Energie aus Biomasse - Verheizen wir die Natur?"

Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder vom 18.04. bis 19.04.2002


Ziele und Inhalte

Nachdem der Ausbau der Wasserkraftnutzung in Deutschland weitgehend an ökologische Grenzen gestoßen ist und auch das Ausmaß des naturverträglichen Windkraftausbaus immer kontroverser diskutiert wird, fokussieren sich die Hoffnungen der Klimaschützer immer mehr auf eine dritte umweltfreundliche Energiequelle: die Biomasse. Steckt ihre energetische Nutzung heute noch weitgehend in den Kinderschuhen und basiert sie vor allem auf der Nutzung von Reststoffen aus Land- und Forstwirtschaft, so existieren bereits optimistische Szenarien, die mit Hilfe eines Energiepflanzenanbaus im großen Stil mittelfristig einen erheblichen Teil unseres Energiebedarfs decken wollen. Auf der anderen Seite steigt die Zahl der Kritiker, die unter diesem Aspekt Energie- und Agrarwende als unvereinbar ansehen und auch das Umweltbundesamt sieht beispielsweise im Einsatz von Rapsölmethylester im Verkehrssektor keinen wesentlichen Umweltnutzen.

Das NABU-Seminar wollte versuchen, verschiedene Standpunkte näher zu beleuchten und dabei vor allem folgenden Fragestellungen nachzugehen:

  • Wie groß ist das Potenzial der energetischen Biomassennutzung (ohne/mit Anbau)?

  • Wie groß ist der Umweltnutzen und vor allem der Klimaschutzeffekt des Energiepflanzenanbaus und unter welchen Bedingungen?

  • Kann Energiepflanzenanbau naturverträglich erfolgen?

  • Können unter diesem Aspekt Energie- und Agrarwende überein gebracht werden?

  • Welchen Sinn macht der Einsatz biogener Kraftstoffe im Verkehr?

Die Diskussion dieser Aspekte mit Fachleuten aus verschiedenen Bereichen sollte schließlich zur Skizzierung der Rahmenbedingungen für eine Naturschutzposition führen, die die Belange von Klima- und Naturschutz gleichermaßen berücksichtigt.

Ergebnisse

Im Mittelpunkt des ersten Veranstaltungsteils stand die Bedeutung der Biomassennutzung für die Energiewende. Dr. Frank Musiol (NABU-Referent für Umweltpolitik) setzte sich in seinem einleitenden Beitrag mit den Möglichkeiten für eine natur- und umweltfreundliche Biomassenutzung auseinander. Unter Bezug auf das Energiegrundsatzprogramm des NABU (1998) formulierte er das Ziel, dass der Energieverbrauch bis zum Jahr 2030 um 40% gesenkt und der Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieproduktion 75% betragen soll.

Die Verwirklichung dieser Ziele soll aus Sicht des NABU unter folgenden Rahmenbedingungen erfolgen:

  • kein weiterer Ausbau der Wasserkraft

  • naturverträglicher Ausbau der Windenergie

  • Steigerung des Biomasse-Anteils bei Verzicht auf intensive Anbauformen, 

  • Erschließung der Geothermie,

  • Erschließung der Sonnenenergie ohne Flächenversiegelung.

Der NABU unterstellt ferner, so Musiol, dass die Potenziale zur Nutzung erneuerbarer Energien prinzipiell ausreichend vorhanden sind, zur Zeit aber noch nicht hinreichend ausgeschöpft werden. So betrage der Anteil der erneuerbaren Energien gegenwärtige gerade einmal 7% der Energieproduktion. Davon entstammten 67% aus der Wasserkraft, 28% aus Windkraft und lediglich 5% aus Biomasse. Musiol weiter: "Eine weitergehend auf erneuerbaren Energien beruhende Energieversorgung wird nur zu verwirklichen sein, wenn alle in Frage kommenden Quellen genutzt werden. Biomasse kann neben Solarthermie und Geothermie eine wichtige Rolle im Wärmemarkt spielen. Biomasse-Heizkraftwerken kommt eine besondere Bedeutung bei der Abdeckung der Strom-Grundlast zu. Der Vorteil der Biomasse gegenüber anderen regenerativen Energien, wie Sonne und Wind, ist deren Speicherfähigkeit."

Definition: Als Biomasse werden Stoffe organischer Herkunft bezeichnet. Das beinhaltet lebende und abgestorbene Pflanzen und Tiere sowie die daraus resultierenden Rückstände bzw. Nebenprodukte (Z.B. tierische Exkremente), jedoch ohne den fossilen Anteil dieser Stoffe. Im weiteren Sinne können auch die Stoffe, die durch technische Umwandlung aus den vorgenannten Stoffen erzeugt worden sind, darunter verstanden werden.

Für die Energieerzeugung nutzbar sind nasse Biomasse (z.B. Dung, Gülle und Grünschnitt), trockene Biomasse (z.B. Holz und Stroh) sowie spezielle Energiepflanzen (z.B. Raps, Pappeln und Chinaschilf)

Der NABU befürwortet in seinem Energiegrundsatzprogramm die energetische Biomassenutzung. Kurzfristige Ausbaupotenziale sieht er insbesondere im Bereich biogener Reststoffe. Dazu zählen Reststoffe aus dem Ackerbau (Stroh), aus der Viehhaltung (u.a. Gülle, Jauche, Mist) oder aus der Wald- und Landschaftspflege (z.B. Grünschnitt, Schwachholz, Baumpflegeholz). Eine weitere Möglichkeit bietet der gezielte Anbau von Energiepflanzen, wie Raps, Getreide, heimisches Schilf, Chinaschilf, Sonnenblumen, Öl-Lein, Stärkekartoffeln, Hanf oder Brennesseln. Aus Sicht des NABU bedarf der Energiepflanzenanbau jedoch einer differenzierten Betrachtung. So sei beim Intensiv-Anbau von Energiepflanzen die vielgepriesene Klimaneutralität in der Regel nicht mehr gegeben, da der damit einhergehende hohe Einsatz synthetischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel die C02-Bilanz deutlich belastet. Darüber hinaus wies Frank Musiol auf klimarelevante Lachgas-Emissionen hin, die im Zuge der mikrobiellen Umsetzung der Düngemittel im Boden entstünden.

Der NABU spricht sich deshalb für den naturverträglichen und extensiven Anbau von Energiepflanzen aus. Da der ökologische Landbau per se mit einem geringerem Energieeinsatz als der konventionelle Ackerbau auskäme, ließen sich sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Einerseits würden die Klimabelastungen durch das Produktionsverfahren selbst reduziert, andererseits führte die energetische Nutzung der erzeugten Biomasse zur deutlichen Reduktion klimaschädlicher Emissionen.

Im weiteren Beitrag ging Dr. Wendelin Wichtmann (Universität Greifswald) vertiefend auf den Schilfanbau in semiaquatischen Okosystemen zum Zwecke der Biomasseproduktion ein. Mit dem Anbau von Schilf verbinden sich seines Erachtens gleich mehrere Vorteile. Der geringe Anspruch an Nährstoffe und Pflanzenschutz macht Schilf zu einer interessanten Rohstoffpflanze. Ein weiterer Pluspunkt ist die vergleichbar hohe ökologische Stabilität von Schilfflächen. Des Weiteren dienen Schilfflächen einer Vielzahl von Tierarten als Lebensraum.

Für den Schilfanbau bieten sich insbesondere wiedervernässte Niedermoorstandorte an. Allein in Mecklenburg-Vorpommern wären, so Wichtmann, mehr als 20% der Landesfläche (ehemalige Hoch- und Niedermoorflächen) für die Schilfproduktion geeignet. Alternativ zu Schilf ließen sich auf wiedervernässten Standorten auch noch Rohrkolben oder Erlen als Energiepflanzen anbauen.

Im Mittelpunkt des zweiten Veranstaltungsteils standen Fragen des Ersatzes erdölstämmiger Kraftstoffe durch Produkte aus der Palette erneuerbarer Energien. Dr. Andreas Ostermeier (Umweltbundesamt) und Dr. Frank Musiol (NABU) beleuchteten in ihren Beiträgen die Bestrebungen von Politik und Automobilindustrie, Energiepflanzen vor allem im Kraftstoffbereich vorzusehen. Bekanntestes Beispiel ist in diesem Zusammenhang der Rapsmethylester (RME), der als Biodiesel seit einigen Jahren in Nutzung ist. Darüber hinaus stehen gegenwärtig das sogenannte SunFuel, ein Designerkraftstoff aus Biomasse, sowie Solarwasserstoff und Methanol in der Diskussion.

Die Vorträge machten deutlich, das Biodiesel keine wirkliche Alternative zu erdölstämmigen Treibstoffen ist. Der Flächenbedarf für den Rapsanbau ist ausgesprochen hoch. Um den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch eines PKW decken zu können, sei eine Rapsanbaufläche von ca. 1 ha erforderlich. Der intensive Rapsanbau verursache zudem eine Reihe von Problemen beim Boden-, Grundwasser- sowie Arten- und Biotopschutz. Letztendlich ließe, so Ostermeier, auch die motorische Verbrennung von RME keine eindeutigen Vorteile gegenüber Diesel erkennen. Die RME-Verbrennung erzeuge zwar etwas weniger Ruß, gleichzeitig stiege aber die NQx -Emission an.

Als weiteres Problem, das den ökologischen Nutzen von RME zweifelhaft macht, sah Musiol den hohen Veredelungsgrad von Biodiesel, der nur durch hohen Energieeinsatz erreichbar ist, an. Ostermeier zitierte in diesem Zusammenhang Hans-Josef Fell, den forschungspolitischen Sprecher von BUNDNIS 90/DIE GRÜNEN: "....Es erscheint jedoch wenig sinnvoll, im Mobilitätssektor mit sehr großem Aufwand Erdöl zu verdrängen, wenn gleichzeitig im stationären Bereich - insbesondere bei der Wärmeerzeugung - in großem Maße 01 verbrannt wird, obwohl hier 01 wesentlich leichter ersetzt werden könnte." Sowohl Ostermeier als auch Musiol plädierten daher für einen Strategiewechsel bezüglich des Einsatzes von Biodiesel im Kraftstoffbereich. Kraftstoffprodukte aus Biomasse, die durch Ganzpflanzenvergasung SunFuel erzeugt würden, seien wesentlich besser geeignet. Der Anbau von Energiepflanzen zum Zwecke der thermochemischen Vergasung ließe zudem dauerhafte positive Effekte auf den Naturhaushalt und Biodiversität erwarten. Für Rapsöle sahen sie hingegen eine sinnvolle Zukunft nur im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung.

Dr. Jürgen Ohlhoff (BMVEL) ging in seinem Beitrag auf die Frage der Flächenpotentiale für die Produktion von Energiepflanzen ein. Er schickte voraus, dass die Maßnahmen der Bundesregierung zu Förderung des Energiepflanzenanbaus, das politische Ziel der EU zur Verdoppelung des Einsatzes erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2010 unterstützen würden. Die Bundesrepublik Deutschland strebe für das Jahr 2050 einen Anteil der erneuerbaren Energien von mehr 50% am Primärenergieverbrauch an. Daran solle die Biomasse mit rund 200 TWh/a (Anm.: 1 TerraWatt/h = 1.000.000.000 kW/h) beteiligt sein.

Quelle: Nitsch u.a.: Klimaschutz durch Nutzung erneuerbarer Energien, UBA-Berichte 2/2000

Ohlhoff ließ keinen Zweifel daran, dass die dazu erforderlichen landwirtschaftlichen Flächenkapazitäten ausreichend vorhanden seien. So stünden allein zum Anbau von Raps rund 1,5 Millionen Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche zur Verfügung, auf denen sich Energie dezentral und umweltschonend erzeugt ließe. Ohlhoff schloss gleichzeitig vorübergehende staatliche Unterstützungen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit von Energie aus Energiepflanzen nicht aus.

Kathrin Ammermann (Bundesamt für Naturschutz) berichtete über die Chancen und Risiken der Biomasse-Nutzung aus Sicht des Naturschutzes. Sie führte aus, dass die Ziele des Klimaschutzes und der CO2-Reduktion vom Naturschutz nachdrücklich unterstützt würden. Auch die große Bedeutung der erneuerbaren Energien für die Erreichung der Ziele sei unstrittig. Gleichzeitig unterstrich sie aber, dass der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien nicht unter Missachtung der gleichrangigen Ziele der Biodiversitätskonvention und der Nachhaltigkeit erfolgen dürfe. Die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege müssten deshalb bei weiteren Ausbauszenarien umfassend Berücksichtigung finden. Dafür sei es mittelfristig erforderlich, die Kenntnisse über die Auswirkungen der Nutzung der verschiedenen Formen erneuerbarer Energien auf Natur und Landschaft zu verbessern und Konzepte zur Konfliktvermeidung zwischen Natur- und Klimaschutz zu erarbeiten.

Ungeachtet der aus Sicht des Naturschutzes noch zu erledigen Aufgaben, gäbe es, so Ammermann weiter, bereits heute verschiedene Möglichkeiten der naturverträglichen Biomasseproduktion zum Zwecke der Energieerzeugung. Dazu gehöre u.a. die Nutzung von Restholz, das beispielsweise bei der ökologischen Forstwirtschaft oder im Zuge von Landschaftspflegemaßnahmen (Baumschnitt) anfalle. Hier ließen sich sogar wünschenswerte Synergieeffekte erzielen, da aus landschaftspflegerischer Sicht wünschenswerte traditionelle Nutzungsformen (z.B. Niederwälder) wieder lohnenswert würden.

Zusammenfassung der Ergebnisse und Handlungsempfehlungen

Die Vorträge und Diskussionen machten deutlich, dass sich der Naturschutz den Zielen den Klimaschutzes nicht verschließen kann. Eine Reihe von Naturschutzzielen bzw. aktuellen Naturschutzproblemen (z.B. Folgen des Klimawandels für Zugvögel setzt sogar Erfolge im Klimaschutz zwingend voraus (z.B. Folgen der Klimaveränderung für die biologische Vielfalt).

Gleichzeitig wurde deutlich, dass der Biomasse als vielseitig einsetzbarer, speicherbarer und nachwachsender Energieträger, eine außerordentliche Bedeutung bei der Energiewende beizumessen ist. Die Ergebnisse der Vorträge und Diskussionen zeigten ferner eine Reihe von Möglichkeiten auf, wie die Ziele des Naturschutzes und des Klimaschutzes nicht nur in Einklang gebracht werden können, sondern sich auch Synergieeffekte erzielen lassen.

Die Sorge von Naturschutzvertretern, dass die Natur durch den verstärkten Einsatz von Biomasse `verheizt" würde, erscheint unberechtigt, sofern Fehlentwicklungen frühzeitig begegnet wird.

Aus Sicht des Naturschutzes sind zur Vermeidung von Fehlentwicklungen folgende Anforderungen an den Ausbau der energetischen Biomasse-Nutzung zu stellen:

  • Der Anbau von Energiepflanzen muss naturverträglich, d.h. naturnah und extensiv erfolgen.

  • Die landwirtschaftliche Produktion von Energiepflanzen muss mindestens die Regeln der guten fachlichen Praxis BNatSchG) berücksichtigen. Ideal wäre die Ausrichtungen an den Standards des Ökolandbaus.

  • Beim Anbau von Energiepflanzen ist auf einen Energiepflanzen-Mix zu achten.

  • Großflächige landwirtschaftliche Intensiv-Kulturen von Energiepflanzen oder großflächige fortwirtschaftliche Kurzumtriebsplantagen mit schnellwüchsigen Hölzern werden abgelehnt.

Carlo Engstfeld, NABU-Akademie Gut Sunder

Zitatempfehlung:
Engstfeld, E. (2002): Energie aus Biomasse - Verheizen wir die Natur? - Ergebnisse eines Seminars der NABU-Akademie Gut Sunder (18. bis 19.04.2002). www.nabu-akademie.de/berichte/02_hautnah.htm (23.10.2002)


Weiterführende Links zum Thema


Die Tagungsveranstaltung wurde vom Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert. Die Veranstaltungsinhalte und -ergebnisse geben nicht unbedingt die Meinung des Bundesumweltministeriums, des Bundesamt für Naturschutz oder des Naturschutzbund Deutschland (NABU) wieder.