenbestand des SZKF Angaben zu Arten aus 27 Tiergruppen (z.B. Spinnen, Laufkäfer, Krebse, Eintagsfliegen, Ameisen, Heuschrecken, Schmetterlinge, Libellen, Fische, Säugetiere) mit insgesamt 1.3 Millionen Datensätzen.

Mit Hilfe des Datenbanksystems Oracle, über Access-Schnittstellen und dem geographischen Informationssystem ArcInfo und ArcView werden die Nachweisdaten mit Informationen zum Lebensraum (z.B. Substrat, Mikrohabitat, Lebensraumtyp, Umgebung) verknüpft und zu Verbreitungskarten, gebietsbezogenen Artenlisten oder potentiellen Artenlisten nach Lebensraum-Typ(en) weiterverarbeitet. Diese Daten stehen den schweizerischen Bundesbehörden, den Kantonen, Ökobüros, Wissenschaftlern oder Privatpersonen auf Anfrage und entsprechend eines Code zur Datenhandhabung zur Verfügung. Speziell aufbereitete Daten können zusätzlich interaktiv über einen Listen- bzw. einen Kartenserver im Internet abgerufen werden.

In Zusammenarbeit mit verschiedenen wissenschaftlichen Institutionen arbeitet das SZKF u.a. an Projekten zur Modellisierung der Verbreitung von Fledermäusen und Reptilien, zur Revision der Roten Listen oder zum Tagfalterschutz. In Kooperation mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und Landbau (FAL) wird eine spezielle Datenbank zur Fauna der Auen aufgebaut. Das Vorhaben verfolgt das Ziel der Entwicklung eines Instrumentariums zur besseren Berücksichtigung faunistischer Aspekte beim Vollzug des Auenschutzes. Die dazu aufgebaute Datenbank enthält Informationen über Tierarten, Biotop- und Strukturnutzung, Phänologie, Verbreitung, Gefährdung, Nahrung, Systematik, allgemeine Arteigenschaften, Literatur und Beobachtungen in Auenobjekten von nationaler Bedeutung. Dabei werden die Entwicklungsstadien einer Tierart bezüglich der ökologischen Eigenschaften separat berücksichtigt. Die Struktur der sogenannten AUA-Datenbank erlaubt es, Angaben zu potentiell in einem Gebiet vorkommenden Tierarten zu machen, sondern auch die Auswirkungen von Eingriffen, Pflege- und Unterhaltsmaßnahmen auf einzelne Tierarten oder Artgruppen zu simulieren.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Vorträge und Diskussionen machten deutlich, dass fundierte qualitative und quantitative Daten zur Naturausstattung von elementarer Bedeutung für die Arbeit des Naturschutzes in seinen vielfältigen Ausprägungen sind. Sie bilden die Grundlage für die Planung, Durchführung und Kontrolle von Schutzmaßnahmen. Ebenso unverzichtbar sind sie zur Umweltbeobachtung und zur Erfüllung staatlicher Berichtspflichten im Rahmen des internationalen Naturschutzrechts. Richtig eingesetzt bieten sie ferner die Möglichkeit für vorsorgenden Naturschutz, z.B. durch die Simulation von Eingriffswirkungen und zur Risikoabschätzung.

In der Praxis des Bundes und der Länder treten deutliche Unterschiede auf. Während Bundesländer wie Niedersachsen eine ausgesprochen engagierte Erfassung floristischer, faunistischer und biotopbezogener Daten betreiben, führen andere Bundesländer sowie der Bund Erfassungen aufgrund (bislang) fehlender gesetzlicher Grundlagen nur im Rahmen von Einzelvorhaben durch.

Die Erfassung von Biodiversitätsdaten im Feld erfolgt in aller erster Linie durch mehrere tausend freiwillig und unentgeltlich tätige Fachleute von Naturschutzverbänden oder naturkundlichen Fachgesellschaften. Sie erfassen die Daten in ihrer Freizeit, leiten sie zur Auswertung an staatliche oder nichtstaatliche Fachinstanzen weiter und leisten damit einen grundlegenden Beitrag für die Erfüllung des staatlichen Naturschutzauftrages. Die dabei erbrachte gemeinnützige Arbeitsleistung, die nicht einmal in grober Annäherung quantifizierbar ist, verdient besondere Anerkennung.

Den Kartierungen der Fachbehörden und -verbände liegen, selbst wenn sie ähnliche Aufgabenstellungen verfolgen, zum Teil erheblich divergierende methodische Standards zu Grunde. Das betrifft sowohl die Erhebung der Daten im Feld als auch die Weiterverarbeitung des Datenmaterials. Dadurch wird die Vergleichbarkeit und Aussagekraft der Daten - unnötigerweise - erheblich eingeschränkt.

Sofern Felddaten digitalisiert werden, scheinen Softwarelösungen auf der Basis des Betriebssystems MS Windows bevorzugt zu werden. Bei GIS-Anwendungen zählen Programme wie ArcView oder ArcInfo aus dem Hause ESRI offenbar zu den Favoriten. Sie verfügen über die Möglichkeit, raumbezogene Informationen zu erfassen, sie zu verwalten und darzustellen. Mit Hilfe von Analysewerkzeugen wie Tabellenkalkulation und kartographischer Darstellung lassen sich analytische Aufgaben bearbeiten. Als weiterer Vorteil wurde die "Offenheit" der Software für die Einbindung von Daten aus Tabellenkalkulationen und Datenbanken u.a. aus der Office-Welt von Microsoft genannt.

Die Notwendigkeit zur koordinierten Erfassung von Biodiversitätsdaten auf Bundesebene ergibt sich aus Sicht der Referenten und Teilnehmer sowohl aus naturschutzfachlichen als auch aus naturschutzrechtlichen Notwendigkeiten. Aus naturschutzfachlicher Sicht erscheinen zumindest für ausgewählte Arten und Lebensräume (z.B. FFH-Richtlinie) nationale Erfassungen sinnvoll, da eine Reihe von bedeutsamen Fragestellungen (z.B. Bestandsentwicklungen) nicht alleine aus einem regionalen oder selbst überregionalen Blickwinkel zuverlässig bewertet werden können. Als Beispiele seien in diesem Zusammenhang Arten genannt, deren Verbreitungsgrenzen in Deutschland liegen, oder Arten, die selten sind und nur eine geringe Verbreitungsdichte haben. Aus naturschutzrechtlicher Sicht leitet sich die nationale Zuständigkeit für die Erfassung und Auswertung von Biodiversitätsdaten insbesondere aus Pflichten ab, die sich aus internationalen Regelwerken (z.B. EU-Vogelschutz- und FFH-Richtlinie) ergeben.

Handlungsempfehlungen (aus der Sicht des Berichterstatters)

Die Vorträge und Diskussionen verdeutlichten, dass die gegenwärtige Praxis der Datenerhebung und Datenverwertung erhebliche Mängel aufweist, die dringend abgestellt werden sollten. Das betrifft insbesondere uneinheitliche Methodenstandards, ungenügende oder fehlende Koordination und unzureichende Auswertungsverfahren. Dadurch laufen die verschiedenen Erhebungsprogramme und -projekte Gefahr, das identische Fragestellungen parallel bearbeitet werden, das Daten brachliegen und nicht ausgewertet werden und sich über kurz oder lang Resignation und Frustration unter den ehrenamtlichen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ausbreiten.

Aus Respekt vor den Leistungen der Kartierer, Beobachter und Melder sollten die die Daten verarbeitenden und auswertenden staatlichen und nichtstaatlichen Instanzen deshalb um die bestmögliche Verwertungen des Datenmaterials im Sinne des Biodiversitätsschutzes bemüht sein. Es ist schwer vermittelbar und als Missachtungen des ehrenamtlichen Engagements zu werten, wenn die Erfassungen und Projekte der Fachbehörden des Bundes und der Länder einerseits sowie die Erhebungsprogramme der Verbände und Fachgesellschaften andererseits weitgehend unabhängig betrieben werden, eine übergreifende Koordinierung fehlt und eine abgestimmte Auswertung unterbleibt.

Angesichts der Herausforderungen vor denen der Naturschutz in Deutschland steht, erscheint es weiterhin unverständlich, dass beispielsweise eine bundesgesetzliche Grundlage zur Ermittlung des Bierabsatzes in Deutschland (s. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamt vom 30. Oktober 2002) existiert, die Erhebung gesamtstaatlich bedeutsamer Biodiversiätsdaten aber der privaten Initiative oder allenfalls landesgesetzlichen Regelungen nach niedersächsischem Beispiel überlassen bleibt.

Die in der Neufassung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 25. März 2002 fixierte Aufgabe des Bundes und der Länder zur Umweltbeobachtung (§12 und §40 Abs.1 BNatSchG) geht zwar in die richtige Richtung, eine verbindliche Regelung zu Koordination und Abstimmung der Maßnahmen sowie verbindliche Berichtspflichten der Länder an den Bund fehlen jedoch. Es mangelt weiterhin an einer gesetzlichen Regelung zur Zusammenführung der erhobenen Daten auf nationaler Ebene. Wertvolle Informationen zum Zustand der Natur in Deutschland, die von einer großen Zahl von Freizeitforschern und Faunisten alljährlich zusammengetragen werden, werden daher auch zukünftig brachliegen.

Aus Sicht des Biodiversitätschutzes wären naturschutzrechtliche Regelungen anzustreben, wie sie analog für Bundesstatistiken gemäß des Bundesstatistikgesetzes gelten:

"Die Umweltbeobachtung hat im föderativ gegliederten Gesamtsystem des amtlichen Naturschutzes die Aufgabe, laufend Daten über den Zustand des Naturhaushaltes und seine Veränderungen zu erheben, zu sammeln, aufzubereiten, darzustellen und zu analysieren. Durch die Ergebnisse der Umweltbeobachtung werden gesellschaftliche, wirtschaftliche und ökologische Zusammenhänge für Bund, Länder einschließlich Gemeinden und Gemeindeverbände, Gesellschaft, Wissenschaft und Forschung aufgeschlüsselt. Die Umweltbeobachtung ist Voraussetzung für eine am Nachhaltigkeitsprinzip ausgerichtete Politik."

Entsprechend dem föderalen Staats- und Verwaltungsaufbau der Bundesrepublik Deutschland sollten die bundesweiten Umweltbeobachtungen in Zusammenarbeit zwischen dem Bundesamt für Naturschutz und den Naturschutzfachbehörden der 16 Länder durchgeführt werden. Die Naturschutzverbände und naturkundlichen Fachgesellschaften, deren Mitglieder über eine hohe Sachkompetenz verfügen und hoch motiviert sind, müssten zwingend und ihrem Stellenwert angemessen eingebunden werden.
Die im §12 BNatSchG vorgesehenen Umweltbeobachtungen wären also weitgehend dezentral organisiert. Im Rahmen dieser Arbeitsteilung müsste das Bundesamt für Naturschutz in erster Linie eine koordinierende Funktion wahrnehmen. Seine wichtigste Aufgabe wäre es, dafür zu sorgen, dass die Umweltbeobachtungen überschneidungsfrei, nach einheitlichen Methoden und termingerecht durchgeführt werden. Zum Aufgabenkatalog des Bundesamtes für Naturschutz müssten ferner gehören:

  • die methodische und technische Vorbereitung der Umweltbeobachtungen,

  • die Weiterentwicklung des Programms der Umweltbeobachtung,

  • die Koordinierung der Umweltbeobachtungen untereinander,

  • die Zusammenstellung und Veröffentlichung der Bundesergebnisse.

Für die Durchführung der Erhebung wären die Mitglieder der Verbände, für die Aufbereitung bis zum Landesergebnis die Fachbehörden der Länder in Zusammenarbeit mit den zuständig Fachgremien der Verbände zuständig.

Eine Alternative zu der vorgehend modellhaft entwickelten Verfahrens- und Vorgehensweise besteht in der Gründung einer Bundesstiftung zur Umweltbeobachtung in Anlehnung an das beispielhafte Vorbild des Schweizer Zentrums zur Kartografie der Fauna. Dort scheint es in finanziell tragbarer und unbürokratischer Weise gelungen zu sein, das fachliche Engagement von ehrenamtlichen Spezialisten mit den Kenntnissen von professionellen Koordinatoren dauerhaft zu verknüpfen.

Ralf Schulte, NABU-Akademie Gut Sunder

Zitatempfehlung:
Schulte, R. (2003): Erfassung von Daten zur Natur - Eine nationale Aufgabe? - Ergebnisse  eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder (5. bis 6.11.2002). www.nabu-akademie.de/berichte/01_erfolg-a.htm (18.2.2003)


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Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.